Vorgestern also, wie Du weisst, Einsamkeit und Melancholie und Kopfweh. Vom Nachtmal
weg holten mit
Paumgartner,
Grosz und ein D
r Unger,– Sänger, ein etwas steifer Mensch,– in das dunkle
Mozarteum, wo
G. u.
P. sehr lustig auf 2 Klavieren spielten. Das machen sie nämlich entzückend, man sieht,
sie sind musikalisch Verwandte. Sie greifen mit einer affenartigen Behendigkeit –
ener des Andern Anregungen auf, und im Nu entstehen die schönsten Dinge.
Paumgartner ist wirklich einer der erfreulichsten Menschen, heiter, unbeschwert, Behaglichkeit
um sich verbreitend und verspielt wie ein Kind und ein echter Künstler,– und voll
Talent. Um 10 zu Bett,– gestern spät erwacht, gut und weniger beschwert. weiss angezogen,
im
Mirabellgarten mit Frl.
Iphigenie Zotos, einer jungen
Griechin und
Bianchi-Schülerin fachsimpelnd spazieren, auf
Grosz wartend, der im Musikzimmer jeden Morgen an seiner Partitur arbeitet. In’s
Mozarteum,– (die
Lehmann-Weiber heulten entsetzlich durchs Haus,) den
Paumgartner fragen, wo wir üben könnten. Er lud uns erst, lieb und reizend, in sein Beiratbureau
ein, wo ein gutes Klavier steht,– das hab ich aber nicht angenommen, sein
Secretär, der Dich nochmals um ein Autogramm bitten lässt, sperrte ein Schulzimmer für mich
auf. Trotz physischer Schwere
gut gesungen,
Brahms. Zurück zum Essen in glücklicher, befreiter Stimmung,
Harta sammt
Frau, die wieder gesund ist. Sehr lieb und nett,– die Arme muss Basedow haben, sie assen,
auch
Grosz, an meinem Tisch, gleich nachher
Paumgartner, und während ich mit Frau
H. plaudere (sie fühlt sich hier sehr wol, möchte nie wieder nach
Wien zurück, das Leben ist leichter und um die Hälfte billiger,– auch ihre Mutter, eine
sehr reiche Frau (Möbelhändler
Hermann) bleibt diesen Winter hier etc.) sassen die 3 Herren nebenan in den Clubfauteuils,
und in 20 Minuten wurde beim schwarzen Cafée das »Collegium musicum« gegründet, das
dem »
Wassermann« angegliedert wird, »zur Pflege Untonischer und neuester Musik aller Nationen«,–
flugs verfasste
P. eine Programm-Notiz für die hiesigen und
Wiener Zeitungen,– auch an die
Hofrätin muss ich eine für die
Allgem. Z. schicken, – mit Ankündigung des 1. Concerts »unter Mitwirkung etc. etc.« Ich hab
mich köstlich amüsiert, wie die Drei dasassen und sich freuten – »es werde wie eine Bombe wirken.«
Zweig kam mich besuchen, seine
Frau hatte mich Tage vorher verfehlt, sie sei auf drei Tage nach
Gross-Gmain, ob ich mit ihn nachtmalen wolle. Er gründete gleich mit, fragte charakteristischer
Weise ob auch genug Christen dabei seien,– das lustige Gesicht vom
Berndl hättest Du sehen müssen! – Der
Zweig hat 2 Angstneurosen: die mit der Steuerbehörde und die mit dem Antisemitismus, –
er versprach mir übrigens sofort, die Liedertexte für die Programme zu übersetzen.
Besprechung für den Abend,– auf mein Zimmer. Um ½ 4 zu
Harta, der mich bis 6 mit einer Verve und in einem Tempo gemalt hat,– na, ich sage nichts
weiter, als bis das
Bild fertig ist. Ich hätte magische Augen, die Augen, welche
Kokoschka der
Alma immer male, ohne dass sie sie hat. Nur
Kokoschka oder er könnten mich malen, findet er. Ähnlichkeiten mit der
Alma, mit
Palma Vecchio! er möchte mich mit einem Dolch in der Hand malen,– was sagst Du! Ich war erheitert
und erstaunt und erzälte ihm die Geschichte der
Frau mit dem Dolch, die er nicht kannte. Gutes Gespräch, über
Tolstoi,
Buddha, dessen
Reden ich lesen müsse (Übersetzung von
Neumann) über seine Reisen in
Frankreich und
Spanien. Ich, ich vergass: beim Kommen lernt ich seine 5jährige Tochter
Eva kennen, der ich Chocolade brachte. Herziges Mädel. Ich sprach von der
meinigen, von ihren schönen Augen. Kein Mensch will mir Glauben, dass ich einen 17 jähr.
Sohn habe. Während der Sitzung bekam ich leichte Schmerzen, um 6 mit
Harta zu Fuss nach
Morzg, das ist ein schönes Restaurant vor
Hellbrunn, herrlicher Weg, in der wunderbarsten Abendbeleuchtung auf dem weiten Horizont. (Graf,
aber es machte mir nichts.)
In
Morzg Frau
Harta,
Zweig,
Grosz, an einem nahen Tisch die
Lehmann mit ihren Weibern, sie sah herrlich schön aus, und guckte mich aufmerksam und lieb
an, die alte
Amerikanerin begrüsste mich fast zärtlich. Köstlich genachtmalt, als Gast von
Zweig, gut getratscht, mit der Bahn zurück,– hier in der Halle
Berndl und Frl.
Zotos, mit ihnen und
Zweig, köstliche Birnen essend, in’s
Mozarteum, wieder Concert auf 2 Clavieren, noch viel schöner wie am 1. Abend,– jammerschade,
dass man so manches nicht festhalten konnte. Wieder um 10 herauf, die andern blieben
noch beisammen, – ich hatte aber genug geleister.
Denke nur,
Zweig hat gestern
flüchtig Beer-Hofmanns mit
Rheinhardt hier getroffen, sie waren auf einen Tag hier, wie schade, dass ich ihnen nicht begegnet
bin,
Else Heims sah ich gestern in der Bahn beim Heimfahren, sie war schön in einem Dirndl-Costüm
mit ihren 2 schönen
Buben, der
kleine sehr müde, und sie sehr zärtlich mit ihm.
Lene Thimig war mit
R. bis vor kurzem hier, erzält man mir, und fuhr weg, als
Heims kam.
R. hab ich noch nicht gesehen.
Von
Lili Feiks ein Telegramm, sie kommt heut auf der Durchreise in’s
Bristol, vom
Bácsi ein Brief, ich solle doch in die
Aschau kommen,– und ob ich keinen »erstklassigen« Correpetitor für seine
deutsche Concert-Tournée wüsste, – das geht auf
Grosz, dem ich zurede, mit
Steiner zu fahren, falls er ihn gut bezalt.
Paumgartner sagt monatlich 3000 Mark und die Reise,– sond sei componieren gescheiter.
Ja, jetzt hab ich Dir aber
alles erzält. Mir machen die Menschen hier Freude, sie sind so viel unbeschwerter und unverbrauchter
und absolut viel lebenslustiger als wir in der grossen öden Stadt, wo man vom blossen
Sorgen um das Alltägliche so aufgerieben wird. Sie sagen auch alle, dass sie hier
um so viel gesammelter arbeiten können. Die
Mildenburg sah ich gestern von der
Bahn kommen, sie und der
Bahr, von dem mir
Harta gestern sprach, fehlen mir noch in diesem Bild.