II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 158

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4.9. Anatol - Zyklus


Genugtuung gegeben hat. Aber in Hintergrunde gibt es
vor allem die Aufgabe eines
aus den Worten teuren Vaterla¬
unterrichts sein.
noch Differenzen genug. So in der Frage der Anleihe, die
er gedeiht auch der Typ des bunten Schmetterlings, der den Jahren, die seit der Entstehung der Gestalten ver¬ doch auch menschlich echte Gefühle
sche Rückblicke auf frohe Augenbli
von Blüte zu Blüte schwebt, überall vom süßen Duftnippt flossen sind, noch nichts von ihrer Frische verloren haben
und sich dann, wenn er des Spieles gesättigt ist, leichten Durch die Zusammenfassung in einen Zyklus vertieft sich
der nächste Einakter: „Episo
Menschenkenntnis spricht aus
besonders die Gestalt des Anatol und kommt so zur
Flages entfernt — um auf der nächsten Blüte derselben Freu¬
Wiedersehens zwischen Anato
den zu pflegen... Schnitzler hat sie in seinen jungen Jahren Geltung, wie ihn der Dichter geschaut hat, das heißt
als flotter Student und junger Arzt gut studiert, diese alle menschlichen und wahren Gefühlstöne klingen mit, wie knappe Formel bringt hier
in wechselnden Farben schillernde Großstadtpflanze Liebe, die gefährlichen Klippen, die der Stoff birgt, werden ge¬ einen typischen Unterschied im
Er kennt alle ihre Abarten und Arten, und er weiß, wie wieder
und des Mannes! Wie leben
süß und verführerisch sie duften. Er kennt den Typ des
In ihrer Aneinanderreihung geben die fünf Stücke ein Sentimentalität ist diese kleine
Wiener Viveurs, der sich keine Skrupel macht, alle diese umfassendes Lebensbild des Helden und zeigen, daß bei
plizierte Gefühle schwingen in
Einen grotesken Schlußakkord bi
Genüsse egoistisch auszukosten, ohne Konsequenzen zu ziehen alle Oberflächlichkeit und Blasiertheit doch ein gesunde¬
und sich berauscht und betäubt, um die Liebe all der süßen Stück Menschentum und echtes Gefühl in ihm lebt. Der alter „Anatols Hochzeit
geschickte Aufbau des Stückes und die Steigerung der Dichter die Farben aufs kühnste
Madei, die ihm auf seinem Lebensweg begegnen, ohne eine gehen zugleich den Grundton am Morgen seiner Hochzeit
viel Grübeln und Nachdenken zu genießen, — bis in¬
eigentlichen Lebens, in
Ferne schon das nächste Abenteuer winkt. Nur ja der an, auf den der ganze Abend gestimmt sein soll. Gleich
seinem Ich. Aber durch all de
Wiener Luft kann solcher Flattersinn sich so betätigen, im ersten Stücke „Eine Frage an das Schicksal
daß er nicht brutal wirkt, nur hier trägt die erleben wir, wie tief jeweils im Augenblick seine Liebes¬ in diesem Akt an uns vorüber¬
Liebenswürdigkeit bei beiden Parteien immer wieder erlebnisse dem siegreichen Eroberer gehen. Er will mehr der Technik eines Pariser Schwa¬
den Sieg davon, und wir vermögen dem leichten als den flüchtigen Genuß des Augenblicks. Jedes neue doch auch hier wiederum das men
Fluß der Liebeständelei zu lauschen, ohne daß die Erlebnis schlägt neue Saiten seines Wesens an, und die großen Lebensfragen, die diesem
gestrenge Muhme Moral gleich zu Worte kommt. Treue seiner jeweiligen Geliebten ist ihm inneres Be= und unbekümmerten Treiben erst
aus der Tiefe verhallend nach.
Schnitzler steht seinen Menschen in erster Linie als Dichter dürfnis. So will er denn auch die Gelegenheit ergreifen
gegenüber. Er sieht das Menschliche in ihnen. Er kann die in ihm aufgestiegenen Zweifel an der Treue seiner Eindruck ein dichterischer ..
fünf Stücke aufgenommen wurde
den Mädeln nicht böse sein, die sich dem süßen Genuß des gegenwärtigen Geliebten zu prüfen, und er greift mit
Freuden zur Hypnose, als dem ersten Mittel, darf annehmen, daß sie sich la
Augenblicks hingeben und in ihrer verzückten Schwärmere
ganz übersehen, wie denn der Anatol oder, wie er sonst um die Wahrheit an den Tag zu bringen. Aber halten werden. Szenisch bot
Neue, aber nicht alle Einkle wa
sich nennt, in seinem Inneren eigentlich aussieht und wie was er schon aus den ersten Geständnissen der Kleinen
Dekoration der Straße
es mit der Dauer seiner Liebe steht. Und er kann auch in der Hypnose herausbringt, ist nicht geeignet, ihn auf
wohl doch gar zu einfach
den Männern vom Anatol-Typ nicht zürnen, die sich nicht die Durchführung des Experiments gespannt zu machen
aus reinem Leichtsinn in diese Liebesabenteuer stürzen, und so lernt er denn lieber diese Liebe hinzunehmen, wie Wirkung wurde noch nicht erre
sie ist, und läßt das ernsthafte Grübeln bei Seite, wo es litt die Aufführung merk¬
sondern im Augenblick, da sie sich einer neuen Liebe hin¬
trotz aller Vorsicht doch bre¬
nun einmal nicht angebracht ist.
geben, ehrlich und tief fühlen, nur daß sie in jener
Herrn Lengbach, dem sonst
sozialen Sphären, in denen sie die süßen Mädel¬
Das nächste Stück „Weihnachtseinkäufe schlägt tiefere
lag. Herr Bauer schien ebenso
finden, nicht dauernd zu verweilen vermögen.
Töne an, wenn sie auch leise und gedämpft aus dem
Es ist dieser menschlich-warme Herzenston des Dichters, leichten Gespräche empordringen, das Anatol mit der niert zu sein. Er nahm den
melancholischer, auch mehr gealt¬
der überall bei Schnitzler durchdringt und der ihn auch vornehmen eleganten Dame auf der weihnachtlichen Stra߬
gegenüber den leichtblütigsten Menschen und den heikelsten
führt. Neben dieser Dame, mit der in konventionellem den weiblichen Kollen entfalte
Situationen nie frivol werden läßt, so daß auch die Zuhörer
Tone der Gesellschaft flirtet, sehen wir im Hintergrund, Wulf, Sangora, Ham¬
edlen Wettstreit, jede ihren eigen
immer in einer wohltuenden Atmosphäre der Heiterkeit mit tiefer Empfindung gemalt, die Gestalt des „füßen
schwer zu sagen ist, welcher von
bleiben. Wie tief er, wo es nötig ist, das Problem zu Mädels aufsteigen, die in ihrer Vorstadtwohnung des Ge¬
fassen weiß, hat er in den Gestalten von „Liebelei gezeigt
liebten harrt und spüren den zarten Hauch der echten Liebe im
Hier in den „Anatole-Szenen nimmt er die Situationen
Gegensatz zu dem Tändeln und Flirten, das in den oberen
— Chauvinismus in der Kun
in die der Leichtfuß Anatol gerät, noch hauptsächlich vor
Schichten der Gesellschaft als ein Rechtes Surrogat der übermittelt uns der Draht die so
der heiteren, komischen Seite und legt das uptgewich
wahren Leidenschaft diesen muß. Die Kunst, mit der kannte königliche Kammersänger
seiner Kunst darauf, den leichten berauschenden Schnitzler in diesen kurzen Szenen die tiefsten Lebens¬
ein geborener Däne, war
Dift und den Zauber der Stunde einzufangen,
fragen aufrollt, verdient höchste Bewunderung. — Der
in Kopenhagen zu einem Gast
der über diesen flüchtigen Abenteuern ruht
nächste Einakter „Das Abschiedssouper, —
kannt wurde, daß der Sänger
Diese fünf Einakter aus der Frühzeit Schnitzlers, deren bekannteste und am öftesten gespielte aus dem Zyklus
singen wollte, zeigte sich in der
läßt in diesem Zusammenhang erkennen, daß er rung starke Opposition dagegen,
Eigenart der Prolog von Hoffmannstal ein wenig verkennt
wenn er als Rokokoszenen beurteilt, halten Typen aus mehr als eine flotte Chambre separée-Szene darstellt und geborener Däne ist, auf dem
fremde Sprache benutzen w.
dem modernen Wiener Leben fest, die zu gestalten nur den Charakter des Anatol ebenso von einer neuen Seite
der Intuition eines Dichters gelingen konnte und die in spiegelt, wie die Gestalt des Mädels, in der bei allem Leichtsinn daher in Uebereinstimmung mit