II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 653

4.9. Anatol
Wyklus
box 9/5
den Eigenschaften des Dichters noch gereifte Kraft,
nen Studie „Der Hinterbliebene nennt
aber nie als unbedeutend empfindet. Nie weitet der To
so könnte er nicht nur der deutschen Novelle ein
Salten, der in der nächsten Saison uns bekanntlich
sich ihr Blick in's Allgemeine; nur zeitlose Artisten¬
Krösus
schöner Gewinn, sondern auch der ersehnte Gründer
ein „Jung=Wiener Theater zum lieben Augustin
kunst blüht aus dem Wiener Boden. Das ist zweifel¬
k. N.
einer deutschen Komödie werden.
bescheeren will, ist einer der wenigen Theaterkritiker los vornehmer als die unendlich wackeren Tendenz des In
Weit weniger angenehm wirkt die Skizzensamm¬
Gouver=
Wiens, die literarisch fühlen und Geschmack haben. haschereien der Dreyer und Ernst, bei denen sich
Borisso¬
lung von Felix Dörmann „Warum der
Auch sein Buch zeigt Geschmack, die Geschichten sind Niemand selbst klar werden kann, ob sein Beifall
Ausstell
schöne Fritz verstimmt war“. Sie ist
geschickt, oft recht wirksam erzählt; aber es fehlt
den künstlerischen Qualitäten des Werkes oder den anstaltet
ohne glatte Fertigkeit geschrieben; die Sujets sind
völlig das, was einer künstlerischen Hervorbringt darin benutzten Ideen gilt. Hat man die Wiener
Minister
einem Gebiete entnommen, das der vorsichtige
ung allein Reiz und Werth gibt: die Persönlichkeit.
nur als Feuilleton=Künstler gelten lassen, so könnte
der 50
deutsche Erzähler sonst ängstlich als versuchtes
Wir finden gute Nachahmungen Turgenjews und
man manche Berliner dann auch Leitartikel=Künst¬
doch der
Land meldet; die Menschen sind brutal und sinnlich,
vor Allem Maupassants; es werden sozusagen von
schenke
ler nennen. Mir scheint das schlimmer... Aber
von wilden Begierden gepeitscht. Auch die künst¬ literarischen Herrschaften abgelegte Kleider ver¬
Der Mi¬
für Wien besteht die Gefahr, daß es aus der großen
lerische Gleichwerthigkeit fehlt; mehr als die Hälfte
küßte un
kauft. Saltens Kopien sind sehr fleißig durchge¬
Bewegung der Geister ausgeschaltet wird, die sich
Reise G
der Skizzen ist absolut werthlos. Aber in den
führt, aber schon Lichtenberg mahnt uns: „Man
in den Werken der drei Gewaltigen: Ibsen, Zola,
verwehr
anderen steckt eine rücksichtslose, unbekümmerte
sollte doch endlich unterscheiden lernen zwischen
Tolstoi so mächtig verkörpern. Oesterreich ist nicht
Kaufma
Naturwüchsigkeit, die dem viel kultivirteren und
Dem, was ein Mann selbst gemacht hat, und Dem, nur politisch und finanziell eine Insel im modernen
Paar
feineren Auernheimer fehlt, eine gewaltthätige Ent¬
was einer abschreibt." Natürlich schreibt Herr
Europa, sondern auch geistig. Zu tief steckt in un¬
General
schlossenheit, die Feindseligkeiten des Lebens mit
Salten nicht ab; das dürfte überhaupt nicht so
seren Dichtern eine rein spielerische Freude am
F. D
eigener Hand aus dem Wege zu räumen, anstatt sie
leicht sein, wie man glaubt; aber er empfindet nichts
Blattes
Worte, an Gefühlen und Gefühlchen. Wie in Ve¬
zu beklagen oder zu bespötteln. Ließen sich die
übermit¬
mit eigener Seele, sondern dichtet nach berühmten
nedig die laguna morte ein zwar höchst prächtig
Ausstell
aristokratisch-poetische Eleganz Auernheimers und Mustern. Similibrillanten haben einen Zweck
schimmerndes, aber faulendes und todtes Gewässer
anbietet.
die ganz unwienerisch harte Energie Dörmanns
denn sie sind billiger als echte. Aber Maupassants
ist, in das aus dem freien Meere kaum eine ver¬
kurioses
vereinigen, so hätte Deutschland gegenwärtig einen
Skizzen kosten doch auch nicht mehr als Saltens
lorene Welle dringt, so ist auch Wien durch unsicht¬
stellung
Erzähler europäischen Ranges. Aber es scheint,
Buch. Es ist also zwecklos ... Immerhin hat es aber
bare Dämme getrennt von dem unendlichen Ozean von Bre¬
daß sich ihre Vorzüge ausschließen. Denn Dör¬
formelle Vorzüge, die den Sammlungen „Die
des modernen Lebens.
ich schon
manns Buch zeigt uns einen genußsüchtigen
Treue von Stefan Großmann und
Wien, Anfang Juli.
erlangte
Plebejer, in dem ein Funken vom Geiste Verlaines
„Wiener Bummelgeschichten“ von
bezeugen
Ludwig Bauer.
glüht. In den Humoren des Sexualismus wird
camera
Max Messer abgehen. Die Skizzen Gro߬
Referenz
ihn nicht bald ein moderner deutscher Schriftsteller
manns gefallen sich in einem kalten, widerwärtigen
Buntes Feuilleton.
mir die C
erreichen. Freilich wird es auch nur wenige Vor¬
Skeptizismus, dem Gemüth und Beobachtung feh¬
W. Ein seltsames Geschenk. Unter den un¬ ich mich
urtheilslose geben, die den Schriftsteller von seinen
len; sie sind ohne Handlung, ohne Pointen, die Per¬
zähligen Geschenken, die der Papst zu seinem Jubi¬
Gestalten trennen können und Sätze, wie „Aufge¬
sonen huschen wie graue langweilige Schatten durch
läum erhalten hat, waren gewiß viele Merkwürdig vollen
weckt muß man worden, nach einer köstlich durch¬
die höchst tristen Novellen. Weniger anspruchsvoll,
keiten; die eigenthümlichste Gabe aber traf dieser Platz ist
schlafenen Nacht aufgeweckt von der liebenden Frau
aber nicht weniger schlecht sind Messers „Bummel¬
Tage zum größten Erstaunen Aller im Vatikan ein versteht
eines Anderen — das ist Sonntagsglück“ nicht als
geschichten“, die uns von einigen verfehlten oder er¬
..... es ist eine Mumie mit der Adresse des Kirchen Hagem
ungehörigen Cynismus empfinden. Diese
folgreichen Rendezvous Anatols — er heißt bei ihm
fürsten. Der Chedive von Egypten ist der Ab¬ mit 5 Pf.
Wenigen verstehen eben, daß in Anschauung der
Edi Hoffinger — erzählen. Gewissenhaft berichtet
sender und will dem Papste dadurch ein Zeichen seiner richter a
mobild
Menschen, deren Beruf oder doch einziges Interesse
uns der Autor immer die Gassen, in denen sich die
respektvollen Sympathie geben. In Gegenwart
hatte, wä-
die Liebe ist, in solchen Worten auf's richtigste aus¬
höchst gleichgiltigen Geschehnisse abspielen; seine
Leo XIII. wurde die Mumie ausgepackt und sodann herschwa¬
gedrückt ist. Aber es ist bedauerlich, daß Dörman
Art zu erzählen hat er bei Bädecker gelernt... Man
in's egyptische Museum des Vatikans transportirt, gleichzeit
sein lebhaftes Temperament nicht auch an lieb¬
möchte beinahe glauben, daß Messer ein Schelm ist,
Folgende Erläuterungen lagen der chedivischen
Im Falle
lichere Menschenblüthen wendet; diese Gestalten, so
der — scheinbar ernst — die Wiener Moderne paro¬
Sendung bei: „Diese Mumie ist eine junge Egyp=Georg, f.
echt sie in einer Großstadt auch sind, muthen doch
diren will. Aber man thäte ihm Unrecht; seine
tierin, die sieben oder acht Jahrhunderte vor Christus
m. Ne
immer wie groteske Verzerrungen an.
Komit ist unbeabsichtigt.
gelebt hat. Sie ist sehr gut erhalten und in Purpur= veröffent
Es ist eine weite Kluft, welche die beiden eben er¬
Das Gemeinsame der „Jung=Wiener ist bald zu
von Bri
binden gewickelt. Das Gesicht ist von einer Lage
wähnten Schriftsteller von jenen Anderen trennt,
Regierun
finden. Fast Alle — Begabte wie Unbegabte¬
Gold bedeckt, während die Augen unter dem Email
Gymnasi
die ebenfalls Wiener Geschichten verfertigen. Da
haben eine gewisse weiche Grazie, eine anmuthige zu leuchten scheinen. Hieroglyphen und gemalte ischen Se
ist Felix Salten zu nennen, der seine Novellen¬
Naivetät, die sich über die kleinen Schmerzen lustig
Symbole verzieren den Sarg, der diese antiken Ueber
Daß die
sammlung nach einer in Turgenjews Stil gehalte¬
macht, sich über sie entrüstet oder sie beseufzt, sie reste birgt. Es scheint die Mumie Kenemats zu sein, behren,