k
4.9. Anton
Dienstag, 2. Februar
Alles lacht
amüsiert sich bei
Rócz Antal
und seinen lustigen Zigeuner-Symphonikern
PAVILLON
Tel. R 21-0-29
I. WALISCHASSE 11
Röbbelings „Anat
Im Akademie=Theater
Mit diesem „Anatol" hat's uns Röbbe¬
ling gründlich gezeigt. Nur immer fix.
Premiere muß sein, auch ohne Anatol.
Das Ergebnis: Raoul Aslans stür¬
mischer Publikumserfolg ist ein Sieg der
Persönlichkeit. Einer geistigen und leise
parodistischen Ueberlegenheit, die mit ihrer
noch so satten und funkelnden Routine
allein freilich nicht auskäme.
Aslan ist kein unbedingter Anatol. Er
trägt die Stirnlocke Oskar Wildes, ein Prä¬
raffaelit, der bei Sacher speist. So schmerz¬
lich und so vielwissend mag Lord Byron
mit seiner Geliebten gezankt und geplaudert
haben. Und Tasso macht beim Abschieds¬
souper einen leicht ennupierten Eindruck.
Das macht, Aslan ist nicht physisch, er
ist künstlerisch zu alt. Sein Anatol ist kein
leichtsinnig träumerisches Erlebnis. Aber
ein wundervoll zartes und trauriges und
dazu ein blitzgescheites Bekenntnis. Zu der
Figur, die schon an den Kahlenberghängen
unserer Jugend hinschwindet, im Duft der
Erinnerung und der Seele dieser Stadt,
wie sie war und nie mehr sein wird: Elegie
im Dreivierteltakt.
Aslan kann nicht anders, er erläutert
den Schwärmer und Genießer Anatol mit
einer bezaubernd nachsichtigen Heiterkeit.
So spricht er auch des 17jährigen Hoff¬
mannsthal silberschimmernde Prolog=Verse.
Mit einem sanften Kennerlächeln auf dem
Wort Rokoko, wie umfächelt von den
wolkengleich schwebenden „langstieligen
Nelken" des Dichters, fernem süßem Mäd¬
chenkichern lauschend, vom Frühabendlicht
umsponnen und von jenen Träumen, wie sie
hier genannt werden: „frühgereift und zart
und traurig,
box 9/4
an
Allgemeine
Zeitung
Nur die Cora Frau Dregers bleibt eine
Und Anatol? Ist er uns entrückt, weil
blässere, wenn auch sehr eifervolle Neben¬
er sachlicheren erotischen Belangen zuliebe
figur und das an sich einfallsreiche Mienen¬
im Kostüm gespielt wurde? Eine Schubert¬
spiel Herrn Eybners als Separeekellner eine
Geige umseufzte diesmal seine Zwischen¬
Nüance zu viel.
akte und ein Rosenstrauß blühte beziehungs¬
Die Regie Hofrat Herterichs wirkt nicht
voll ins Proszenium. Mußte einer aus
nur in den fast boshaft stilechten Damen¬
Hamburg kommen, um uns zu zeigen, daß
kostümen Ladislaus Czettels, dieses Grand¬
diese frühe Dichterwissenschaft des Herzens
seigneurs dekorativer Phantasie, überaus
heute dem Geist gehört und nicht mehr der
bildhaft. Sie hat auch den Dämmerduft
Erotik? Daß die Herzen noch schlagen wie
dieser Gespräche sehr nobel getroffen, den
damals, hold verwirrt, von süßer Lüge,
die tiefste Wahrheit ist, verblendet, im
geheimnisvollen Celloton dieser frühalten
ewigen Ampelschein der Liebesstunden..
und altklugen Melancholie, diese sanfte und
und daß ein Dichter nicht nur ihren Dialog
holde Unschlüssigkeit zwischen Scham und
Spott.
schrieb, sondern auch ihr Schicksal. Eine
„jüngere Aufführung, eine flottere,
Noch ein Wort fürs vielgeschmähte,
frechere, kokett hintergründigere wäre ge¬
angeblich so geniearme Burgtheater:
wiß denkbar. Begnügen wir uns mit dem
Röbbeling konnte nicht wissen, wie Alma
Echo jener Frühlingsstimmen, in denen
Seidler die alte, fast zu oft schon belachte
Schwermut und Tanzschritt war, Herzens¬
Glanzrolle der Annie im „Abschiedssouper
weisheit und Possenspiel dieser Weisheit.
spielen würde. Es war hinreißend, selbst
Huldigen wir diesem berauschenden
dort, wo ein Schwipsglückser oder ein
Theaterspuk, der mit Makart-Farben un¬
Balleteusenbeinschwung die Burgtheater¬
sterbliche Visionen schuf. Der „unseres
würde anzurempeln schien. Es war jener
Fühlens Heut und Gestern spielt, noch
hier geringgeschätzte Markersdorfer, der
immer, immer noch ...
den Champagnerstich hat. Es war ein Fest
drolligster Inspiration und ein Rekord an
Es gehört eigentlich nicht hieber, daß
Echtheit, so überschäumend, daß selbst ein
der auch hier fixe Ordnungsmacher Rebbe¬
Argus des Burgtheatergeistes wie ihr
ling im Zwischenakt die Witwen Schnitzlers
Partner Aslan bestürzt und bewundernd
und Hofmannsthals begrüßte. Aber es
das Haupt zu beugen schien. Ein
sichert ihm einen unverbindlichen Hände¬
Elementarereignis des Humors, für das es
druck.
Ludwig Ullmann,
seltsamerweise kein Repertoire gibt.
4.9. Anton
Dienstag, 2. Februar
Alles lacht
amüsiert sich bei
Rócz Antal
und seinen lustigen Zigeuner-Symphonikern
PAVILLON
Tel. R 21-0-29
I. WALISCHASSE 11
Röbbelings „Anat
Im Akademie=Theater
Mit diesem „Anatol" hat's uns Röbbe¬
ling gründlich gezeigt. Nur immer fix.
Premiere muß sein, auch ohne Anatol.
Das Ergebnis: Raoul Aslans stür¬
mischer Publikumserfolg ist ein Sieg der
Persönlichkeit. Einer geistigen und leise
parodistischen Ueberlegenheit, die mit ihrer
noch so satten und funkelnden Routine
allein freilich nicht auskäme.
Aslan ist kein unbedingter Anatol. Er
trägt die Stirnlocke Oskar Wildes, ein Prä¬
raffaelit, der bei Sacher speist. So schmerz¬
lich und so vielwissend mag Lord Byron
mit seiner Geliebten gezankt und geplaudert
haben. Und Tasso macht beim Abschieds¬
souper einen leicht ennupierten Eindruck.
Das macht, Aslan ist nicht physisch, er
ist künstlerisch zu alt. Sein Anatol ist kein
leichtsinnig träumerisches Erlebnis. Aber
ein wundervoll zartes und trauriges und
dazu ein blitzgescheites Bekenntnis. Zu der
Figur, die schon an den Kahlenberghängen
unserer Jugend hinschwindet, im Duft der
Erinnerung und der Seele dieser Stadt,
wie sie war und nie mehr sein wird: Elegie
im Dreivierteltakt.
Aslan kann nicht anders, er erläutert
den Schwärmer und Genießer Anatol mit
einer bezaubernd nachsichtigen Heiterkeit.
So spricht er auch des 17jährigen Hoff¬
mannsthal silberschimmernde Prolog=Verse.
Mit einem sanften Kennerlächeln auf dem
Wort Rokoko, wie umfächelt von den
wolkengleich schwebenden „langstieligen
Nelken" des Dichters, fernem süßem Mäd¬
chenkichern lauschend, vom Frühabendlicht
umsponnen und von jenen Träumen, wie sie
hier genannt werden: „frühgereift und zart
und traurig,
box 9/4
an
Allgemeine
Zeitung
Nur die Cora Frau Dregers bleibt eine
Und Anatol? Ist er uns entrückt, weil
blässere, wenn auch sehr eifervolle Neben¬
er sachlicheren erotischen Belangen zuliebe
figur und das an sich einfallsreiche Mienen¬
im Kostüm gespielt wurde? Eine Schubert¬
spiel Herrn Eybners als Separeekellner eine
Geige umseufzte diesmal seine Zwischen¬
Nüance zu viel.
akte und ein Rosenstrauß blühte beziehungs¬
Die Regie Hofrat Herterichs wirkt nicht
voll ins Proszenium. Mußte einer aus
nur in den fast boshaft stilechten Damen¬
Hamburg kommen, um uns zu zeigen, daß
kostümen Ladislaus Czettels, dieses Grand¬
diese frühe Dichterwissenschaft des Herzens
seigneurs dekorativer Phantasie, überaus
heute dem Geist gehört und nicht mehr der
bildhaft. Sie hat auch den Dämmerduft
Erotik? Daß die Herzen noch schlagen wie
dieser Gespräche sehr nobel getroffen, den
damals, hold verwirrt, von süßer Lüge,
die tiefste Wahrheit ist, verblendet, im
geheimnisvollen Celloton dieser frühalten
ewigen Ampelschein der Liebesstunden..
und altklugen Melancholie, diese sanfte und
und daß ein Dichter nicht nur ihren Dialog
holde Unschlüssigkeit zwischen Scham und
Spott.
schrieb, sondern auch ihr Schicksal. Eine
„jüngere Aufführung, eine flottere,
Noch ein Wort fürs vielgeschmähte,
frechere, kokett hintergründigere wäre ge¬
angeblich so geniearme Burgtheater:
wiß denkbar. Begnügen wir uns mit dem
Röbbeling konnte nicht wissen, wie Alma
Echo jener Frühlingsstimmen, in denen
Seidler die alte, fast zu oft schon belachte
Schwermut und Tanzschritt war, Herzens¬
Glanzrolle der Annie im „Abschiedssouper
weisheit und Possenspiel dieser Weisheit.
spielen würde. Es war hinreißend, selbst
Huldigen wir diesem berauschenden
dort, wo ein Schwipsglückser oder ein
Theaterspuk, der mit Makart-Farben un¬
Balleteusenbeinschwung die Burgtheater¬
sterbliche Visionen schuf. Der „unseres
würde anzurempeln schien. Es war jener
Fühlens Heut und Gestern spielt, noch
hier geringgeschätzte Markersdorfer, der
immer, immer noch ...
den Champagnerstich hat. Es war ein Fest
drolligster Inspiration und ein Rekord an
Es gehört eigentlich nicht hieber, daß
Echtheit, so überschäumend, daß selbst ein
der auch hier fixe Ordnungsmacher Rebbe¬
Argus des Burgtheatergeistes wie ihr
ling im Zwischenakt die Witwen Schnitzlers
Partner Aslan bestürzt und bewundernd
und Hofmannsthals begrüßte. Aber es
das Haupt zu beugen schien. Ein
sichert ihm einen unverbindlichen Hände¬
Elementarereignis des Humors, für das es
druck.
Ludwig Ullmann,
seltsamerweise kein Repertoire gibt.