Bund der Bühnendichter, 12. 4. 1906

Bund der Bühnendichter
II
Arthur Schnitzler.
Ich vermag nur einige Fragen zu formulieren, auf deren Beantwortung es mir besonders anzukommen scheint. Erstens: Welchen Vorteil bietet eine Société des Auteurs nach französischem Muster gegenüber der in Deutschland und Österreich üblichen Interessenvertretung der dramatischen Autoren durch Agenten? Zweitens: Welches sind die Schwierigkeiten, die sich bisher, trotz der offenbar unter den Autoren vorhandenen günstigen Stimmung, einer solchen Gründung in den Weg gestellt haben? Drittens: Auf welche Weise wäre, vorläufig ohne Gründung einer Société, eine Besserung der bestehenden Zustände zu erzielen? wie wäre es insbesondre möglich, eine reguläre (nicht nur in Verdachtsfällen behördlich angeordnete und daher als Beleidigung wirkende) Kontrolle aller Aufführungen und Einnahmeziffern an sämtlichen österreichischen und deutschen Bühnen durchzuführen? (Eine ähnliche Kontrolle hätte wohl auch für das Buchverlagswesen ihren Wert.) Wie wäre es endlich dem allgemeinen Rechtsgefühl klarzumachen, daß Übervorteilungen aller Art, auch wenn sie sich auf Erzeugnisse der Kunst oder des theatralischen Handwerks beziehen, sittlich nicht anders zu bewerten und rechtlich nicht anders zu behandeln sind als die gleichen Verfehlungen auf anderm Gebiete?
Diese Fragen wären vielleicht zu ergänzen durch andre, die sich mit den schriftstellerischen Beziehungen Deutschlands und Österreichs zu den übrigen Ländern beschäftigten; sowohl zu denjenigen, mit denen eine (in der praktischen Durchführung beinahe immer unzureichende) Konvention besteht; als zu denjenigen, wo eine gesetzlich gewährleistete Schutzlosigkeit des geistigen Eigentums waltet.
So könnte eine Behandlung der Bühnenvertriebsfrage Anlaß werden, das weite und wichtige Thema vom ökonomischen Verhältnis des Schriftstellers zu seiner nähern und fernern geschäftlichen Umwelt, das in juristischer und ethischer Auffassung gleichermaßen schwankend scheint, nach allen Richtungen hin aufzuhellen.