Zwei Albumblätter von Gerhart Hauptmann und Artur Schnitzler.
Zum 60. Geburtstag des Schauspielers
Oskar Sauer.
Zu
Oskar Sauers 60. Geburtstag soll unter dem
Titel »
Oskar Sauer. Ein Gedenkbuch 1856 bis 1916«
(bei
Oesterheld & Ko. in
Berlin) ein Sammelwerk erscheinen, das von
Siegfried Jacobsohn herausgegeben und dessen Gesamtertrag einem bestimmten
Fonds der
Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger
zugeführt wird. In diesem Buche schreibt
Gerhart Hauptmann
über
Oskar Sauer die folgenden Worte:
Wer über
Oskar Sauer nachdenkt, kommt zu dem
Schluß: Der wahrhaftigste Mensch allein hat Eignung zum größten Schauspieler. Danach
wäre das Wesen der Schauspielkunst nicht Täuschung, sondern Wahrhaftigkeit – nicht
Maskerade, sondern Demaskerade – nicht Mummenschanz und Versteckenspiel der Seele,
sondern Enthüllung und Offenbarung. So ist es auch.
Von einer ähnlichen Ueberzeugung scheinen die auszugehen, denen Schauspielkunst eine
Art schamloser Preisgabe bedeutet. So urteilt Bürgermoral; aber, gleichwie die
Wissenschaft, untersteht auch die Kunst einer eigenen, anderen. Sie adelt den
Künstler, der sich, vermöge der hohen Idee universeller Menschlichkeit, begreift,
sein Selbst erhöht und es in ein zweites, höheres Leben steigert. Das reichste
Menschentum verfällt, wenn dies Verfahren in Verfall gerät.
Es ist wohltätig, reinigend und erhebend, die Gestalt
Oskar Sauers, des großen Darstellers, sich hervorzurufen. Man wird es oft
tun, um den Glauben an das deutsche Theater, seine Kraft und Sendung aufrecht zu
erhalten. Aus seinem Wesen und Wirken ist eine ganze Dramaturgie abzuleiten, die
eines der wertvollsten Vermächtnisse für die deutsche Schaubühne sein könnte. In
Sauer verkörpert sich ihr wahrhaft schöpferisches
Vermögen, ihre Moral und höchste Würde.
Artur
Schnitzler schreibt: »Wie gern benutze ich den Anlaß
seines sechzigsten Geburtstages, um
Oskar Sauer
meine verehrungsvollsten Grüße zu senden. Ich habe diesem außerordentlichen Künstler
als Theaterbesucher im Laufe der Jahre so viel
zu danken gehabt, daß ich es eigentlich als überflüssig, wenn nicht als unbescheiden
empfinden müßte, hier auch noch auszusprechen, was ich ihm als Theaterschriftsteller
schuldig geworden bin; aber ich kann mich doch nicht enthalten, nach dem
Gregers Werle (der wahrscheinlich uns allen zuerst einfällt), dem
Ulrik Brendel, dem
Wehrhahn und mancherlei
andern, sehr bald des Malprofessors
Wegrat (aus dem »
Einsamen Weg«) zu
gedenken als einer Gestalt, um deren Haupt es in meiner Erinnerung wie ein Heiligen-
oder vielmehr ein Edelschein schwebt, und die durch
Sauers Kunst wohl auch anderen Leuten als dem Dichter unvergeßlich geblieben
sein mag. Wie kaum einen zweiten Schauspieler war es ja
Oskar Sauer gegeben, den wahrhaft reinen Menschen darzustellen: – Reinheit
in einer Vollendung, wo sie schon wieder Schuld geworden ist. (Denn nicht nur im
Uebermut sich über die Welt erheben wollen; auch aus Güte sich nicht in sie finden
können, ist Schuld vor Gott, Schuld im Geiste der Tragödie – tragische Schuld.) Wir
wissen alle, wie vieles
Sauer außerdem noch
gekonnt, gemeistert hat; und es ist nur natürlich, daß gerade die humoristische
Kehrseite der Reinheit eines seiner bevorzugten Gebiete – daß seine Schauspielkunst
in der Atmosphäre der Naivität, Einfalt und Beschränkheit gleichfalls wunderbar zu
Hause war. Aber wenn geistige Ueberlegenheit, Kühnheit, ja die Größe selbst aus der
Eigentümlichkeit einer bestimmten schauspielerischen Begabung heraus gespielt werden
können, ohne daß im Menschentum des betreffenden Darstellers auch nur bescheidene
Elemente jener Eigenschaften auffindbar sein müssen: um imstande zu sein, auf der
Bühne – nicht etwa kleine Herzenstalente, sondern Herzensgenialität glaubhaft und
lebendig zu machen, muß man einiges davon mit auf die Welt gebracht haben. Und in
dieser menschlich-künstlerischen Eigenart, ja Einzigartigkeit
Sauers ist es wohl begründet, daß – wenn auch mancher große
Schauspieler nicht weniger bewundert – gewiß keiner mehr geliebt wurde und wird als
er.«