III, Einakter 8, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 77

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8. Die letztenieken
Greslauer Morgen Zeitung
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Theater.
Lobethéater. Mittwoch, 15. Mai. „Die letzten Masken“
Mokatur“. „Abschiedssouper“ von Aatur=Schpinler.
Wiener Dichter, dessen fünfzigsten Geburtstag es A
Krigen Einakterabend zu feiern galt, ist längst ein deutscher
cier geworden. Sein „Liebelei“ und sein „Anatol“ wirken heute
und lebendig wie am ersten Tag, und selbst in seinem
u#
n. schwächeren Werke, dem morschen Dekadentenstück „Das
# Land, steckt immer noch mehr lebenskluger Witz als in zehn
anoe Schauspielen von heute zusammen. Zwar hat auch er der
Zeit kseinen Tribut zahlen müssen, und der einst einer Einakter¬
sammlung den tiefen Merkspruch „Wir spielen alle; wer es weiß,
ist
g“, mit auf den Weg gab, hat heute als höchsten Treffer nur
Inoch die Talmiweisheit zu versenden, daß die Seele ein weites Land
Aber trotzdem ist das eine sicher: von den fünfundzwanzig
Bänden, die bis jetzt Schnitzlers stattliches Lebenswerk darstellen,
wird mehr als einer unsere Zeit überdauern, und nach uns ebenso
[lebendig wirken wie heute.
Den ersten Satz der dramatischen Symphonie bildete die wirk¬
same, aber ein wenig konstruierte Tragik der „letzten Masken“.]
In dem gut abgestimmten Ensemble vereinigten sich der eindrucks¬
volle Nademacher des Herrn Schmidt, der diskrete Arzt des Herrn
Jltz und der hohle, litterarische Schaumschläger des Herrn Marx
zu einem untadeligen Terzett. Wie ein geniales Scherzo wirkte
die köstliche Satire „Litteratur“
Mit kaltblütiger Routine
meisterte Herr Strobl seine anfängliche Textunsicherheit, dann
aber besann er sich mehr und mehr auf seine Nolle und entwickelte!
eine Natürlichkeit, die uns das Scheiden dieses begabten Schau¬
spielers aufrichtig bedauern läßt. Herr Iltz spielte den Litteratur=
Zigeuner Gilbert, der fortwährend mit seinem neuesten Romansi
kokettiert. Herr Iltz hatte sich zu diesem Zweck „Alraune", das
neueste Buch von Hanns Heinz Evers, mitgebracht, und hätte konse¬
quenterweise dann mindestens diesen Autor kopieren müssen. Das'!
rstat er aber nicht und hat es vermutlich auch gar nicht tun wollen.
[Auf jeden Fall beging er eine Unvorsichtigkeit, deren Schuld erse
und der Regisseur zu gleichen Teilen zu tragen haben. Davon ab¬
gesehen aber gab er wieder eine Probe seines achtbaren Könnens,

wenn er hier auch mit erheblich stärkeren Mitteln arbeitete, als im.
ersten Akt. Der Margarete lieh Fräulein Kernic ihre blonde
(Schönheit. Dem Scherzo folgte ein schwungvolles Finale in dem
„Abschiedssouper“, das Fräulein Jaucks offizielle, künst###
lerische Henkersmahlzeit auf unserer Bühne bedeutete. Noch einmal
zeichnete die Scheidende mit virtuoser Leichtigkeit diesen sprunghaften
Charakter, in dem biedere Ehrlichkeit und entzückend naive Frivolis
tät so nabe beieinander wohnen. Die Herren Strobl, Skode
und der bewegliche Herr Mendel assistierten ihr wacker. Das
svolle Haus jubelte seinem scheidenden Liebling, dem es Lorbeer und
Blumen in reichster Fülle mitgab. minntenlang zu. und schlug mit
seiner hartnäckigen Begeisterung sogar in den eisernen Vorhangfal
eine Bresche.


Icneliches
Ausschnitt, aus:
Ib.MALIR!: Aeslauer Zeitung
vom:
Breslauer Theater.
Fr Lobe=Theater. Schnihler=Abend“. Das Breslauer
Thater hat viel Veranlasung, Schnitzter dankbar zi Nicht immer
fand diese Dankbarkeit den richtigen Ausdruck; ja seinen „Schleier der
Reatrice“, sein reisstes, tiefstes Werk, hat man ihm seinerzeit bei der Bres¬
Jauer Uraufführung arg in Fetzen gerissen. Und auch für seine echt
Wiener dramatischen Plandereien hat man trotz des Reichtums an Wiener
Künstlern gar oft nicht den rechten Ton gefunden. Aber bei dem gestrigen
Albend anläßlich seines fünfzigsten Geburtstages hat man vor leidlich gut I
besetztem Hause — an sich hätte man die Breslauer Schnitzler=Gemeinde
größer einschätzen sollen — drei seiner oft bei uns gespielten Einakter in
schlechthin ausgezeichneter Darstellung unter der Regie des Herrn Bonnos
als würdige Festgabe gespielt. In den „Letzten Masken“ ist zuletzt in
Breslau Moissi (im Sommer=Theater) aufgetreten. Nun, Herr
[Schmidt ist dem innersten Wesen des unglücklichen Journalisten Rade¬
macher, der in der Sterbestunde den tiefsten Sinn und Wert des Lebens er¬
faßt, vielleicht näher gekommen als der berühmte Gast. Auch Herr n
Strobl als Schauspieler spielte mit höchster Natürlichkeit. Die Herrenjö
Marx und Iltz vervollständigten das Ensemble. — In dem folgenden 13
Lustspiel „Literatur“ traf Herr Strobl ganz ausgezeichnet den Ton des
aristokratischen Wiener Sportsman, und auch Frl. Kernic war sehr!
drollig in der Art, wie sie sich selbst und den andern vorschauspielerte. 2
Herr Iltz karikie#te den Vertreter der Caféhausliteraten vielleicht ein
wenig stark, erzielle aber damit starken und schließlich doch auch verdienten
Heiterkeitserfolg. Den Schluß des Abends bildete eine Doppelfeier. Das
„Abschiedssouper“ galt nicht nur dem Dichter Schnitzler, sondern auch Frl.
Rella Jauck, die uns verlassen ll. Sie hatte in der Rolle der Annie, die
sie ja des öfteren bei uns gespielt hat, noch einmal Gelegenheit, ihr starkes
Temperament und wenigstens ein kleines Gebiet ihrer Kunst, die so frisch
zuzugreifen und aus dem Vollen zu schöpfen weiß, zu zeigen, wenn auch
zu wünschen gewesen wäre, daß sie ihre Kunst noch einmal an einer
größeren Aufgabe hätte messen können (denn auch bei ihrem heutigen,
definitiv allerletzten Auftreten im „Barbier von Berriac“ hat sie ja nur ein
winziges Röllchen). Aber der Beifall, der sich am Schlusse in enthustasti¬
scher Weise äußerte, galt nicht nur der gestrigen Leistung, sondern allen den
künstlerischen Gaben, die sie uns in einer Reihe von Jahren in reichsten
Muße geboten. Daß es auch an Lorbeer und Blumen nicht fehlte, #ebärf
kaum der Erwähnung.
P. Att. Schauspielhaus. Mittwoch, 15. Mai: „Der Vogel=