II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 128

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4.9. Ana¬
Zyklu-
Telephon 12.801.
4
De
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm,
burg, Toronto.
lange des die
Ausschnitt aus Theater-Courier, Berlin
vom
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Anatol." (Erstaufführung.
Lessingtheater. — Es war entschieden eine glückliche
Idee des Direktors Dr. Brahm, den literarischen Feinschmeckern
als Weihnachtsgabe den ganzen Anatol=Zyklus darzubieten,
nachdem der eine Einakter hieraus, „Ein Abschieds
souper", bereits in zahlreichen Aufführungen (mit und ohne
berühmte Gäste als „Anni", die größte Anerkennung für
Schnitzlersche dramatische Schnitzereien gefunden hatte. Diese
un tiemen dramatischen Scherzi d'amore mit ihren gleichen
und doch so verschiedenen Gedanken und Empfindungen, alle auf
eine Tonart gestimmt und doch so mannigfältig moduliert, alle
mit einem leichten Seitensprung ins Erotische und doch ohne
jede Zote, werden jedem Aestheten in der Ars amandi einen
pikanten Genuß bereiten. Und so trifft es auch zu, daß all¬
abendlich das Lessingtheater von einer frohgesinnten Menge
von Menschen besucht wird, die den guten Anatol auf seinen
5 verschiedenen Liebes=Irrwegen mit innerlicher Schadenfreude
(und das ist ja bekanntlich die reinste aller Freuden) und heim¬
lichem Schmunzeln (welches etwa besagt: Mir könnte das so
leicht nicht passieren!) bis zum Abschluß, d. h. hier: bis zum
Standesamt begleiten. Mit allzu großem „Geistreichsein
prahlt hier Schnitzler in seiner dramatischen Jugendarbeit
keineswegs, aber amüsant ist er von der ersten bis zur letzten
Szene, und bei aller Pikanterie doch vornehm, von der ersten
bis zur — vorläufig! — letzten Geliebten! Und das ist für
einen unterhaltsamen Theaterabend vollauf genug. — Die Dar¬
stellung des Lessingtheaters paßte sich den Intentionen des
Dichters meist an mit leichte, hüpfenden Sprüngen, pittoresk¬
graziös allerdings ohne man he notwendiger Capricen, wie ich
sie als Widerspiel im Dialog gern bemerkt hätte. Dieses Manko
an kapriziöser Eleganz machte sich am deutlichsten bei der
Darstelleren der Annie im „Abschiedssouper" bemerkbar, die
aus dem „lieben süßen Mädel“ mit dem Sektschwips ein wider¬
haariges bezechtes Dämchen ich will mich nicht „zoologischer
ausdrücken machte. Die übrigen Damen, Paula Menari als
„Cora“ Lina Lossen als „Gabriele“, Hilde Herterich als
„Bianca, und ganz besonders die temperamentvolle
Frau Irene Triesch in der Rolle der feurigen „Ilona"
verdienen uneingeschränkte Anerkennung. Anatol, der Mann
mit dem Omnibus=Herzen, war Heinz Monnard. Im
Tonfall das Spezifisch=Wienerische. Energielosigkeit mit
einem Schuß von Selbstironie, sehr gut treffend, wußte
er sich gewandt und amüsant aus allen mehr oder weni¬
weniger heiklen Situationen mit seinen Weibchen und Weibern
herauszuschlängeln. Etwas störend wirkte dabei für mein per¬
sönliches Empfinden!) seine ziemlich kompakte Figur, die noch
besonders im Gegensatz zu der kleinen und zarten Gestalt des
Herrn Bruno Ziener als Freund „Max" doppelt auffiel. Ge¬
rade umgekehrt denke ich mir die Zwei. Anatol, der „reine
Tor“ der Liebe, etwas aetherisch, schlank, mit einer Dragoner¬
leutnantstaille. Max. der Philosoph, etwas spießig, rundlich
mit dem phlegmatischen Lukullusbauch Da wäre die Wirkung
noch schlagender gewesen. Aber alles kann ja nicht auf dieser
Welt vollkommen sein! Und es war ja auch so sehr lustig
Telephon 1230
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burg, Toronto.
(duellenangabe ohne Gewähr.
Ausschnitt aus:
Deutsche Rundschau, Berlin
am

des redens mit dem rutschen Preis des Frühlings.
Hat hier das Gemütvolle des Inhaltes die Teilnahme des Publikums erweckt
und festgehalten, so ist es der Reiz des Prickelnden und Pikanten, der den fünf
einaktigen Skizzen von Arthur Schnitzler unter dem Gesamttitel „Anatol“,
zum ersten Male am Sonnabend, den 3. Dezember 1910 aufgeführt, den
Erfolg verschafft hat. Anatol, ein reicher, junger Herr aus Wien, gebildet,
skeptisch und blasiert, wird uns in verschiedenen Lebenslagen vorgeführt: an seinem
Hochzeitsmorgen im Stelldichein mit seiner Geliebten, die er doch der Schicklichkeit
wegen verabschieden muß; beim Abschiedssouper mit einer Geliebten, die er ab¬
schieben will, die ihn aber schon fortgeschoben hat — bei aller scheinbaren Ver¬
schiedenheit im Grund immer derselbe Gegensatz von Mann und Weib, vermittelt
durch die Rolle des Freundes, der zwischen beiden ausgleicht oder die Moral der
Szene ausspricht. Anatol, Max und die Geliebte unter verschiedenen Namen sind
die stehenden Figuren der einzelnen Szenen. Die geistreichste ist „Die Frage an
das Schicksal" betitelt. Anatol vermag seine Cora in einen hypnotischen Zustand
zu versetzen, in dem sie auf alle seine Fragen die Wahrheit antworten muß: er
will sie nun einmal daraufhin prüfen, ob sie ihm treu ist. Als sie aber kommt
und die Gelegenheit sich bietet, traut er sich doch nicht, die Gewissensfrage zu
stellen. Max der Philosoph meint im Abgehen: „Eins ist mir klar, daß die
Weiber auch in der Hypnose lügen.