11. Reigen
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dieser kraftstrotzenden Umgebung: zwei Ma¬
donnen des Sandro Botticelli.
Und so war der Mann. Trotz seiner Sechzig
und seines grauen Haares, stark, jugendlich,
elastisch, der Erbe von Räubern und Haudegen.
In seinen stählernen Gliedern, seiner ragenden
bestalt zitterte ihr kriegerisches Ungestüm, in
einen großen dunklen Augen sprühte ihre blut¬
getränkte Wildheit. Doch die feinen, adligen
inger, die oft, einen treffsicheren Ausdruck
uchend, in die Luft griffen, die schmale, klug ge¬
wölbte Stirn verrieten die Geistesarbeit, die
dieser eisenfeste Schädel vollbracht hatte. Seine
bartlosen Lippen aber verrieten Härte und
Kühnheit, Sinnenfreude und Menschentum in
allem Großen und in allem Kleinen.
(Fortsetzung folgt.)
Kunst und Wissenschaft.
Schnitzlers Beigen in Berlin. Im Kleinen
Schau#echaufe zu Berlin + Direktion Gertrud
war für
—
Eysolot und Maximilian (Slädek
den Tag vor Weihnachten die Uraufführung von
Schnitzlers bis zur Abschaffung der Theater¬
gewesenem
verbgten
allenthalben
zensur
„Reigen“ angekündigt. Und die Vorstellung
and auch gegen den deutlichen Besehl einer vor¬
äufigen gerichtlichen Entscheidung statt. Vor
Beginn trat Gertrud Eysoldt an die Rampe
und hielt eine richtige Volksrede, worin sie sagte:
Das neue Regime der Hochschule für Musik (die
Hauswirtin des Theaters) suche mit allen Mit¬
eln an dem Mietsvertrag des Kleinen Schau¬
denn die Hochschule
spielhauses zu rütteln
wünsche den Theatersaal wieder für ihre eigenen
Zwecke zu haben. Als Mittel für solchen Zwedk
würde nun der aus dem königlichen Zeitalter
stammende Mietsvertrag, beziehungsweise der
Paragraph benutzt, der dem Theater die Auf¬
ührung politischer und unzüchtiger Stücke
untersage. Die Hochschule habe Einspruch er¬
hoben gegen die Aufführung von Schnitzlers
„Reigen und das Theaterunternehmen mit
diesem Vorgehen in seinem finanziellen Dasein
bedroht. Auf Betreiben der Hochschule habe in
letzter Stunde das Unterrichtsministerium die
Angelegenheit in die Hand genommen und, in¬
dem es Schnitzlers Werk als unzüchtig brand¬
markte, die vorläufige gerichtliche Entscheidung
erwirkt. Schließlich rief sie mit einigem Pathos
#
Msse
D De
aus: „Und es wird doch gespielt! Ich und mein
Kompagnon werden ins Gefängnis gehen, weil
vir Schnitzler, den ich liebe und verehre, nicht
als Pornographen beloidigen lassen. Wir stehen
ier im Kampfe für die Kunst!“ War es nur
ünstlerische Begeisterung, die nach dem „Reigen“
Frau Eysoldt sagte aufrichtig: „Man
griff:
tollte uns vor den Zusammenbruch.“ Dazu ist
bekannt, daß die Zeiten für das Theater
chwierig sind, und es wäre recht drollig, wollte
einer behaupten, künstlerischer Eifer habe Hun¬
in das gleiche
erttausende von Zuschauern
Kkleine Schauspielhaus zur „Büchse der Pandora“
getrieben.
Man hat nun Schnitzlers zehn erotische Dia¬
loge auf der Bühne gesehen. Es sind nicht bloß
handlungslose Gespräche. Dort, wo im Buch
die Konversation in ein Vorher und Nachher
scheidet. Punkte und Gedankenstriche gesetzt sind,
iel vor der kleinen, in Gazeschleier gehüllten
Biedermeierbühne der diskrete Vorhang. Mit
Geschicklichkeit ohne plumpe Unterstreichung und
allzu pointierte Aufreizung wurde die Aufgabe
Es war die
gelöst. (Regisseur Hubert Reusch.)
Kunst des französischen Rokokos, das Animalische
einer Schwere zu entheben, es in die Zone der
Schnitzlers
geflügelten Amoretten zu tragen.
Wienertum hat viel von dieser Art — wiewohl
vehmütige Resignation ihn immer wieder an
die Erde kettet. Daß eine Bühne in Berlin
bis zu einem gewissen Grad jenen Rhythmus
Schauspie¬
and, war eine hübsche Neuigkeit.
lerische Großtaten gab es nicht.
Übrigens trifft die in einzelnen Blättern
verbreitete Mitteilung, daß das gerichtliche Ver¬
bot der Aufführung von Schnitzlers „Reigen“
aufgehoben worden sei, nicht zu. Nachdem sich
as gerichtliche Verbot als wirkungslos erwiesen
hat, ist nunmehr die Auflösung des zwischen der
Musikhochschule und der Direktion Sladek¬
Eysoldt bestehenden Vertragsverhältnisses auf
dem Wege des Zivilpregesses eingeleitet worden.
R. Die neuen Reichsbanknoten. Die Reichs¬
bank, gibt demnächst eine Folge neuer Noten
aus, zu 100, 50 und 10 Mark. Der Ent¬
vurf dazu stammt von bekannten Künstkern:
G. W.
die neue Hundertmarknote entwarf
Hadank von der Unterrichtsanstalt des Ber¬
liner Kunstgewerbemuseums, der neue Fünfzio¬
markschein geht auf einem Entwurf von Pros.
Arthur Kampf zurück, dem Direktor der
Berliner Kunsthochschule, den Zehnmarkschein
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dieser kraftstrotzenden Umgebung: zwei Ma¬
donnen des Sandro Botticelli.
Und so war der Mann. Trotz seiner Sechzig
und seines grauen Haares, stark, jugendlich,
elastisch, der Erbe von Räubern und Haudegen.
In seinen stählernen Gliedern, seiner ragenden
bestalt zitterte ihr kriegerisches Ungestüm, in
einen großen dunklen Augen sprühte ihre blut¬
getränkte Wildheit. Doch die feinen, adligen
inger, die oft, einen treffsicheren Ausdruck
uchend, in die Luft griffen, die schmale, klug ge¬
wölbte Stirn verrieten die Geistesarbeit, die
dieser eisenfeste Schädel vollbracht hatte. Seine
bartlosen Lippen aber verrieten Härte und
Kühnheit, Sinnenfreude und Menschentum in
allem Großen und in allem Kleinen.
(Fortsetzung folgt.)
Kunst und Wissenschaft.
Schnitzlers Beigen in Berlin. Im Kleinen
Schau#echaufe zu Berlin + Direktion Gertrud
war für
—
Eysolot und Maximilian (Slädek
den Tag vor Weihnachten die Uraufführung von
Schnitzlers bis zur Abschaffung der Theater¬
gewesenem
verbgten
allenthalben
zensur
„Reigen“ angekündigt. Und die Vorstellung
and auch gegen den deutlichen Besehl einer vor¬
äufigen gerichtlichen Entscheidung statt. Vor
Beginn trat Gertrud Eysoldt an die Rampe
und hielt eine richtige Volksrede, worin sie sagte:
Das neue Regime der Hochschule für Musik (die
Hauswirtin des Theaters) suche mit allen Mit¬
eln an dem Mietsvertrag des Kleinen Schau¬
denn die Hochschule
spielhauses zu rütteln
wünsche den Theatersaal wieder für ihre eigenen
Zwecke zu haben. Als Mittel für solchen Zwedk
würde nun der aus dem königlichen Zeitalter
stammende Mietsvertrag, beziehungsweise der
Paragraph benutzt, der dem Theater die Auf¬
ührung politischer und unzüchtiger Stücke
untersage. Die Hochschule habe Einspruch er¬
hoben gegen die Aufführung von Schnitzlers
„Reigen und das Theaterunternehmen mit
diesem Vorgehen in seinem finanziellen Dasein
bedroht. Auf Betreiben der Hochschule habe in
letzter Stunde das Unterrichtsministerium die
Angelegenheit in die Hand genommen und, in¬
dem es Schnitzlers Werk als unzüchtig brand¬
markte, die vorläufige gerichtliche Entscheidung
erwirkt. Schließlich rief sie mit einigem Pathos
#
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D De
aus: „Und es wird doch gespielt! Ich und mein
Kompagnon werden ins Gefängnis gehen, weil
vir Schnitzler, den ich liebe und verehre, nicht
als Pornographen beloidigen lassen. Wir stehen
ier im Kampfe für die Kunst!“ War es nur
ünstlerische Begeisterung, die nach dem „Reigen“
Frau Eysoldt sagte aufrichtig: „Man
griff:
tollte uns vor den Zusammenbruch.“ Dazu ist
bekannt, daß die Zeiten für das Theater
chwierig sind, und es wäre recht drollig, wollte
einer behaupten, künstlerischer Eifer habe Hun¬
in das gleiche
erttausende von Zuschauern
Kkleine Schauspielhaus zur „Büchse der Pandora“
getrieben.
Man hat nun Schnitzlers zehn erotische Dia¬
loge auf der Bühne gesehen. Es sind nicht bloß
handlungslose Gespräche. Dort, wo im Buch
die Konversation in ein Vorher und Nachher
scheidet. Punkte und Gedankenstriche gesetzt sind,
iel vor der kleinen, in Gazeschleier gehüllten
Biedermeierbühne der diskrete Vorhang. Mit
Geschicklichkeit ohne plumpe Unterstreichung und
allzu pointierte Aufreizung wurde die Aufgabe
Es war die
gelöst. (Regisseur Hubert Reusch.)
Kunst des französischen Rokokos, das Animalische
einer Schwere zu entheben, es in die Zone der
Schnitzlers
geflügelten Amoretten zu tragen.
Wienertum hat viel von dieser Art — wiewohl
vehmütige Resignation ihn immer wieder an
die Erde kettet. Daß eine Bühne in Berlin
bis zu einem gewissen Grad jenen Rhythmus
Schauspie¬
and, war eine hübsche Neuigkeit.
lerische Großtaten gab es nicht.
Übrigens trifft die in einzelnen Blättern
verbreitete Mitteilung, daß das gerichtliche Ver¬
bot der Aufführung von Schnitzlers „Reigen“
aufgehoben worden sei, nicht zu. Nachdem sich
as gerichtliche Verbot als wirkungslos erwiesen
hat, ist nunmehr die Auflösung des zwischen der
Musikhochschule und der Direktion Sladek¬
Eysoldt bestehenden Vertragsverhältnisses auf
dem Wege des Zivilpregesses eingeleitet worden.
R. Die neuen Reichsbanknoten. Die Reichs¬
bank, gibt demnächst eine Folge neuer Noten
aus, zu 100, 50 und 10 Mark. Der Ent¬
vurf dazu stammt von bekannten Künstkern:
G. W.
die neue Hundertmarknote entwarf
Hadank von der Unterrichtsanstalt des Ber¬
liner Kunstgewerbemuseums, der neue Fünfzio¬
markschein geht auf einem Entwurf von Pros.
Arthur Kampf zurück, dem Direktor der
Berliner Kunsthochschule, den Zehnmarkschein