II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 377


Ihm zur
Portion Geist und Gemüt verfügt.
Seite steht der heitere Lebenspraktikus Max als
Frauen
Helfershelfer und Räsoneur. Die
wechseln; denn das ist das Eigentümliche bei
diesen Menschen, daß sie aufs zärtlichste und auf¬
richtigste lieben können, ohne treu zu sein.
Schnitzler hat seit der Zeit Ernsteres und Be¬
deutenderes geschaffen und doch sieht man den
Das
losen Erstling hie und da wieder gern. —
Gastspiel Josef Victoras brachte uns drei der
sieben Einakter. Den Anfang machte: „Die
Frage an das Schicksal“. Anatol hat seine Ge¬
liebte in hypnotischen Schlaf versenkt, um von
ihr in diesem Zustande zu erfahren, ob sie ihm
treu ist. Aber er fürchtet sich vor der Antwort
und weckt sie, ohne die Frage gestellt zu haben.
„Das Abschiedssouper dürfte das bekannteste
Stück des Zyklus sein und wurde auch bei uns
bereits mit Schramm und Leonore Ehn gegeben.
Es verdankt seine Beliebtheit der witzigen
Schlußpointe. Als drittes wurde „Am Hochzeits¬
morgen gewählt. Anatol ist von seinem Polter¬
abende weg auf die Redoute gegangen und hat
am Morgen seiner Hochzeit alle Mühe, von
seiner Geliebten loszukommen. Wieder gelingt
es Max, diesem überlegenen Kenner der Frauen¬
seele, seinen Freund aus der Patsche zu helfen.
Der Anatol wird von Bonvivants gern ge¬
spielt. Sie nehmen die Sache gewöhnlich nicht
schwer und stellen mit Aufwendung aller äuße¬
ren Mittel, die sie für ihr Fach parat haben
müssen, einen leichtsinnigen, liebenswürdigen
Lebemann auf die Bühne. Unser prächtiger
Gast, Josef Victora vom Ronachertheater in
Wien, ließ es dabei nicht bewenden. Er hat mit
sicherem Blicke das Tiefere der Gestalt erkannt,
das in dem Gegensatze zwischen Handeln und
Denken zum Ausdrucke kommt. Anatols Han¬
deln ist Leichtsinn, sein Denken aber ist echte
Wiener Schwermut. Das verleiht ihm einen ge¬
wissen müden, hilflosen Zug. Und die ganze Un¬
moral dieses skrupellosen Genießers entspringt
einer so kindlichen Naivität, einer so selbstver¬
ständlichen Verantwortungslosigkeit, daß man
dem Bösewichte nicht gram sein kann. Die be¬
rühmtesten Darsteller haben sich um den Anatol
bemüht, wir können uns keinen besseren vor¬
stellen, als wir ihn gestern zu sehen bekamen.
Namentlich im dritten Stücke zeigte der
Gast sein großes Können. Hier war Irene
Brion eine gleichwertige Partnerin, voll
sprühenden Temperaments, voll prickelnder
Grazie. Schramm wurde ein wenig durch Erin¬
nerungen an seinen eigenen Anatol beschwert,
führte aber mit dem Gaste einen erfolgreichen
Wettkampf auf dem Gebiete der Eleganz und
Mode. Aus dem ersten Stücke ist noch Beppina
Zampa zu erwähnen, wie immer von sonniger
Heiterkeit erfüllt. Im ganzen ein köstlicher
Abend, der ein größeres Interesse verdient
Dr. L.
hätte.
(Aus der Theaterkanzlei.) Morgen gelangt
Franz Lehárs jüngster großer Erfolg, die Ope¬
Re¬
rette „Eva, zur vierten Aufführung.
gisseur Hermann Roché bereitet für sein am
Donnerstag stattfindendes Benefize das letzte
Werk Johann Strauß, die Operette „Wald¬
meister vor. Der Benefiziant bietet mit diesem
musikalisch und textlich entzückenden Werke An¬
seren Theaterfreunden eine wertvolle Gabe von
seltener Anmut und Schönheit.
4.9. Anatol-
box 9/1
Zykle
...
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(Stellenangabe ohne Gewehr).
Ausschnitt aus: Rheinisch Westph. Zeitung, esse
191.
un
Kunst und Wissenschaft.
Dortmund 10. März. Matine des Theatervereins¬
„Anatol“ von Arthur Schnitzler Drei Einakter: Die
Frage an das Schicksal — Episode — Abschieds¬
souter. — Amüsante Varianten über das Thema: Die Grisette
und / ihr Milieu, oder, um mit Ernst von Wollzogen zu reden „vom
kleinen, lieben, süßen Mädel“, das der Kavalier liebt und Gevatter
Schneider oder Handschuhmacher heiratet. Man lacht und freut
sich ein wenig und ist zufrieden, daß man keine Probleme zu lösen
braucht. Arthur Schnitzler stellt uns die Spielart „Weiner Madl
vor; seine Liebesszenen erinnern einigermaßen an Henry Murger,
nur finden wir glücklicherweise statt duseliger Sentimentalität
erfrischenden Witz, zuweilen auch saftige Satire; dabei fühlt man
auf Schritt und Tritt, daß Schnitzler nicht als passiver Beobachter
schildert, sondern eigenes Erleben nachgestaltet. Im allgemeinen
bieten die Szenen, die ja im Grunde genommen keinen viel
höheren Anspruch, als zu unterhalten, erheben können, auch
Beitrag zum Kapitel „Psychologie des Weibes"; zum Glück wird
man fortgesetzt daran erinnert, daß diese Frauen zum Begriff
„Weibchen gehören. — Die Darstellung war im allgemeinen sinn¬
gemäß, wenn auch nicht besonders gefeilt. Herr Kaufmann
(Anatol) zeigte eine erfreuliche Sicherheit, während die Bewe¬
gungen des Herrn Matthias (Max) mir für einen Lebemann
doch etwas zu wenig elegant vorkamen. Frl. Habermeyer
Annie machte ihre Sache als Ballettmädel recht gut. Sie ließ
unas wie Wagner But guleren. Das Haus war wie bei ge¬
Vergeltungen des Theatervereins überfüllt und beitsfrondig.