II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 21

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4.9. Anatol-
klu-
4

„OBSERVER
I. österr. behördl.
konzessionirtes
Bureau
für Leichten
Wien, I.
Konkordiaplatz 4
Neuigkeits Weltblatt. Wie¬
-. DEZ. 1910
Deutsches Volkstheater. Zum erstenmal „Anatol
fünf Einakter von Artur Schnitzler, Uebereifrige
Freunde haben Artur Schnitzler bewogen, seinen Anatol¬
Zyklus auf die Bühne zu bringen. Man hat ihn übel
beraten. Dieses Stimmungs=Filigran, diese Empfindungs¬
Seisenblasen mit ihren huschenden, trisierenden Farbe
vertragen das grelle Lampenlicht nicht. Nur „Abschieds¬
souper" und „Anatols Hochzeitsmorgen" konnten es zu
einiger Wirkung bringen, wenn auch zu keiner reinen.
Namentlich der Hochzeitsmorgen hinterläßt in der
brutalen Deutlichkeit der Bühne einen üblen Eindruck,
während er beim Lesen vergnügte Heiterkeit auslöst.
Die Schnitzler=Gemeinde füllte das Haus und jubelte
in blinder Begeisterung. Daß Haß und Liebe nur von
der Uebertreibung leben können!

Von den Fren am Hause gewürgt, wollte von Kabinen
Textinnoustrie gewinnen, die Liberalen hofften in Liver¬
beginnen.
sich in den Wahlen zu einer selbständigen Majorität durch¬
pool einzudringen, und beide warben mit der höchsten
künstlerischer und wohl auch poetischer sind, hat niemals er kam. Artur S.
Die heutige Nummer enthält:
„Grünen Kakadu".
ein liebenswürdigeres geschrieben als den „Anatol.
„Verkehrs- und Industrie-Zeitung"
Dämmerseelen", den
Freilich, als dieses liebenswürdige Buch damals er¬
sammen haben schli
schien, ging es ihm, wie es den liebenswürdigen Büchern
„Die Wasserversorgung von Wien.“ Eine
macht. Mit der 3
im Anfang meistens geht: Es blieb unbeachtet.
Jungen Wien gewor¬
technische Studie. Vom städtischen Baurat Inge¬
drängte sich nicht auf, bettelte nicht um Notizen, anti¬
Daß dieser Wer
chambrierte nicht in den Vorzimmern der Mächtigen. So
nieur Dr. Martin Paul. Seit 25 bis 27.
ließ man es liegen, wo es eben lag, und das Geschäft Im übrigen ist er
Goethesche Gestalt zu
Ferner:
des Tages ging daran vorüber. Auch sein Inhalt war
junge Goethe, so ist
Die Fortsetzung des Romans „Rudolf
ja schließlich kein solcher, daß man davor hätte stehen
einem gewissen Abst
bleiben müssen. Sieben zärtliche Abenteuer des zärtlichen
Vase, gefüllt mit de
Ardagger“ von Engen Wrany. Seite 24.
Helden Anatol lieferten den Stoff zu sieben kleinen, nur
Reiz des Anatolan
durch die Figur des gemeinsamen Helden in eine lose
deutung. Denn wen
Verbindung gebrachten Einaktern. Es war das Genre
nennt, so tut er da
Feuilleton.
des sogenannten Proverbs, das ein halbes Jahrhundert
Wohl ist er wie so
früher Musset in Frankreich kreiert hatte. Man ließ sich
Melancholiker. So
Der Anatol.

diese Proverbs sehr gerne gefallen, wenn sie von Musse
recht. Aber diese le
Vor achtzehn Jahren ist auf dem Wiener Büchermark
oder einem anderen Pariser verfaßt waren und im alten
noch keine Anatols
ein schmächtiger neuer Band erschienen, der den zugleich
Burgtheater gespielt wurden. Daß das auch ein Wiener
ist eine Kleinigkeit
elegant und einfach klingenden Titel „Anatol“ trug. Ein
machen könne, glaubte man nicht recht, wollte es nicht
„Mein kleiner Dich
junger Dichter, namens Schnitzler, führte sich damit ein,
glauben. Es waren ja dazumal polemische Zeitläufte, ein
Gesponsin, zu ihm
und ein anderer, noch die jüngerer, der sein Knaben¬
neue Kunst wurde ausgerufen, ein neuer Frühling pro¬
gefunden, obwohl
gesicht unter dem melodischen Decknamen Loris borg, ga¬
klamiert und man wollte nichts wissen von dem neuen
Anatol ist wirklich
dem älteren Freunde das Geleite. Wie klangen sie nur,
Frühling, behandelte ihn als ungebetenen Gast. „Und
würdigen Sorte, ein
jene zierlich gestelten Trochen, die über dem Eingang
wenn man den Frühling neu entdeckte," sagt Anatol zu
Musset, geht er in
des jungen Buches schwebten:
seinem Freunde Max gleich auf einer der ersten Seiten
den hübschen Frau
Also spielen wir Theater
des neuen Buches, „man würde auch an ihn nicht
Freunde Max in D
Spielen unsere eigenen Stücke,
glauben. Trotz der grünen Bäume, trotz der blühenden
dankt, wie schon
Früh gereift und zart und traurig,
Blumen und trotz der Liebe...." Was die Ernsthaften
zösischen Einflüssen
Die Komödie unsrer Seele
betrifft, so hatte er sicher recht. „Weibergeschichten!" sagten
und das mag pa¬
Unseres Fühlens Heut und Gestern....
theater. Anatol ist
die, mit einem unfreundlichen Blick auf das neue Buch,
Hugo v. Hofmannsthal, jener Loris, hat in seinem
ein Dichter war er
und gingen weiter. Sie lasen es zwar nicht, aber sie
Leben schönere, stolzere, anspruchsvollere und bedeutender
sein Schöpfer ein
mißbilligten es von Grund aus. Die Frauen jedoch, die
Verse gemacht, Verse von höherem Adel, tieferem Inhalt
dieses jungen, werde
in Sachen der Kunst die feinere Nase haben, die Künstler
und größerem spezifischen Gewicht: Er hat niemals ein
theater. Da hat an
und die Jugend waren anderer Meinung Silasen das
liebenswürdigeres Gedicht ersonnen als diese Einleitung zum
Dialog bewegen ge
„Anatol. Und auch Artur Schnitzler, der Dichter so vieler liebenswürdige Buch um seiner Liebenswürdigkeit willen
Dramen, Romane und Novellen, der uns seither so viele und auch wegen der Versprechungen für die Zukunft, die Obmann sich trotz
Bücher geschenkt hat, die bewußter, verzweigter, raffinierter, es enthielt. Sie mitterten den kommenden Dichter. Und Man übrigens. Ich