Brahm an Arthur Schnitzler, 27. 6. 1909

Nauheim, 27. Juni 09

Lieber Freund,

ich hoffe, daß unser Heini sich jetzt wieder besser befindet und daß Sie keine arge Unruhe und Störung mit Ihren Absichten erleiden. – Von Heini zu seinem Freund Medardus ist der Weg nicht so lang, wie vom Anfang dieser Dichtung bis zm Schluß. Ich bin ihn aber gern gegangen, stets festgehalten von einer feinen und starken Hand. Selten nur spürt man den Zwang des Chronikalischen, der den Dichter hemmt in freierer Entfaltung (z. B. in der langgestreckten Atlantengeschichte), und oft bewundert man den Künstler, der formt und baut und widerstrebende Massen mit seinem resoluten Poetenkamme in Ordnung hält. Der Tod der beiden jungen Leute am Anfang und in anderer Weise die Szene, wo der General ins Haus des Herzogs kommt, erscheinen mir als Höhepunkte Ihres Schaffens, und insbesondere etwas von der Art des letzteren wird selten in Deutschland geschrieben. Kann ich das Buch noch eine Weile hierbehalten, um es wieder einmal vorzunehmen?
Es freut mich für Sie, daß die Direktoren sich so in Ihrem Vorzimmer drängen. Den Ruf zu reaktivieren, würde mich freuen, und es wäre wohl auch im Bereich einer ferneren Möglichkeit, zumal, wenn die Wiener Aufführung die Prager Meldungen bestätigen wird; wollen Sie dennoch jetzt darüber fürs Schillertheater verfügen, so möcht ich Ihnen nicht in den Arm fallen. Es ließe sich auch denken, daß eine günstige Aufnahme vor dem unbefangenen Publikum da draußen für uns den Weg ebnete: nach Schillern Lessing. Was Mizzi betrifft, so mach ich Ihnen den Vorschlag, sie mit Bahrs Konzert zusammen zu geben, als welches ich angenommen habe. Es erschien mir in Wien, als ich es zuerst las (und ich deutete Ihnen das durch sinistres Schweigen an, glaube ich), zu langgezogen und den Abend nicht »füllend«. Nun bin ich aber auf die geniale Idee gekommen, es zu einem »Streich-Konzert« zu machen, in drei knappen Akten, und da wird es gut, fein und lustig wirken. Bahr hat zugestimmt und würde auch Mizzi mit großem Vergnügen sich verbunden sehen: nicht nur die Not schafft seltsame Schlafgesellen, hören Se, sehen Se, sondern auch die Sympathie. Und wenn Sie also einverstanden sind, so kann das Heil seinen Lauf nehmen, so um die Jahreswende, denke ich.
Ich freue mich schon sehr darauf, bald das Stück vom Völser Weiher zu bekommen und so den Sommer, wenn leider nicht mit Ihnen, so doch mit Ihren Kindern mir angenehm zu bevölkern. Inzwischen mit allen Grüßen der Freundschaft für Sie drei bis vier.
Ihr
O. B.
Danke schön für den anschaulichen Bericht über den Toten-Abend, der mich meinen Exodus fast bereuen läßt.