Francisco, Stockholm, St. Petersburg, Torenta
Modernste Zeitung
Ausschnitt aueise und Sport
Wien
vom
Jugend, Frieden. Und draussen liefen die grellen Licht¬
Theater zwischen Trümmern.
kegel über den Horizont und Patrouillen schritten mit aus¬
gepflanztem Bajonett durch gestorbene Strassen.
Der Kaiser hat bestimmt, dass die militärischen Be¬
Der nächste Abend galt der Mannschaft. Zu diesem
hörden der grösseren Etappenstationen Veranstaltungen zu¬
Zweck wurde Buchbinders alter Soldatenschwank „Die
sten der Witwen- und Waisenfürsorge treffen sollen.
dritte Eskadron hervorgeholt. Drei Künstler, die vor fast
Die Sammlung des Militärgouvernements in Belgrad dürfte
zwanzig Jahren bei der Erstaufführung im Raimundtheater
wohl den grössten Gewinn erzielt haben, und die Art der
diesem Stück zum Erfolg halfen, waren mit nach Belgrad
Veranstaltung hat den innigsten Dank der spendenden
gekommen, um ihre Rollen wieder zu spielen: Willi
Offiziere und Mannschaften wachgerufen. Der Gouverneur
Thaller, Leopold Strassmeyer und Mizzi Ana¬
hatte nämlich den glücklichen Einfall, die Sammeltage mit
tour. Aber niemals übten die Künstler mit dieser seichten
einem künstlerischen Ereignis zu verbinden und liess an
Kasernenhofblüte eine so zündende Wirkung aus, wie an
Wiener Bühnenkünstler die Einladung ergehen, auf den
diesem Abend. Jedes Wort, jede Geste fiel auf gesunde
Trümmern der serbischen Hauptstadt eine Wiener Theater¬
Empfänglichkeit, die mit jubelnder Heiterkeit ihren Dank
woche zu veranstalten. Wiener Literatur, Wiener Humor und
abstattete. Aber auch an der künstlerischen Mitarbeit
Empfinden auf serbischem Boden, einige Schritte weit von
musste sich die Mannschaft beteiligen.
dem Versammlungslokal der Ochrana,
Für die Kasernenhofszene wurden
einige Minuten vom Konak entfernt,
einige Soldaten einfach auf die Bühne
wahrlich ein historisches Denkmal!
kommandiert. Mit heiligem Ernst und
Herzlicher Willkomm wurde den
ganz besonderer Strammheit exerzier¬
Wiener Gästen. Heiteres Sommer¬
ten die Leute auf diesem ungewohnten
wetter und eine reich besetzte Tafel,
Gelände zur Freude ihrer Kameraden.
die nichts von irgendwelchen Ein¬
Diese Aufführung wurde am
schränkungen wusste, grüssten die
nächsten Abend für Offiziere wieder¬
Künstler als lang entbehrte Freunde.
holt. Zu dieser Vorstellung hatte auch
Es blieb ihnen keine Zeit, sich von
die Zivilbevölkerung Zutritt. Am vier¬
der anderthalbtägigen Reise auszu¬
ten Abend verabschiedeten sich die
ruhen. Nachdem die Quartiere ange¬
Künstler mit einem bunten Einakter¬
wiesen waren, musste mit den tech¬
und Vortragsprogramm.
nischen und künstlerischen Vorberei¬
Am nächsten Morgen zeigten
tungen für das Gastspiel begonne.
die Gastgeber den Gästen ihre giganti¬
werden. Das serbische Nationaltheater
sche Arbeit und ihr sonderbares Werk
ist zerschossen und ganz unbrauchbar
und führten sie auf den Kalimegdan,
geworden. Ein ehemaliges Variété
von wo aus der Angriff und der Sturm
wurde aber in leidlich gutem Zu¬
auf Belgrad deutlich erklärt werden
stande vorgefunden. Die Schäden eini¬
kann. Die Schiffsbrücke, die noch
Anton Tiller (Volksbühne).
ger Granaten waren provisorisch re¬
immer in Gebrauch ist, kann dort in
pariert. Der elegante Zuschauerraum
ihrer ungeheuren Ausdehnung ganz gesehen werden. Dann
fasst mehr als tausend Personen. Die im Verhältnis viel
wurden die zerstörten Festungswerke besichtigt. Nachher
zu kleine Bühne entsprach weniger den gestellten Anfor¬
wurde eine Spazierfahrt nach Toptschider, der Sommer¬
derungen. Auch die Schauspielergarderoben liessen viel zu
residenz König Peters unternommen und der Konak
wünschen übrig. In einer kleinen, notdürftig erhaltenen
besucht. Das scheinbar unverletzte Gebäude birgt eine
Kammer mussten sich acht Herren schminken und um¬
trostlose Trümmerstätte, die aber die geschmacklose,
kleiden. Die Dekorationen wurden aus den noch ziemlich
billige Franzhaftigkeit des Schlosses deutlich erkennen
unversehrten Beständen des Nationaltheaters requiriert, die
lässt. Man besah zum Schlusse noch den begonnenen
Requisiten von allen Seiten mühsam zusammengetragen.
Kolossalbau des Parlaments, ein deutliches Kennzeichen
Einige Möbelstücke stammten sogar aus dem Konak
des serbischen Grössenwahnes, und die schmählichen
Alle Unbequemlichkeiten konnten aber den Künstlern
Grabstätten des Königs Alexander und der Königin Draga,
die Laune nicht verderben. Als erste Vorstellung gingen
die jetzt auf Wunsch weiland Kaiser Franz Josefs instand
unter Leitung des kgl. Hofschauspielers Anton Tille
gesetzt werden.
(derzeit Mitglied der Wiener Volksbühne) Einakter von Arthur
Mit reichen Eindrücken nahmen die Künstler herz¬
Schnitzler in Szene. Das Auditorium bestand diesmal bloss
lichen Abschied. Vor der Abfahrt drängte sich ein serbi¬
aus Offizieren. Die weiche Anmut innigen Wiener Empfin¬
sches Weib an sie heran und stammelte mit ihren wenigen
dens dürfte selten so feines Verständnis gefunden haben,
deutschen Brocken Dank. Sie war an einem Abend im
wie diesmal. Die Episoden, die auf der Bühne vorüber¬
Theater und durfte nach dreijährigem Leid zum ersten
huschten, haben sich im Zuschauerraum vertausendfacht.
Renato Mordo.
Male lachen.
Träume und Erinnerungen lebten. Das Haus atmete Wien,