10. Januar. Der 
Nobelpreis für 
Thomas Mann ehrt 
Deutschland und wir 
Oesterreicher freuen uns dieser Ehrung neidlos mit, aber insgeheim fragt sich unsereiner gelegentlich
                        doch, ob denn in 
Schweden niemand bemerkt, daß es noch immer, wenn auch bloß in aller Stille, sozusagen verschämt,
                        
Oesterreicher gibt. Da 
Hofmannsthal uns 
vor der Zeit erlosch, wäre für den 
Nobelpreis jetzt 
Artur Schnitzler an der Reihe. Ihm selber kam sicherlich der Gedanke daran noch gar nicht, für sich zu werben oder
                        auch nur sich zu 
melden ist ganz 
unösterreichisch, wir verzichten eher auf unser gutes Recht, um nur ja nicht eitel zu scheinen. 
Schweden aber meinen vielleicht, daß 
Oesterreich ja längst zu 
Deutschland gehört. Es gibt 
Deutsche, die derselben Meinung sind. Mein neuer Roman heißt »
Oesterreich in Ewigkeit«, so sollte man meinen, daß allein dieser Titel schon meinen unerschütterlichen Glauben
                        an 
Oesterreich offenbart, vielleicht sogar aufdringlicher, als guter Geschmack erlaubt. Man denke
                        sich nun meine Verwunderung, wenn ich in allerhand durchaus nicht böswilligen, sondern
                        eher unverdient anerkennenden Kritiken immer wieder lese, daß ich für einen »Anschluß«
                        
Oesterreichs an 
Bayern werbe und auf ihn hoffe! Das 
österreichische Innviertel ist bayrischen Stammes, ja dieser streckt sich über 
Salzburg und 
Oberösterreich noch fast bis in die 
Wachau vor. Wir 
Oberösterreicher sind 
Mostschädel, doch in der 
Wachau löst dann den Most allmählich der Wein ab und mit dem Trank wechselt auch die Rasse,
                        sie fühlt sich hier leise vom Osten angehaucht. Schon der alte 
Metternich sagte, daß in der 
Taborstraße bereits der Balkan beginnt. Mein 
Roman spielt in einer 
österreichischen Kleinstadt, die sich noch wehrt, entwurzelt zu werden, doch die Morgenluft des fernen
                        Ostens zuweilen in allen Gliedern spürt. Davor erschrickt die Fürstin meines 
Romans und dieser Schreck mag flüchtigen Lesern in alle Glieder fahren. Lesen ist eine Kunst,
                        die heute selten geworden ist, man liest nicht mehr, man sticht bloß auf jeder Seite
                        einen oder den anderen Satz heraus, spießt ihn auf und meint nun, nach diesen paar
                        Brocken urteilen zu dürfen. Aber meine Romane sind hochmütig, sie wollen Wort für
                        Wort nachdenklich gelesen sein, oder aber lieber gar nicht.