Nun bist du also auch so weit, mein lieber Hermann, und musst Dir zu Deinem Sechzigsten gratulieren lassen. Ich hätte es gern unter vier
Augen getan, wie es meinem Gefühl nach anlässlich so intimer Angelegenheiten sich
eigentlich ziemte; aber er das »
Neue Wiener Journal« findet, dass seine
getere getreuen Leser dabei sein müssen und so trete ich Dir denn im Angesichte einer unübersehbaren
und zugleich unsichtbaren Menge gegegenüber, um Dir in alter Freundschaft und Verehrung
glückwünschend die Hand zu drücken.
Vor einem Jahre etwa, anlässlich Deiner Uebersiedlung nach
München, schriebst du in deinem (
ostensiblen)
Tagebuch), dass du eben daran gehst, den
fünften Akt (oder schriebst du gar den letzten?) Deines Lebens zu inszenieren. Vergleiche sind immer eine bedenkliche Sache. Pedant, der ich bin, fragte ich mich
sofort: ist er der Autor des Stücks? Oder der Held? Oder der Hauptdarsteller? und was macht er in den Zwischenakten? Und wie ist es mit den Hervorrufen am Schluss?
Und wie benehmen sich die Enthusiasten am Bühnentürl? Und wohin begibt sich der also
Gefeierte nach Schluss der Vorstellung? Und was ist’s mit den Morgenblättern? Und
wer schreibt die Kritik?– – – – Aber ich will es mir nicht zu schwer machen und nehme
den Vergleich so leichtfertig auf, als Du ihn hingesetzt hast und spreche ganz einfach
den Wunsch aus: der fünfte Akt (der übrigens so frisch eingesetzt hat, wie es sonst
nur die ersteren zu tun pflegen) möge so inhaltsreich und amüsant verlaufen – für
Dich selbst, die Mitspieler und die Zuschauer, als
die fr es bei den vorhergehenden der Fall war.
Denn bisher war es ein köstliches Stück und ich bedauere ein wenig, dass mir im Grund
nur eine Nebenrolle darin zugeteilt war (vielleicht, weil ich mit oder in einem anderen beschäftigt war? – als Autor? als Held? als Hauptdarsteller?? Oder sind wir vielleicht alle nur Episodisten in einer anonym eingereichten Komödie
– ohne Helden –? oh, Vergleiche, Vergleiche!!). Wann trat ich nur in Deiner Lebenskomödie
zum ersten Male auf? Es wird wohl im zweiten Akt gewesen sein. Wir hatten auch, glaube
ich, einige gelungene Szenen miteinander und nach Aktschluss durften wir uns ein paarmal gemeinsam nach Aktschluss verbeugen. (der Beifall blieb nicht ohne Widerspruch. Später kam ich leider seltener vor, vielleicht wirkt war ich ein bischen zu profan für das Mysterium, zu dem die bewunderungswürdige Komödie
sich allmählig emporentwickelt hatte
Im vorigen Jahr, mein lieber Hermann, als Du mir zu meinem Sechzigsten gratuliertest,
da fragtest Du
, rhetorisch natürlich, was wohl von unseren Sachen in hundert Jahren etwa noch übrig sein werde
? Das vermag
ich freilich so wenig zu beantworten als Du, und
×× glaube, dass Dich diese Frage im Grunde so wenig interessiert
als mich,
Denn wie meinte jener Puppenspieler: »
Sag mir, wann die Unsterblichkeit anfängt und ich will um meinen Ruhm besorgt sein.« Aber
so überzeugt
ich bin, dass
Einen, der so köstliche Akte und Romankapitel und überdies so wundersame, in alle Tiefen
des Menschen- und Künstlertums weisende Essais geschaffen hat
wie Du auch
noch einer ferne
ren Zukunft als ein
wirklicher Dichter gelten wird; –
so sehr glaub ich, dass diese Bezeichnung Dein Wesen nicht völlig ausdrückt und umfasst; – und so viel
oder so wenig von deinen einzelnen Werken in hundert Jahren noch übrig sein wird,
– dies ist
mir über alle
n Zweifel, dass du im Gedächtnis der
NachWelt
lange, lange Zeit als einer der merkwürdigsten, vielfältigsten und
glänzendsten Schriftsteller fortleben wirst
die je in deutscher Sprache geschrieben haben und dass der schwankende Begriff eines geistigen
Oesterreich, um dessen Aufhellung sich Wenige so
sehr bemüht haben
wie du, kaum jemals so fassbare, fruchtbare und
reiche Wirklichkeit geworden ist, als in Deinem Wesen, Deinem Wirken, Deinem Wort. Möge
uns diese
lebendige ××××××××××××××××× Dreiheit noch lange in gleicher
, schöner
strahlender Lebendigkeit erhalten bleiben. Sei gegrüsst und bedankt!