II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 486

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14: Der Schleien der Beatrice
Türme, Asinelli und Garisenda, die schon bei Dante““
ihre Rolle spielen, herrscht große bedräuhene Kriegs¬
Feuilleton. E.
not — der wilde Cesar Borgia ist nahe mit den Päpst¬
lichen. Ein fabelhafter „Herzog von Bologna“
Berliner Plaudereien.
tut mit seinem Stadtvolk, als käme der letzte
Von E. Vely.
Tag, oder die Pestzeit, in der Boccaccios Novellen
Die Zensur, Schnitzlers Beatrice, Charjentiers
entstanden. Es ist alles aus Rand und Band.
Louise, Mis Duncan und Agnes Sorma.
Da soll nun eine große allgemeine Orgie in den
Man sieht, die Ereignisse der letzten Zeit stehen
Mauern von Bologna la grassa — wie sie auch
unter dem Zeichen des Frauennamens. Die
hieß und heute noch heißt nach der berühmten
Theaterzensur, die Versammlung des Goethe¬
Bologneser Salami — denn die große Gelehr¬
bundes, so zahlreich und interessant, wie sich der
samkeit wird nicht mehr betont — stattfinden.
Zusammenfluß alles dessen, das sich für wahre
Iß und trink und leb’ und liebe, meine Seele,
Kunst, Freiheit in ihr und durch sie, einsetzt, sein
morgen bist du vielleicht tot. Da scharen sich
mußte in solchem Wohnplatz wie Berlin, die
denn die Lebensfreudigen zusammen. Die flatter¬
Redner so bedeutend durch ihre Persönlichkeit
hafte Beatrice, Braut des Vittorino, war dem
wie durch das, was sie sagten
— die Zensur
Jilippo Boschi in die Arme geeilt, als sie ihm
bloß gestellt in ihren wunderlichen Widersprüchen,
aber erzählt, daß sie vom Herzog, von Größe
in ihrer seltsamen Handhabung am sonnen¬
und Glück in seiner Liebe geträumt, verstößt er
beleuchteten Sonntagmorgen. Eine Einig¬
— worauf sie den Kirchgang mit dem Ver¬
keit im Protesterheben gegen diese nicht
lobten antritt. Hier sieht sie der Herzog und ver¬
mehr zeitgemäße Dame! — Und ein Hoffen
liebt sich in sie. Sie will seine Gattin für das Todes¬
darauf, daß der neuzuwählende Reichstag der
fest werden. Aber in allen Ehren. Und so
beabsichtigten Petition ein williges Ohr schenken
wird richtige Hochzeit gehalten. Von der aus
werde. Inzwischen freilich wird sich Dame Zensur
aber stürzt sie zu Filippo, um mit ihm zu sterben
wieder ganz behaglich in ihrem Rokokofessel
er trinkt den Giftbecher, sie hat nicht den
zurücklehnen, die Juße auf das gepolsterte
Mut und eilt wieder zum Herzog. Ihr schöner,
Bänkchen setzen, den gepuderten Kopf hochmütig
prunkvoller Schleier, den er ihr schenkte, fehll —
heben und mit dem Fächer ihren bezopften
das bringt den Herzog so auf, daß sie vor den
Dienern zuwinken: „Laßt die Schreier! Je ne
Richterspruch auf Leben und Tod gestellt wird.
m’encandillerai pas! Große Emotionen passen
Zitternd führt sie ihn hin in Jilippos Haus, der
nicht für die Menge! Die Leute sind ja viel
schimmernde Schleier findet sich. Da entdeckt
glücklicher, wenn sie nicht zum Denken angeregt
Bolognas Fürst aber auch die Leiche Filippos — —.
werden. Und unsere kleinen Plaisiers? Die
Beatrice stirbt durch die Hand lhres Bruders.
bringen uns die französischen Stücke so ungeniert
Sie, die den Tod so bang gefürchtet, wird nun
charmant — daran haben wir genug.“
du# ihn erlöst. Und der gefoppte Herzog ent¬
Mit dem Gefühl der Zusammengehörigkeit,
schuidigt das wankelmütige Weib; sie war ein
die Hoffnung auf kommende bessere Zeiten im
spielendes neugieriges Kind, und alle wollten ihr
Herzen trennte sich dann die Versammlung.
eine Welt sein, jeder für sich, während sie nach
Die nächste Tat des Goethebundes wird eine
dem Spielzeug griff: „So nannten wir dein Tun
Aufführung von „Maria von Magdala“ sein vor
Betrug und Frevel — und du warst ein Kind!“
geladenem Publikum. Inzwischen aber wird
Man klatschte, man zischte, man rief den Autor,
Paul Heyses Dichtung schon in einer Vorlesung
man war gleichgültig — aus diesem Gemisch
den Berlinern zugänglich gemacht werden, durch
entstand nur das, was man einen Achtungs¬
Friedrich Holthaus zum besten der Freien Hoch¬
erfolg nennt.
So wenig Maeterlinck echte
schule.
Renaissancemenschen vor uns hingestellt, hat es
Das Fräulein der Renaissancezeit, Beatrice
Schnitzler getan — Es ist ein Ausflug ins
Nardi, die Tochter des Wappenschneiders von
Kostümierte. Warum nur? seine wie wir ange¬
Bologna, die uns Arthur Schnitzler in seinem
zogenen Menschen fühlen und empfinden wie wir,
fünfaktigen Schauspiel vorstellte, hat keinen sehr
wir brauchen über keine Regenbogenbrücke in
enthusiastischen Empfang in der Stadt an der
ein Märchenland zu fliegen und uns nicht an
Spree gefunden. Die Renaissance ist plötzlich
Steinbalustraden mit fremden Bronzebildern
Mode — schade, daß Schnitzler, der uns so echte
hinzutappen. — Das Weaner Madel verstehen
Gestalten der Gegenwart gab, sie mitmachte, um
wir, den Literaten von da unten und den Offizier
an ihr zu scheitern. Es sind ja allerdings
der unter Dorurteilen zu leiden hat. — Was ist
recht hübsche Stimmungsschilderungen in den
uns der Herzog von Bologna — was uns Beatrice,
Renaissancerahmen gebracht, viel buntes Krabesken¬
die zwischen drei Männern hin und her
werk umraiz ie an sich dürftige Handlung. Flüchtende. Der Schleier der Beatrice wird sich
In Bononia cet. der Stadt der beiden schiefen! bald in den Schleier der Vergessenheit wandeln.