II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 516

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Zyklus
4.9. Anatol
dann wegen wieder golden.
differenziertesten psychologischen Feinheiten zutage der Aufführung hatte Herr Direktor Dr. Rucker
inne. Der Beifall war stark.
treten. Und über das hinaus sind diese Schnitzler
Feuilleton.
schen Kostbarkeiten ein Zeit- und Sittenspiegel
Karsten Schliffs.
Der Aufführung gebrach es im allgemeinen
Ther.
nicht an Stimmung. Am tiefsten war wohl die
ti. Als dritte Gastspiellolle hatte sich Gustav Wirkung, die von dem Dialog der „Weihnachts¬
einkäufe ausging. Spiel und szenische Ausma¬
Waldau den Anatolintz gleich¬
chung ergänzten sich hier zur schönsten Einheit.
namigem Einakterzyklus ausgewählt, und am
Daneben bedeutete das an komischen Situationen
2. Dezember konnte man sich im Pfauen¬
theater der Tatsache freuen, daß Waldau auch reiche „Abschiedssouper den humoristischen Höfe¬
punkt des Abends. Herr Waldau zeichnete den gut¬
der feinbefalteten Kunst Schnitzlers ein verständ¬
mütigen Stimmungsmenschen Anatol, der in
nisvoller und gewandter Interpret ist. Was der
Halbdunkel, im Licht der grün=roten Ampel und
Wiener Arzt in den sieben Einaktern des Anatol¬
beim Klavierspiel sein poetisches Gemüt in die se
Zyklus gibt, von denen dier: Die Frage an das
oft viel nüchterner empfindenden Seelen seiner
Schicksal, Weihnachtseinkäufe, Episode und Ab¬
Huldinnen hineindichtet, mit seinem Verständnis.
schiedssouper gespielt wurden, ist stofflich ein Quer¬
schnitt durch das Liebesleben des Helden, Hoff= Seiner zurückhaltenden, reflektierenden Art war
es zu verdanken, daß man diesen Anatol, wie es
manns Erzählungen an die Donau übertragen
auch sein soll, nicht als bloße Lustspielfigur
unter Weglassung des bösen Geistes allerdings,
denn die Frauen, die in bunter Reihe durch Ana¬fand Ueberraschend gut traf Herr Armand den
Ton von Anatols Freund Max. Im Spiel und
tols Leben ziehen, sind so wenig wie dieser selbst
Dialog sahen wir ihn noch selten besser. Die
Werkzeuge einer finsteren Macht, sondern bloße
Frauen, die bei Schnitzler=Anatol in jedem Stück
Menschen des alltäglichen Lebens. Die Liebe aber
wechseln, spielten die Damen Kinz, Kühl, Ewald
von der hier die Rede ist, ist Liebe auf Zeit, Zu¬
und Laßmann. Frl. Kühl als Gabriele (Weih¬
neigung auf Abbruch. Frivol und zynisch lauten
nachtseinkäufe und Frau Laßman als Annie
die nackten Inhaltsangaben dieser Spiele, unter
(Abschiedssouper) boten Vorzügliches. Frl. Ewald
der Hand des Dichters aber wurden sie zu feinster
lag die Rolle der Zirkusreiterin nicht besonders
Kammermusik. Da legt sich eine weiche und zart
gut und Frl. Kinz hatte als vorwiegend schlafen¬
Wiener Stimmung über das Ganze, sorgsam ge¬
des Medium im ersten Stück keine große Gelegen¬
drechselte Dialoge und Gespräche zu Dritt bauen
heit, ihr Können zu zeigen. Die umsichtige Leitung
sich in meisterlicher Knappheit auf und lassen die
Schaubühne und Kunst.
Schaubühne und Kunst.
„Auctor. Vier Szenen Schnitzley
„Anatol. Vier Szenen von Schnitzler,
Mittwoch abends wurden in Stadttheater
Mittwoch abends wurden. Stadttheater
vier Einakter aus dem Zyklus „Anatol“ von
vier Einakter aus dem Zyklus „Anatol“ von
Arthur Schnitzler aufgeführt. Dieser Anatol ist
Arthur Schnitzler aufgeführt. Dieser Anatol ist
trotz seiner Liebenswürdigkeit kein sympathischer
trotz seiner Liebenswürdigkeit kein sympathischer
Charakter, jedenfalls paßt er wenig in unsere
Charakter, jedenfalls paßt er wenig in unsere
demokratische Zeit. Er ist der Typus des leicht¬
demokratische Zeit. Er ist der Typus des leicht¬
sinnigen genußsüchtigen Faulenzers, der die
sinnigen genußsüchtigen Faulenzers, der die
weibliche Jugeno als Freiwild betrachtet, nur
weibliche Jugend als Freiwild betrachtet, nur
dazu da, damit dieser Weibernarr seine Lüste
dazu da, damit dieser Weibernarr seine Lüste
befriedigt. Anatol sammelt Liebesabenteuer und
befriedigt. Anatol sammelt Liebesabenteuer und
Liebeserinnerungszeichen wie ein anderer alte
Liebeserinnerungszeichen wie ein anderer alte
Münzen od. Briefmarken sammelt u. — was das
Münzen od. Briefmarken sammelt u. — was das
Schlimmste ist — er prahlt damit. Daß er sich
Schlimmste ist — er prahlt damit. Daß er sich
dabei regelmäßig blamiert, versöhnt, nicht mit
dabei regelmäßig blamiert, versöhnt nicht mit
der schamlosen und gemeinen Kalle die er spielt.
der schamlosen und gemeinen Rolle, die er spielt.
Den Anatole die man leider nicht bloß in der
Den Anatols — die man leider nicht bloß in der
Großstadt findet — wird jeder ehrliche und
Großstadt findet — wird jeder ehrliche und
anständige Mensch einen Fußtritt geben, denn
anständige Mensch einen Füßtritt geben, den
die Armut oder Unerfahrenheit oder Ge¬
Ge¬
die Armut oder Unerfahrenheit oder
meinheit der Weiber auszunützen ist kein sau¬
meinheit der Weiber auszunützen ist kein sau¬
beres Geschäft.
beres Geschäft.
Tir. Hennig spielte allerdings diesen
Her
Herr Dir. Hennig spielte allerdings diesen
Anatol mit einer Meisterschaft und Glaubwür¬
Anatol mit einer Meisterschaft und Glaubwür¬
digkeit, daß man den Besuch der Vorstellung
digkeit, daß man den Besuch der Vorstellung
nicht bereute. Dir. Hennig ist ein vorzüglicher
nicht bereute. Dir. Hennig ist ein vorzüglicher
Bonvivant, ein denkender Künstler, der bei al¬
Bonvivant, ein denkender Künstler, der bei al¬
ler Routine und persönlichen Liebenswürdigkeit
ler Routine und persönlichen Liebenswürdigkeit
auch den Inhalt seiner Rolle erschöpft. Sein
auch den Inhalt seiner Rolle erschöpft. Sein
Anatol war eine Meisterleistung
Anatol war eine Meisterleistung.
Herr Dudel gab sein Gegenstück den Max,
Herr Dudek gab sein Gegenstück den Max,
gleichfalls gut. Die Damenrollen lagen in den
gleichfalls gut. Die Damenrollen lagen in den
Händen der Frl. Nowska, Jusa und Schicketanz.
Händen der Frl. Nowska, Jusa und Schicketanz.
Das Theater war nicht so besucht, wie es diese
Das Theater war nicht so besucht, wie es diese
J. U.
Vorstellung verdient hätte.
J. U.
Vorstellung verdient hätte.