Ueber den Einakter »
Haus Delorme«, der
bekanntlich noch vor seiner Aufführung lebhafte Debatten hervorgerufen, hat sich
gestern
Arthur Schnitzler einem Mitarbeiter unseres Blattes gegenüber in folgender Weise geäußert. »
Mein Einakter ›
Haus Delorme‹ gehört zu einem geplanten Cyklus von Familienszenen, die in
verschiedenen Gesellschaftsklassen spielen. Ich nenne diese Szenen Burlesken und
deute damit die Tonart an, in der sie gehalten sind. Ich las den Einakter im vorigen Sommer einem intimen Kreise vor, wo
er die von mir beabsichtigte Wirkung übte: er weckte lebhafte Heiterkeit. Daß er
anstößig sei oder den Schauspielerstand verunglimpfe, diese Empfindung hatte niemand
in diesem Kreise, in dem sich auch Damen befanden. In gleicher Weise urteilte auch
Direktor
Reinhardt, der das Stück für die ›
Kleine Bühne‹
erwarb, wo es gleichzeitig mit zwei anderen
Einaktern von mir zur Aufführung gelangen sollte. Als ich vorige Woche nach
Berlin kam, waren die Proben bereits in bestem
Gange. Wie sonst bei den Proben meiner Stücke, nahm ich kleine Aenderungen und
Milderungen vor. Ich machte nicht die geringste Wahrnehmung, daß unter den
Darstellern eine Animosität gegen ›
Haus Delorme‹
herrsche; ich hörte auch keine Andeutung, daß der Schauspielerstand durch diesen
Einakter entwürdigt werde. Die Aufführung konnte bloß aus dem Grunde nicht
stattfinden, weil die Zensurbehörde in letzter Stunde erklärte, daß sie noch keine
endgiltige Entscheidung gefaßt habe. Umso größer war meine staunende Ueberraschung,
als ich in den
Berliner Zeitungen las, daß die
Darsteller des ›
Kleinen Theaters‹ über das Stück,
darin sie eine Degradierung ihres Standes erblicken, in peinliche Aufregung versetzt
worden seien und mit einem Streik drohen. Dieses Gerücht, das bereits als Tatsache
ausgegeben wurde, entsprang offenbar aus unbegründeten Mitteilungen einiger
Schauspieler und der Fall wäre völlig bedeutungslos, wenn hiebei nicht eine
Erscheinung zutage getreten wäre, gegen die ich entschieden protestieren muß. Einige
Zeitungen haben den angeblichen Inhalt meines
Stückes erzählt. Es ist wohl das erste Mal, daß auf Grund
eines Coulissenklatsches die Fabel eines Bühnenwerkes, und dazu noch in völlig
entstellter Weise, wiedergegeben wurde, ehe es der Autor der Oeffentlichkeit und der
Kritik in der von ihm selbst gutgeheißenen Form zu der ihm passenden Zeit
unterbreitet hat. Das ist eine noch nicht dagewesene Verletzung eines verbrieften
Autorrechtes. Aber man ist noch weiter gegangen. Auf Grund dieser entstellten
Inhaltsangabe des
Einakters
hat man über mich das kritische Richtschwert geschwungen. Man hat mich beurteilt und
verurteilt. Gegen diesen Vorgang, der meines Wissens keinen Präzedenzfall hat, muß
ich energisch Verwahrung einlegen. Das ist das einzige beachtenswerte Moment in
dieser Angelegenheit. Ueber die Frage, ob Bühnenkünstler berechtigt seien,
Schauspielerstücke unter dem Vorgeben, daß sie ihr Standesbewußtsein verletzen,
abzulehnen, könnte ich nur in akademischer Weise antworten und meine Antwort würde
hiebei vollkommen mit jener Ansicht übereinstimmen, die in Ihrem Blatte bei der
Besprechung dieser Frage entwickelt wurde. Schließlich möchte ich nochmals betonen,
daß ein Verbot des Einakters bis jetzt wenigstens nicht erfolgt ist. Hoffentlich wird
er bald freigegeben. Dann erst wird der Moment kommen, da die Kritik ihr Urteil über
mein Werk abzugeben haben wird.
«