Arthur an Olga Schnitzler, 3. 1. 1923

Frau Olga Schnitzler

Wien, 3. 1. 1922

liebe, am Sylvesterabend war ich mit Lili beim Meister; Heini spielte den Balsam, in sehr guter Haltung, aber er war diesmal (was nicht nur ich fand) viel zu leise – diese Art Rollen sind gewiß nichts für ihn – und vor allem kann ein 20jähriger alles eher spielen als einen 28jährigen. Im »Schweiger« soll er, u zw. auf Werfels Wunsch, einen jüdischen Journalisten spielen; – den dritten Juden innerhalb weniger Wochen; er wird (womit ich sehr einverstanden bin) Dir. Beer ersuchen, ihm die Rolle abzunehmen. – Nach der Vorstellung nachtmahlten wir zu Hause, verfügten uns dann zu Saltens. Punsch, Faschingskrapfen, die Cottageleute, etwa 40 Personen; sprach mit Schönherr, Treßler und andern – sah Lili tanzen zu – um ½ 2 fort, – die Kinder blieben bis sieben Uhr früh. Der Neujahrstag war vernebelt und verregnet, eine Stunde im freien war übergenug; – Nachmittag spielte ich mit Heini der Lili die Dvorak Symphonie »Aus der neuen Welt« vor; dann zerstreuten sich die Kinder in alle, oder wenigstens zwei Winde, und ich verbrachte den Rest des Tags mit Arbeit und Bilanzirungen. – Von der »Volksausgabe« des Casanova hat mir Seltzer schon im Sommer geschrieben – vor einigen Tagen erhielt ich die Freiex. der zweiten Auflage (theuern) zu zahlen entschließt er sich nicht – trotz meiner Briefe – hingegen telegrafirt er frech, warum ich »den Weg ins freie« für Amerika jemandem andern überlassen – als wenn er ein Recht darauf hätte – dabei hab ich ja niemanden andern autorisirt – wahrscheinlich hats wer gestohlen.– Ebensolche finanzielle Aergerlichkeiten mit Fischer, Harz, Barnowsky (er schickt mir die Liebelei Tantiemen nicht –) – du hörst von diesen Dingen nicht gern – und ich erlebe sie nicht gern; – aber glaube mir, es ist mehr als widerlich, daß man nur um zu seinem guten Recht – oder zu einem Theil desselben zu kommen, aufpassen und Briefe schreiben ×××× und einen Theil seiner Zeit, seiner Nerven, seiner Geistesintensität auf dergleichen inferiore Angelegenheiten verschwenden muss.– Erfreulich war mir dagegen das Eintreffen dreier Bände meiner Werke in japanischer Sprache (wenn der materielle »Ertrag« nach dem heutigen Curs auch – fünf Dollars nicht überstieg!) –
Wie lange du in Wien bleiben willst, hängt ganz von dir ab – Alma dürfte ja bis Ende März hier sein; sie fährt im Jänner (vor Mitte glaube ich) nur auf einige Tage nach Venedig – und wird wohl um den 20. wieder hier sein; am Freitag geh ich zu ihr, und hoffe all das so genau zu erfahren, als man derlei concrete Dinge von ihr überhaupt erfahren kann; sie hat dir vielleicht indess schon selbst geschrieben. Wo hält sich Frau v. Korff auf, die du auf der Herreise besuchen willst? Deine Baden Badner Zimmer behältst du natürlich während deiner Abwesenheit? Über das »Hexenhäusl« erzählst du mir wohl noch näheres. Ist es möblirt? –
– Seit gestern haben wir ein trügerisches Frühlingswetter – nie glaub ich hab ich mich so nach Sonne gesehnt wie in diesem Jahr. Sie scheint mir auf dieses Blatt, während ich dir schreibe – aber es ist noch nicht die, die ich meine. Gleich nachdem ich Alma gesprochen, schreib ich dir wieder.
Sei von Herzen gegrüßt!
Arth