Arthur Schnitzler an
Schönherr.
Arthur Schnitzler schreibt:
Lieber und verehrter Karl Schönherr!
Gestatten Sie, daß ich mich zum heutigen
Feste bescheiden mit zwei Anekdoten einstelle.
Vor ein paar Jahren fuhr ich nach
Deutschland. Paßvisitation. Der Beamte, verständnis- und hochachtungsvoll:
»Ah, ›
Glaube und Heimat‹.« – Ich: »Leider nein.
›
Glaube und Heimat‹ ist von
Schönherr. Ich heiße A. S.« – Der Beamte, etwas unmutig, dann
wieder gefaßt: »Also – doch!« Dies konnte ich freilich nicht leugnen.
Das habe ich Ihnen vielleicht schon erzählt. Nun aber lesen Sie, was mir heuer in
Berlin vor wenigen Wochen passiert ist. Der
Sekretär eines größeren Theaters läßt sich
bei mir melden. Er ersucht mich im Namen der Direktion um Ueberlassung des »
Reigen«. Ich lehne ab. Der Sekretär: »Vielleicht
aber könnten wir etwas anderes vom Herrn Doktor aufführen.« – Ich: »Ich bitte um
einen Vorschlag.« – Der
Sekretär (nach einigem Nachdenken): »Vielleicht einen Zyklus Ihrer Stücke.«
– Ich: »Man müßte doch mit einem anfangen. Bitte.« – Der
Sekretär (nach noch längerem Nachsinnen):
»Wie wäre es mit ›
Volk in Not‹?« – Ich: »Das
kann ich Ihnen leider nicht überlassen.« – Der
Sekretär (etwas verletzt): »Warum?« – Ich: »Weil es nicht von
mir, sondern von
Schönherr ist.« – Der
Sekretär: »Oh!« – Ich: »Vielleicht können Sie mir ein anderes Stück nennen?« – Er
kannte keines – der Zyklist.
Nachdem diese beiden wörtlich wahren Geschichten mehr zu Ihrer Biographie, lieber
Freund, gehören als zu meiner, fühle ich mich angenehm verpflichtet, sie Ihnen
mitzuteilen.
Und benütze, als einer, der Ihnen mit Bewunderung und Sympathie von frühen
Sonnwendtagen an in einen
schönen und fruchtbaren Herbst gefolgt ist, die Gelegenheit, Ihnen zu Ihrem
sechzigsten Geburtstag meine allerwärmsten Glückwünsche darzubringen.
Mit freundschaftlich herzlichen Grüßen
Ihr aufrichtig ergebener
Arthur Schnitzler m. p.