Rundfrage über das
Duell.
Die Beziehungen zwischen zwei Menschen, die zu einem Zweikampf führen können, sind
sehr vielfältiger Natur und ebenso vielfältig die Bedeutung, die dem Duell als
Abschluss der Beziehungen zwischen zwei Menschen zukommt.
Diese menschlichen Beziehungen haben mit allen anderen, wie z. B. Ehe, Liebe,
Freundschaft, ausser ihrer Vielfältigkeit auch das gemeinsam, dass den
aussenstehenden Menschen ein wirklicher Einblick in sie verwehrt ist und dass daher
jede Einmischung von anderer Seite unerlaubt, ungebührlich, ja vielleicht unsittlich
erscheint, so lange es sich eben ausschliesslich um diese Beziehungen selbst↓an sich↓ handelt und nicht um den Einfluss, den diese↓sie↓ eventuell auf die Existenz Unbeteiligter zu nehmen imstande sind.
Es ist also nicht nur töricht, sondern sogar unverträglich mit dem Recht der
Selbstbestimmung zwei Individuen, deren Beziehungen sich tatsächlich dahin entwickelt haben, dass sie das unabweisbare Bedürfnis
empfinden sich mit den Waffen in der Hand gegenüber zu stehen oder gar einer den andern zu töten, an der Ausführung dieses
Vorsatzes zu hindern.
Gegen Duellanten also, die sich freiwillig gestellt und ↓solche,
die↓ den Gegner nicht in irgend einer Art zum Duelle gezwungen haben, dürfte also von staatswegen niemals etwas unternommen
werden, selbst wenn das Duell einen unglücklichen Ausgang hatte. Hier erst setzt die
Frage ein, nicht um das Duell, |sondern um den Duellzwang handelt es sich. Und zwar nicht um den augenfälligen Zwang, gegen
den einzuschreiten eine verhältnismässig einfache Sache wäre, sondern um die
vielfachen Formen des uneingestandenen, unaufrichtigen, gefährlichen Zwanges, der
in
unseren gesellschaftlichen Zuständen begründet ist.
Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man beinahe glauben, dass es einen Zwang zum
Duell wenigstens für die Zivilisten überhaupt nicht
gibt; wie denn die Duellfrage im Offiziersstande hier schon darum ausser Acht
gelassen werden soll, weil jeder, der diese Carrière einschlägt, ebenso gut weiss,
welchen Anschauungen und Gesetzen er sich damit unterworfen hat, wie der Arzt, der
es
seinerseits nicht ablehnen darf, sich bei einer plötzlich ausbrechenden Epidemie an
der Behandlung der Erkrankten zu beteiligen und die damit verbundene Gefahr auf sich
zu nehmen, wenn er auch auf den Ausbruch der↓einer↓ Epidemie bei Ablegung des Doktorats nicht gefasst war.
Anders aber steht es aber beim Zivil. Hier kommt es
jeden Tag vor, dass Leute ↓auch↓ ohne Absicht in Kreise
geraten, wo Anschauungen herrschen, in denen der Duellzwang notwendig inbegriffen
ist. So lange Leute als feig gelten werden, die eine Duellforderung ablehnen und so
lange Leute den Vorwurf dieser sogenannten Feigheit als diffamierend empfinden werden, so lange wird auch der
Duellzwang bestehen. Keine behördliche Verfügung, kein Gesetz wird die Macht haben
jemanden, der einen andern beleidigt oder auch nicht beleidigt↓wirklich oder im Sinne der geltenden gesellsch Anschauungen
beleidigt↓ hat, davor zu schützen, dass er eine |Ohrfeige bekommt. Und so lange
diese Ohrfeige ihre innerhalb der Gesellschaft nun einmal feststehende symbolische
Bedeutung behält, wird keine behördliche Verfügung die Macht besitzen den
Geohrfeigten glauben zu machen, dass sein Beleidiger durch eine Geldstrafe von fünf
bis hundert Gulden oder selbst durch Arrest von vierundzwanzig Stunden genügend
bestraft und damit seine, des Gezüchtigten Ehre wiederhergestellt weiss. So wird also
diese Ohrfeige, wenn andere Mittel versagen, in all den Kreisen, wo sie eben ↓als↓ ein Symbol bedeutet↓gilt↓, einen absoluten Zwang zum Duell bedeuten.
Es ist also unbedingt erforderlich, diese Beleidigung innerhalb von Kreisen, wo sie
eben mehr bedeutet als sich selbst, mit einer Strafe zu belegen, die dem symbolischen
Ernst der Beleidigung angemessen ist; U↓u↓nter Umständen also mit schweren
Kerkerstrafen.
Ebenso streng müsste der Vorwurf der Satisfaktionsfähigkeit gestraft werden, der
gegen den Duellverweigerer
öffentlich erhoben würde, denn es ist sehr wohl der Fall zu denken, dass jemand
einmal mit guten Gründen ein Duell abgelehnt hätte und ein anderes Mal aus eben so
guten Gründen die Nötigung empfände selbst
jemanden zum Duell herauszufordern.
Die Forderung an sich aber dürfte niemals strafbar sein. Sie hätte nichts anderes
zu
bedeuten und dürfte nicht in anderem Sinne aufgefasst werden, als die Frage: willst
|du dich mit mir schlagen? eine Frage, auf die die Antwort dem Andern völlig frei
stünde, auch eine abschlägige keinerlei diffamierende Folgen für den Duellverweiger mit sich
brächte, woraus die einfache Folgerung resultiert, dass man auch den Fordernden für
ein Ja des Geforderten in keiner Weise verantwortlich machen dürfte.
Auch von prinzipiellen Duellgegnern hört man immer wieder die Ansicht ausgesprochen, dass es immerhin Fälle
gibt, wo das Recht, jemanden zum Duell zu provozieren, unbedingt zuerkannt werden
müsste. Und als Lieblingsbeispiele werden immer wieder solche Fälle gewählt, in denen
es sich um Verführung der Gattin oder der Schwester handelt. Und doch liegt hier die
Sache nicht anders, als in sämmtlichen anderen Fällen, bei denen sich irgend jemand
als beleidigt fühlt. Ist der sogenannte Verführer geneigt auf das Duell einzugehen,
so möge es stattfinden und wie immer der Ausgang sei, straflos bleiben. Ist aber der Beleidiger nicht
geneigt die verlangte Satisfaktion zu geben, so wäre der Versuch ihn zu einem Duell
zu zwingen mit der gleichen Schärfe zu ahnden, wie in jedem andern Fall. Natürlich
müsste dem Gatten oder dem Bruder Gelegenheit geboten werden, sich auf andere Weise
Genugtuung zu verschaffen, auf die er nach unseren heute noch bestehenden
bürgerlichen Anschauungen ein Recht beanspruchen kann. Doch besteht ein solches Recht
überhaupt viel seltener als man heute noch zugibt, es sei, man wollte ausdrücken,
dass auch schon der verletzten Eitelkeit ein Recht auf Genugtuung zusteht↓ände↓.