54
Ferdinand (zuckt zusammen). Mit ihr? Halten Sie das
für unerläßlich, gnädige Frau?
Adolf. Was hab' ich gesagt, Betty? Der Doctor findet
das auch nicht in der Ordnung.
Betty. Lieber Doctor, sie ist doch nun. einmal unsere
Hausgenossin.
Ferdinand. Ich denke, nachdem die ersten fürchterlichen
Tage vorüber sind, in denen wir alle wie niedergeschmettert
waren, — ist es nun endlich an der Zeit, über diese ganze
Angelegenheit ins Klare zu kommen. Ich bitte Sie, ich be¬
schwöre Sie — bedenken Sie doch endlich, wen Sie in dieses
Haus aufgenommen haben, wer mit Ihnen an einem Tische
sitzt, wem Sie erlaubt haben, mit uns Allen am Grabe Ihres
Sohnes zu beten.
Emma. Die Mutter seines Kindes ist sie!
Betty. Ja, die Mutter seines Kindes
Ferdinand. Seine Maitresse ist sie gewesen, das steht
jedenfalls fest, also eines von den Weibern, die man sonst in
solchen Häusern nicht über die Schwelle läßt.
Emma. Lernen Sie sie doch erst kennen, bevor Sie sic
mit einem Worte abzuthun versuchen.
Ferdinand. Ich bin nicht danach begierig. [Sie haben
ja alle irgend eine Entschuldigung — das ist nichts Neues!
Die ist gut für die nächsten Liebhaber — bei uns hier hat
sie nicht zu gelten.
Adolf. Lieber Doctor, [Ihre Ansichten sind die eines
rechtlichen Mannes, und es ist für mich besonders erfreulich,
daß gerade der Mann solche Ansichten hegt, dem ich das
Glück meiner einzigen Tochter anzuvertrauen gesonnen bin.
Wir wissen alle, daß dieses junge Wesen gefehlt hat, und ich
bin, wie ich vielleicht als bekannt annehmen darf, sehr ferne
davon, in dieser Hinsicht lax zu denken. Aber wir haben ein
Recht gegenüber solchen Geschöpfen, das wir gelegentlich in
Anspruch nehmen dürfen; das Recht: zu verzeihen. Und
das wollen wir thun. Ich verzeihe ihr!
Emma. Verzeihen? — Du sprichst von Verzeihen?
Was hast Du! (Stark. Pause.) was hat überhaupt ein Mensch
dem andern zu verzeihen? — Vermessenheit ist das! Strafen
dürfen wir, — und rächen meinethalben — damit bleiben wir
doch unter uns sozusagen. Aber zum Verzeihen ist doch keiner
55
gut genug. Ihr habt einfach den letzten Willen Eures Sohnes
zu erfüllen — das ist Alles.
Adolf. Das thun wir ja. Ich weiß nicht, was Du
willst. Wenn es mir — abgesehen davon — auch noch be-
liebt, ihr zu verzeihen, so ist das meine Sache.
Ferdinand. Der letzte Wille Hugo's?
— Wissen Sie,
was sein letzter Wille war? — Seine letzten Worte kennen
wir, die er gesprochen hat, als schon die Schatten des Todes
über seinem Bewußtsein lagen.
Betty (fast erschrocken). Nein, Doctor, sagen Sie das nicht.
Er wußte, was er wollte. Oh ja.
Ferdinand. Wenn ich auch das annehmen will, eine
Frage bleibt jedenfalls offen — ob er das Recht hatte, Ver¬
fügungen zu treffen, die so tief die Existenzbedingungen seiner
nächsten Angehörigen berühren?
Emma. Wie können Sie es wagen, über ihn zu ur-
theilen!
Ferdinand. Damit maße ich mir keinerlei Urtheil an.
Emma. Sie haben ihn ja nie begriffen, Sie halen ihn
überhaupt nie leiden können.
Adolf (ernst). Emma, Du sprichst zu dem Lehrer und
Freund unseres armen Hugo.
Ferdinand. Ich hab' ihn lieb gehabt — und glaube
ihn auch genügend begriffen zu haben — das war nicht so
schwer. Er war jung, liebenswürdig und gut — aber die
Menschen hat er nicht gekannt.
Adolf. Ja, er war zu gut für diese Welt!
Emma. Ja! zu gut für diese Welt. Besser als Ihr
Alle ahnen könnt, ist er gewesen — und darum hat er noch im
letzten Augenblick seines Leben das Beste gethan, was er
thun konnte, und Euch die Sorge um diese zwei Geschöpfe
an's Herz gelegt, die ohne Euch wahrscheinlich verloren wären.
Betty. Und ich danke Gott, daß er noch die Kraft ge¬
habt hat, diese Worte zu sprechen. — Auch wenn ich von
anderer Seite erfahren hätte, daß ein Kind meines Hugo
existirt, ich hätte es zu uns genommen!
Ferdinand. Das Kind ja — aber seine Mutter
Betty. Ich hätte sie doch nicht von ihrem Kinde getrennt.
Adolf. Das hatten wir nicht gethan. Nein, das hätten
— Und mit einem Worte, Doctor, werde
wir nicht gethan!
Als Manuscript gedruckt.
G.C.P.
Ferdinand (zuckt zusammen). Mit ihr? Halten Sie das
für unerläßlich, gnädige Frau?
Adolf. Was hab' ich gesagt, Betty? Der Doctor findet
das auch nicht in der Ordnung.
Betty. Lieber Doctor, sie ist doch nun. einmal unsere
Hausgenossin.
Ferdinand. Ich denke, nachdem die ersten fürchterlichen
Tage vorüber sind, in denen wir alle wie niedergeschmettert
waren, — ist es nun endlich an der Zeit, über diese ganze
Angelegenheit ins Klare zu kommen. Ich bitte Sie, ich be¬
schwöre Sie — bedenken Sie doch endlich, wen Sie in dieses
Haus aufgenommen haben, wer mit Ihnen an einem Tische
sitzt, wem Sie erlaubt haben, mit uns Allen am Grabe Ihres
Sohnes zu beten.
Emma. Die Mutter seines Kindes ist sie!
Betty. Ja, die Mutter seines Kindes
Ferdinand. Seine Maitresse ist sie gewesen, das steht
jedenfalls fest, also eines von den Weibern, die man sonst in
solchen Häusern nicht über die Schwelle läßt.
Emma. Lernen Sie sie doch erst kennen, bevor Sie sic
mit einem Worte abzuthun versuchen.
Ferdinand. Ich bin nicht danach begierig. [Sie haben
ja alle irgend eine Entschuldigung — das ist nichts Neues!
Die ist gut für die nächsten Liebhaber — bei uns hier hat
sie nicht zu gelten.
Adolf. Lieber Doctor, [Ihre Ansichten sind die eines
rechtlichen Mannes, und es ist für mich besonders erfreulich,
daß gerade der Mann solche Ansichten hegt, dem ich das
Glück meiner einzigen Tochter anzuvertrauen gesonnen bin.
Wir wissen alle, daß dieses junge Wesen gefehlt hat, und ich
bin, wie ich vielleicht als bekannt annehmen darf, sehr ferne
davon, in dieser Hinsicht lax zu denken. Aber wir haben ein
Recht gegenüber solchen Geschöpfen, das wir gelegentlich in
Anspruch nehmen dürfen; das Recht: zu verzeihen. Und
das wollen wir thun. Ich verzeihe ihr!
Emma. Verzeihen? — Du sprichst von Verzeihen?
Was hast Du! (Stark. Pause.) was hat überhaupt ein Mensch
dem andern zu verzeihen? — Vermessenheit ist das! Strafen
dürfen wir, — und rächen meinethalben — damit bleiben wir
doch unter uns sozusagen. Aber zum Verzeihen ist doch keiner
55
gut genug. Ihr habt einfach den letzten Willen Eures Sohnes
zu erfüllen — das ist Alles.
Adolf. Das thun wir ja. Ich weiß nicht, was Du
willst. Wenn es mir — abgesehen davon — auch noch be-
liebt, ihr zu verzeihen, so ist das meine Sache.
Ferdinand. Der letzte Wille Hugo's?
— Wissen Sie,
was sein letzter Wille war? — Seine letzten Worte kennen
wir, die er gesprochen hat, als schon die Schatten des Todes
über seinem Bewußtsein lagen.
Betty (fast erschrocken). Nein, Doctor, sagen Sie das nicht.
Er wußte, was er wollte. Oh ja.
Ferdinand. Wenn ich auch das annehmen will, eine
Frage bleibt jedenfalls offen — ob er das Recht hatte, Ver¬
fügungen zu treffen, die so tief die Existenzbedingungen seiner
nächsten Angehörigen berühren?
Emma. Wie können Sie es wagen, über ihn zu ur-
theilen!
Ferdinand. Damit maße ich mir keinerlei Urtheil an.
Emma. Sie haben ihn ja nie begriffen, Sie halen ihn
überhaupt nie leiden können.
Adolf (ernst). Emma, Du sprichst zu dem Lehrer und
Freund unseres armen Hugo.
Ferdinand. Ich hab' ihn lieb gehabt — und glaube
ihn auch genügend begriffen zu haben — das war nicht so
schwer. Er war jung, liebenswürdig und gut — aber die
Menschen hat er nicht gekannt.
Adolf. Ja, er war zu gut für diese Welt!
Emma. Ja! zu gut für diese Welt. Besser als Ihr
Alle ahnen könnt, ist er gewesen — und darum hat er noch im
letzten Augenblick seines Leben das Beste gethan, was er
thun konnte, und Euch die Sorge um diese zwei Geschöpfe
an's Herz gelegt, die ohne Euch wahrscheinlich verloren wären.
Betty. Und ich danke Gott, daß er noch die Kraft ge¬
habt hat, diese Worte zu sprechen. — Auch wenn ich von
anderer Seite erfahren hätte, daß ein Kind meines Hugo
existirt, ich hätte es zu uns genommen!
Ferdinand. Das Kind ja — aber seine Mutter
Betty. Ich hätte sie doch nicht von ihrem Kinde getrennt.
Adolf. Das hatten wir nicht gethan. Nein, das hätten
— Und mit einem Worte, Doctor, werde
wir nicht gethan!
Als Manuscript gedruckt.
G.C.P.