Der Rücktritt des Burgtheatersekretärs Dr. Rosenbaum, 16. 5. 1915

Der Rücktritt des Burgtheatersekretärs Dr. Rosenbaum.
Wien, 15. Mai.
Der literarisch-artistische Sekretär der Hofbühne Dr. Richard Rosenbaum ist nach langjähriger Tätigkeit von seiner Stelle zurückgetreten. Die freundlichen Erinnerungen, die Dr. Rosenbaum in den Kreisen der Dramatiker hinterläßt, zeigten sich in den Briefen, die wir auf Wunsch der Autoren nachfolgend veröffentlichen:
Gerhart Hauptmann.
Lieber und verehrter Dr. Rosenbaum!
Sie verlassen das Burgtheater. Ihre Freunde haben den Wunsch, Ihnen bei diesem Anlasse ein Wort zu sagen. Ich weiß, wie schwer Ihnen dieser Abschied werden muß, denn ich weiß, wie hingebend Sie das Burgtheater geliebt haben, ja, daß leben und für das Burgtheater wirken, für Sie beinahe das Gleiche bedeutet. Danach ist es schwer, Sie in einem andern, noch so lockenden Wirkungskreis, auch nur vorzustellen. Aber die Welt ist immer noch weit und Gott ist überall, lieber Herr Rosenbaum. Mir ist nicht bange um den Tüchtigen.
Ihr Gerhart Hauptmann.
Arthur Schnitzler.
Lieber und verehrter Herr Dr. Rosenbaum!
Das Amt eines literarisch artistischen Sekretärs, das Sie 17 Jahre lang am Burgtheater verwaltet haben, war reicher an Arbeit und Verantwortung als an äußeren Ehren und sonstigem Gewinn; – trotzdem, denke ich, werden Sie aus einer Stellung, die so lange Zeit hindurch mehr als Ihre Aufgabe – die beinahe Ihren Lebensinhalt bedeutet hat, nicht ohne innerste Bewegung scheiden. Innerhalb dieser Zeit gab es gewisse Uebergangsepochen, in denen Ihnen zu einem höheren Rang als dem eines literarisch-artistischen Sekretärs kaum etwas anders gefehlt hat, als ein Titel, der diese Tatsache ausgedrückt hätte; aber auch sonst haben Sie sich stets als der ordnende, also als ein guter Geist des Burgtheaters bewähren dürfen, und wie Sie es getan haben, kann Ihrem Ehrgeiz vollkommen genügen. Denn Ordnung halten in Ihrem Sinn geht weit über die amtliche Betätigung hinaus, mit dem der Kreis Ihrer Pflichten umschrieben gewesen wäre; ohne die Fähigkeit des Ueberblicks und ohne ein lebendig-persönliches Verhältnis zu dem ihm anvertrauten Werk bliebe auch der tüchtigste Beamte eine Art von Pedant. Das aber, mein verehrter Herr Doktor, sind Sie niemals gewesen, und so werden Sie für einen neuen Wirkungskreis, der sich Ihnen ja bald eröffnen dürfte, nicht nur Ihre reichen Gaben und Kenntnisse auf literarischem, theatralischem und administrativem Gebiet (über die Sie mir weitere Abschiedskomplimente gern erlassen werden), sondern auch das unverbrauchte Herz und den offenen und gerechten Sinn mitbringen, mit denen Sie vor 17 Jahren die Räume betraten, wo Ihnen bestimmt war, Ihre guten Jugend- und Mannesjahre (die besten kommen noch) in treuen Diensten des von uns beiden mehr oder minder glücklich, aber beständig geliebten Burgtheaters hinzubringen.
Sie wissen, daß die Wünsche und Hoffnungen zahlreicher Freunde, unter die ich mich gerne zähle, auf jedem neuen Weg Ihnen folgen werden; und ich für meinen Teil bin sicher, wo immer ich Ihnen amtlich und außeramtlich begegnen werde, den liebenswürdigen, wahrhaften Menschen wiederzufinden, als der Sie sich im Laufe aller dieser Jahre mir gegenüber immer erwiesen haben, innerhalb und außerhalb des Theaters, aus dessen Chronik Ihr Name als eines in Stille und mit Ernst tätigen Mitarbeiters dreier Direktoren niemals wird schwinden können.
Ihr aufrichtig ergebener
Arthur Schnitzler.
Wien, 5. Mai 1915.