Das Medeabild, 15. 4. 1891

Das Medeabild. Drama in einem Aufzuge von Ferdinand Heitmüller. (Dresden und Leipzig, E. Pierson's Verlag.) Die Scene: Das Atelier. – Fenster im Grunde, die auf eine Terrasse gehen. . .  In der Ferne die kühnen Umrisse des Vesuv im Mondlichte. . .  Aus einer rothen Ampel fließt ein warmes mattes Licht u. s. w. u. s. w. Man sieht, Stimmung übergenug! Kurz vor Aufgehen des Vorhanges hört man noch überdies die letzten verklingenden Accorde eines italienischen Tanzes, Hochrufen und den Lärm aufbrechender Gäste. Leider bleibt die Bühne jedoch nur eine Weile leer und es treten die zwei Personen des Stückes auf, der Maler Oswald und sein eben ihm angetrautes junges Weib, Arda, die sich eine Menge von sehr verhängnißvollen Dingen erzählen, an denen ein poetisches oder dramatisches Interesse zu nehmen uns völlig unmöglich ist. Oswald, so stellt sich im Laufe des Gespräches heraus, hat Arda’s Mutter verführt; Arda hat geschworen, Rache zu nehmen und hält unbegreiflicherweise diesen Schwur, obwohl Oswald, seiner glaubwürdigen Erzählung nach, die Verführte lange Zeit hindurch vergeblich gesucht hat, um sein Unrecht wieder gut zu machen. Arda ersticht Oswald, dann sich selbst. Keine Ausführung des psychologischen, keine des Situationsmotivs. Wir hören die verzückten Phrasen dieser zwei unglückseligen Menschenkinder, ohne daß auch nur eine Saite menschlichen Empfindens in uns mitklingt. Die Sprache konnte uns mit dem tragikomischen Stoff nicht versöhnen; sie ist innerlich hohl wie das Stück selbst. Dennoch gewahrten wir hie und da Spuren von künstlerischem Empfinden, so daß wir hoffen dürfen, ein mißglücktes Jugendwerk vor uns zu haben, über das der Autor möglicherweise noch weit hinauskommen wird. – In Altona wurde das Drama aufgeführt; sollten die Rollen dankbar sein?
A. Sch.