B5: Bahr, Hermann_3 Bahr an Schnitzler, Typoskript, Seite 35

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scheint, dass sie gar nichts zu sagen hat. Dies schliesst nicht aus,
dass der Verfasser vielleicht sich zum Journalisten eignen könnte.
Eine "Schmuck-Notiz" über Allerheiligen oder die Eröffnung oder
Schliessung eines Café-s oder eine schöne Leich' ist ja ganz was an-
deres. Doch müsste man davon Proben sehen und wissen, was er sich
unter "Journalist" (der er,wie Du schreibst,werden will) eigentlich
denkt.
Herzlichst in Eile
Dein alter
Hermann
88
15.Mai 1902
Du bist enttäuscht, lieber Arthur, da Du geöffnet hast und siehst, dass
diese Blumen, statt von einem Weibchen, nur von mir sind. Aber sie sol-
len Dir halt heute, wo Du ankommst, nel mezzo del cammin di nostra
vita, einmal sagen, dass ich Dich sehr gern habe und über unser gut und
fest gewordenes Verhältnis froh bin und meine,es könne, was immer
etwa noch das Schicksal zwischen uns werfen mag, doch eigentlich im
Grunde niemals mehr wankend werden. Und mir ist, frühere Dinge jetzt
erst zu verstehen, und ich rede mir ein zu meinen, dass, was ich einst
gegen Dich empfunden habe, vielleicht auch nur eine freundschaftliche
Ungeduld gewesen sein mag, den zu lange bei seiner Jugend Verweilen-
den schneller männlich werden zu sehen. In meinem Verhältnis zur Duse
weiss ich jetzt ganz gewiss, dass die unbegreifliche Wuth, die ich nach
meier ersten Begeisterung plötzlich auf sie hatte, genau mit ihrer
inneren Krise zusammenfiel, aus welcher sie verwandelt emporstieg.
Wäre ich d'Annunzio und würde ich stilisieren, so wurde ich sagen:
Ich bin der Ehrgeiz meiner Freunde -- io sono l'orgoglio della mia
razza (was übrigens ganz gut klingt.)