A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 107

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nicht morgen und nie nie mehr kommen wird. Ich ver¬
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steh's ja selber noch nicht. Es ist grad, wie wenn ich's jeden
5. Auftritt.
Tag in der Früh neu erfahren möcht'. Immer muß ich mich
erst besinnen, weil ich jede Nacht von ihm träum
Toni. Das Kind. Emma.
immer geh'n wir miteinander herum und er führt mich bei
Emma (mit einem Blick auf das Kind). Für so 'was ist es
der Hand — so wie er den Franzl immer bei der Hand
schon der Mühe werth, zu leben. Haben Sie nur Muth. Ich
geführt hat. — Haben Sie denn eine Ahnung, gnädige Frau
hab's auch überstehen müssen.
Toni. Sie sind so gut zu mir, gnädige Frau.
wie gern er uns zwei gehabt hat?
Emma. Ich kann's mir wohl denken.
Emma. Wir sind ja alte Bekannte.
Toni (schüttelt d'en Kopf). Nein —
Toni. Bekannte?
freilich ist.
Emma. Er hat mir von Ihnen erzählt,
Emma (lächelt).
Toni. Das können Sie sich nicht denken. Sie wissen
das schon sehr, sehr lange her.
Toni. Mir auch von Ihnen, gnädige Frau... Viel..
ja nicht, wie das alles war. Was er für mich gewesen ist,
Noch ganz zuletzt. Ja, Sie haben ihn gekannt! — Darum
können Sie nicht wissen. Ich bin so allein gewesen, das kann
verstehen Sie auch Alles so gut.
Emma. Das werden die andern auch. Sie müssen nur
sich gar kein Mensch vorstellen.
Emma. Freilich wenn man so früh seine Mutter
Geduld haben, Toni. Vorläufig ist noch eine gewisse Scheu da.
Toni. Ja — warum denn? Sie brauchten mich doch
Toni. Oh Gott - meine Mutter hab' ich gar nicht
verliert!
nur zu fragen; ich hab' ja nichts zu verbergen.
gekannt. So weit ich zurückdenk', war ich immer mit dem
Emma. Auch die Franzi hat Sie noch um gar nichts
Vater allein.
Emma. Aber es sind doch Leute zu Ihnen in's Haus
das merk' ich
gefragt?
Toni. Die möcht's manchmal thun -
schon. Aber ich glaub', sie traut sich nicht recht.
Toni. Wie ich noch ein Kind war — ja. wie der
Emma. Traut sich nicht? (Lächelnd.) Sie meinen
gekommen?
Vater selbst noch jünger war, sind manchmal Collegen aus
wegen ihres Bräutigams?
dem Bureau zu ihm gekommen. Aber in den letzten Jahren
Toni. Ist es denn wirklich ihr Bräutigam?
so gut wie keiner. (Pause.) Nur ein Bruder vom Vater und seine
Emma. Gewiß.
Toni. Man merkt's so gar nicht. Haben sich denn
Frau, — die sind am Sonntag manchmal bei uns gewesen
das weiß ich mich noch zu erinnern — da sind wir zusammen¬
Emma. Mein Kind, das Gernhaben, wie wir zwei es
gesessen, die zwei alten Leut’, der Vater und ich — in unserem
die gern?
kleinen Zimmer — aber da ist kaum ein Wort gesprochen
uns vorstellen, ist freilich was anderes.
worden... Ich hätt' schreien können.
Toni. Nicht wahr? —
Mama
Kind.
Emma. Warum?
Toni. Vor Angst. Immer war's so still bei uns, als
Was willst denn, Franzl?
Toni.
Wird der Papa heut kommen?
wenn man sich vor irgend was fürchten müßt! Man hat
Toni. Morgen, Franzl, morgen. — Setz Dich daher
Kind.
nie so recht aufathmen können. Und je älter der Vater ge¬
und schau Dir die Bilder an. (setzt das Kind auf einen Fauteuil,
worden ist, um so ärger ist das gewesen. An nichts hat er
giebt ihm das Bilderbuch in die Hand.) Ja, — und sei schön still!
eine rechte Freude gehabt. Und immer Sorgen — auch
(Zu Emma zurückkehrend.) Immer fragt er mich das! Es macht
mich noch wahnsinnig. Was soll ich ihm denn sagen? Ich
wenn's nicht nothwendig war..
Als Manuscript gedruckt.
kann ihm doch nicht sagen, daß sein Vater nicht heut und