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mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit
sich ausbaut und vollendet, bis der letzte
Zweifel, der sie ungewiss macht in den
Unwissen, fällt - so flackert hier das
Leben einer Sterbenden über den vielen
Gestalten einer bewegten und wilden
Zeit. Wunderbar einfach ist das kom¬
plizierte Wesen der Beatrice gefahrt und
mit wirklich großer Gerechtigkeit stehen Sie
über ihm und seinen Wirren. So dass
es scheint, als stünde man gar keinem
Ausnahmsfall, im Gegentheil einem tag¬
lichen (bislang unerkannten) Typus ge¬
genüber; es ist fast, als wäre nur für
Mißtrauische und Schwerfällige das fantasti¬
sche Milieu jener breiten Zeit nothwen¬
dig gewesen, und man bedauert ei¬
nen Augenblick fast, die Gestalt des
bewegten Mädchen aus so vielen Grup¬
gen auslösen zu müssen. Aber das Bedau¬
ern geht vorüber: Beatrice praagt sich
so stark aus, daß die ganze Zeit mit
ihren Kriegen und Giften, Liedern
und Schreien, hingerissen von ihr, sich so
zu geberden scheint.
Ich möchte Ihnen noch viel sagen
zu diesem Buche: z.B. auch daß "das Herzogin¬
1: ̃
seinwollen "Beamices" (schon in der ersten Erzählung
des Traumes kommt das zum Ausdruck) - ei¬
gentlich wie ein Kunstlerwunsch wirkt, die
Stimmung Herzogin irgendwie zu schaffen.
Ich weiß nicht, ob das klar genug gesagt ist.
Es wäre das Schicksal Nichtschöpferischer, die doch
Schaffenstriebe tragen; sie müssen sie noth¬
wendig mißverstehen und die ihnen vorschwi¬
benden Gestalten im Leben durchsetzen
wollen...
Vielleicht sag ich das später einmal
einfacher, deutlicher. Ich bin hier jetzt
einer strengen Cur unterworfen, der Worte
und des Ausdrucks entwohnt... und
dies soll mir ein rascher Dank sein.
Meine Frau grüßt Sie sehr.
Übrigens: sie ist Bildhäuerin. Hat heuer
in Minichen und Dresden ausgestellt,
Vielleicht kommen Sie in die eine oder
andere Stadt. Deshalb erwähne ichs, da
Sie sich vielleicht dafür interessieren.
Und vielleicht kommt es auch
einmal zu einem Wiedersehen. Unser
Bauernhaus ist in nächster Nachburschaft
non Worpsweele. Es verlohnt sich also, ein¬
mal zu uns zu kommen.
Mit viel lieben Grüßen in
Ihr:
größter Ergebenheit.
Rainer Maria Kilke
mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit
sich ausbaut und vollendet, bis der letzte
Zweifel, der sie ungewiss macht in den
Unwissen, fällt - so flackert hier das
Leben einer Sterbenden über den vielen
Gestalten einer bewegten und wilden
Zeit. Wunderbar einfach ist das kom¬
plizierte Wesen der Beatrice gefahrt und
mit wirklich großer Gerechtigkeit stehen Sie
über ihm und seinen Wirren. So dass
es scheint, als stünde man gar keinem
Ausnahmsfall, im Gegentheil einem tag¬
lichen (bislang unerkannten) Typus ge¬
genüber; es ist fast, als wäre nur für
Mißtrauische und Schwerfällige das fantasti¬
sche Milieu jener breiten Zeit nothwen¬
dig gewesen, und man bedauert ei¬
nen Augenblick fast, die Gestalt des
bewegten Mädchen aus so vielen Grup¬
gen auslösen zu müssen. Aber das Bedau¬
ern geht vorüber: Beatrice praagt sich
so stark aus, daß die ganze Zeit mit
ihren Kriegen und Giften, Liedern
und Schreien, hingerissen von ihr, sich so
zu geberden scheint.
Ich möchte Ihnen noch viel sagen
zu diesem Buche: z.B. auch daß "das Herzogin¬
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seinwollen "Beamices" (schon in der ersten Erzählung
des Traumes kommt das zum Ausdruck) - ei¬
gentlich wie ein Kunstlerwunsch wirkt, die
Stimmung Herzogin irgendwie zu schaffen.
Ich weiß nicht, ob das klar genug gesagt ist.
Es wäre das Schicksal Nichtschöpferischer, die doch
Schaffenstriebe tragen; sie müssen sie noth¬
wendig mißverstehen und die ihnen vorschwi¬
benden Gestalten im Leben durchsetzen
wollen...
Vielleicht sag ich das später einmal
einfacher, deutlicher. Ich bin hier jetzt
einer strengen Cur unterworfen, der Worte
und des Ausdrucks entwohnt... und
dies soll mir ein rascher Dank sein.
Meine Frau grüßt Sie sehr.
Übrigens: sie ist Bildhäuerin. Hat heuer
in Minichen und Dresden ausgestellt,
Vielleicht kommen Sie in die eine oder
andere Stadt. Deshalb erwähne ichs, da
Sie sich vielleicht dafür interessieren.
Und vielleicht kommt es auch
einmal zu einem Wiedersehen. Unser
Bauernhaus ist in nächster Nachburschaft
non Worpsweele. Es verlohnt sich also, ein¬
mal zu uns zu kommen.
Mit viel lieben Grüßen in
Ihr:
größter Ergebenheit.
Rainer Maria Kilke