6. 2. 1930.
                        
                           
Lieber Professor Schinnerer.
                        
                      
                     Auf Ihre beiden inhaltsreichen Briefe vom 7. und 16. Dezember v. J. habe ich Ihnen, wenn mir recht ist, nur mit einer flüchtigen Karte aus 
Berlin geantwortet, – seien Sie mir nicht böse. Und heute sind es schon drei Wochen, daß ich wieder zurück bin. Und wieder
                        in der Arbeit, sollte ich hinzusetzen, – aber das kann ich leider nicht tun. Nur von
                        den äußeren Schicksalen einiger meiner Werke habe ich Ihnen zu berichten. In 
Berlin hat der »
Professor Bernhardi« mit 
Kortner in der Hauptrolle bei 
Barnowsky einen starken Erfolg errungen; ich selbst hatte der sogenannten Erstaufführung persönlich
                        nicht mehr beigewohnt, höre aber, daß es eine gute Vorstellung gewesen ist. Die Zeitungen
                        waren, wie Sie es sich ja denken können: je nach Parteirichtung behaupteten die einen,
                        daß das Stück erst jetzt recht aktuell geworden sei und daß es an Wirkung noch zugenommen
                        habe, – andere erklärten, daß es von gestern und vorgestern sei, daß alle diese Dinge
                        nicht mehr existierten und daß es alle diese Fragen nicht mehr gebe. Ja, die radikalsten
                        behaupteten, daß man in einer solchen Zeit der Christenverfolgung ein solches Juden
                        verherrlichendes Werk nicht aufführen sollte. – Ferner spielt man jetzt im 
Burgtheater einen etwas willkürlich zusammengestellten Einakterabend von mir: »
Paracelsus«, »
Der grüne Kakadu« und die »
Große Szene«. Ich war mit der Aufführung im Großen und Ganzen wenig zufrieden, aber es hat den
                        Anschein, als würde der Abend beim Publikum Beifall finden. – Das »
Spiel der Sommerlüfte« ist mit 
Moissis Weggang, sagen wir, vorläufig aus dem Repertoire verschwunden, es hat sich bis zur
                        18. bisher letzten Vorstellung sehr gut gehalten. In 
Deutschland hat sich außer 
Frankfurt a. M. und 
Gießen noch keine Bühne gemeldet. – 
 
                     – Das 
Guildtheatre in New York  hat sich nun doch für die Aufführung des »
Einsamen Wegs« entschieden; wieder einmal muß ich zur Legalisierung der Frage meine Unterschrift
                        beim 
amerikanischen Konsulat beglaubigen lassen. – Für Ihre Bemühungen, lieber Herr Professor, bei 
Schuster & Simon möchte ich Ihnen noch einmal sehr herzlich danken. 
Er schreibt mir im übrigen, daß er im Frühjahr fünf meiner Novellen in einem Band u.
                        zw. illustriert, erscheinen lassen möchte: »
Fräulein Else«, »
Beatrice« (Beate), »
Daybreak«, »
Rhapsody« und »
None but the Brave« und daß er Sie gebeten habe ein 
Vorwort zu schreiben. Ich brauche Ihnen nicht erst zu sagen, wie froh ich darüber wäre, wenn
                        Sie sich dieser Aufgabe unterziehen wollten. Ihren neuen Artikel in der 
Germanic Review über »
The literary apprenticeship of A. S.« habe ich mit sehr großem Vergnügen gelesen. Wenn der Autor selbst sich nicht immer
                        so ernst nehmen kann, wie es ihm manchmal zugemutet wird, es hindert ihn doch nicht
                        erfreut oder auch gerührt zu sein, wenn es von anderer und gar von so verständnisvoller
                        und freundschaftlicher Seite geschieht, wie ich es immer wieder von Ihnen erfahre.
                        Also nehmen Sie auch meinen Dank so herzlich und freundschaftlich, wie er gemeint
                        ist. Wenigen Leuten gegenüber fühle ich mich so verpflichtet bald wieder etwas Vernünftiges
                        zu schreiben, wie Ihnen, aber ich will nichts versprechen.
 
                     Nun zur Beantwortung einiger Ihrer Fragen. Durch den Advokaten 
Stern habe ich tatsächlich einige Raten jenes rückständigen Honorars von 
Seltzer bezahlt erhalten, nicht nur am 28. Januar 1927 und am 17. März 1927 je 50 Dollars, sondern einmal auch 100 und ein anderes Mal vielleicht noch einmal
                        50 , die genauen Beträge weiß ich nicht mehr. Auf weitere Anfragen habe ich dann auch
                        von Herrn 
Stern keinerlei Antwort mehr erhalten. Daß das Copyright für »
Casanova« sich nun in den Händen einer Buchdruckerei befindet, ist eigentlich unglaublich.
                        Ich habe ja Herrn 
Seltzer niemals das Copyright verkauft, sondern auf Grund des durch den 
Verlag S. Fischer angemeldeten Copyright wurde mein Vertrag mit 
Seltzer geschlossen. In den Urheberrechtsfragen herrscht eben überall eine heillose Verwirrung
                        und niemand ist wehrloser als der Autor selbst. Ich glaube eine Klage gegen 
Seltzer hätte unter den heutigen Umständen wenig Sinn.
 
                     Für die »
Comedies of words« bekomme ich immer wieder durch den Verlag 
Stewart Kidd ungeheuere Honorare, welche zwischen 1–2 Dollar alle 3–4 Monate zu schwanken pflegen. Von 
Pierre Loving (natürlich nicht durch ihn persönlich) habe ich vor ein paar Monaten ein 
Interview mit mir aus einer 
amerikanischen Zeitung zugeschickt erhalten, das vor Jahren stattfand und dessen keineswegs autorisierte
                        Veröffentlichung an Takt einiges zu wünschen übrig läßt. Außerdem hat er mich vor
                        noch längerer Zeit ersucht für das autobiographische 
Buch der 
Hermia zur Mühlen, 
amerikanische Ausgabe, ein Vorwort zu schreiben; Sie können sich denken, daß ich mich darauf gestürzt
                        habe.
 
                     Der bei 
Kennerley erschienene 
Band »
Lonely way«, »
Intermezzo« und »
Countess Mizi« ist seinerzeit wohl, wenn ich mich recht erinnere, nicht ohne meine Erlaubnis erschienen,
                        doch habe ich nie, trotz häufiger Mahnung, je einen Heller Honorar dafür erhalten.
 
                     Die Angelegenheit des zweiten Bandes bei 
Constable (»
Casanova«, »
Graesler« und eventuell »
Hirtenflöte«) schreitet selbstverständlich nicht weiter.
 
                     Und nun zum »
Reigen«. Das 
Feuilleton von 
Felix Salten stand in dem damaligen Tagesblatt »
Die Zeit«. Von dem 
Resultat des Rekurses, den 
Hermann Bahr in Angelegenheit der verbotenen »
Reigen«-Vorlesung an die 
Statthalterei ergriff, ist auch mir nichts bekannt; wahrscheinlich wurde er abschlägig beschieden.
                        Über den Verleger 
Fritz Freund kann ich Ihnen heute nichts Näheres mehr sagen. Gute Erfahrungen habe ich nicht mit
                        ihm gemacht. Daß er die Rekurse damals mit wirklichem Ernst behandelt hätte, ist nicht
                        wahrscheinlich. Heute soll er als 
Filmjournalist »tätig« sein. Auf Ihren 
Artikel über die Geschichte des »
Reigen« bin ich natürlich sehr neugierig. Ob sich meine 
23 Thesen in den Rahmen Ihres Artikels überhaupt fügen würden, kann ich natürlich von hier
                        aus nicht beurteilen. Vielleicht ist es doch am besten mich persönlich als »Wortergreifer«
                        aus dem Spiel zu lassen.
 
                     Um schließlich noch von den Schicksalen meiner Werke im Ausland zu reden, so ist zu
                        erwähnen, daß das Interesse in 
Frankreich und in 
Italien in der letzten Zeit zweifellos zugenommen hat. Materiell drücken sich diese Erfolge natürlich nur in bescheidener Weise
                        aus.
 
                     Von »
Fräulein Else« als Drama ist vorläufig nicht die Rede. 
Elisabeth Bergner hatte irgendwelche schwerwiegende Differenzen mit Direktor 
Klein, sie hat dort den Kontrakt gelöst, ist etwas leidend, ich sprach sie vor wenigen
                        Tagen ziemlich ausführlich in 
Wien (vorher auch in 
Berlin), sie ist jetzt in die 
Schweiz gefahren, dürfte dann in 
London einen 
Tonfilm spielen und denkt daran mit »
Fräulein Else« im nächsten Herbst in 
Wien zu beginnen. Aber ihre Entschlüsse sind, wie Sie wissen, nicht durchaus verläßlich.
 
                     Daß der Kontrakt mit 
Metro Goldwyn über »
Daybreak« rechtsgiltig geworden und auch schon finanziell beglichen wurde, glaube ich Ihnen
                        schon geschrieben zu haben.
 
                     Nun, lieber Herr Professor, mag es für heute genug sein. Mein Befinden ist im Ganzen
                        recht gut. Im übrigen entledige ich mich des angenehmen Auftrags Ihnen sowohl von
                        Frau 
Pollaczek als von Frl. 
Pollak herzliche Grüße zu bestellen, diese dankt Ihnen zugleich auch für Ihren letzten Brief,
                        Frau 
Pollaczek erwartet, so viel ich weiß, schon lange einen von Ihnen.
 
                     Alles Herzliche, beste Wünsche für Sie und die Ihren