A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 117

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wenn Deine Verlobung, meine liebe Franziska, noch aus¬
gesprochen würde, — bevor wir auf's Land übersiedeln
Franziska. Es ist doch nicht die Zeit, Feste zu feiern.
Adolf. Worauf man erwidern könnte: eine Verlobung
ist- kein Fest! Im Ernst gesprochen: eine Verlobung ist eine
heilige und feierliche Sache — und besonders bei Euch, die
Ihr einander so lange kennt. Bedenke nur, liebe Franziska,
wie verlassen wir von nun an sein werden, — und wenn
uns ein treuer Freund bleibt, so müssen wir ihn doppelt
hoch schätzen.
Franziska. Ich möchte ja so gerne glauben, daß Sie
es vind.
Ferdinand. Zweifeln Sie daran, Franziska? (Er streckt
ihr die Hand entgegen, die sie zögernd nimmt.)
18. Auftritt.
Adolf. Betty. Franziska. Ferdinand. Toni (kommt. Sie trägt
einige Bilder in der Hand.)
Wie sie die Gruppe sieht, bleibt sie an der Thüre stehen.
Fransziska (rasch zu ihr). Guten Abend, Toni.
Toni (sehr erregt). Guten Abend.
Betty. Was ist Ihnen denn, Toni, wie sehen Sie
denn aus:
Toni. Es wird schon vorübergehen.
Franziska. Sie haben geweint, Toni.
Adolf. Heut’ sollen keine Thränen mehr fließen. Freuen
Sie sich mit uns, Toni.
Toni (zuckt zusammen).
Adolf. Franzi wird sich mit dem Doctor verloben.
Toni (ohne Bewegung). Ich gratulire. (Kleine Pause).
Adolf. Sie dürfen sich freuen, Toni. Sie sollen es
thun. Seien Sie überzeugt, unser armer Hugo selbst, wenn
er Sie hier unter uns sähe, würde wünschen, daß Sie
unsere Freude theilen.
Ferdinand (hat während der letzten Sätze die Bilder, wie zu¬
fällig zur Hand genommen und sie mit Aufmerksamkeit betrachtet).
(Pause.)
Toni (hat ihn starr angesehen; plötzlich). Wo ist mein Bub’?
(Sie eilt in's Nebenzimmer.)
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Adolf. Ich finde, sie könnte an Eurem Glück etwas
innigeren Antheil nehmen.
Ferdinand (betrachtet die Bilder). Wer ist das?
Betty. Das ist ein altes Bild von Hugo. Gott.
Jahre war er damals.
Adolf. Was für edle Züge!
Ferdinand. Das hier mein' ich... den alten Mann.
Franziska. Das ist Toni's Vater.
Ferdinand. Wissen Sie das bestimmt, Franzi
Sie hat es mir eben dort
Franziska. Ganz gewiß
gezeigt. Auf dem kleinen Tisch am Fenster, wo sie gearbeitet
hat, ist es neben dem Bilde von Hugo gestanden.
Ich habe diesen alten Mann
Ferdinand. Sonderbar.
gekannt (Weber jetzt erinnere ich mich auch den
Namen.
Adolf. Ist's möglich?
Betty. Woher?
Toni (herein). Gnädige Frau, ich weiß nicht, was dem
Kind ist. Es kommt mir verändert vor. Herr Doctor, bitte
wollen Sie
Ferdinand. Ich habe Ihren Vater gekannt, Fräulein
Toni.
Toni. Sie?
Ferdinand. Allerdings zu einer Zeit, wo Sie ihn
offenbar nicht mehr gekannt haben.
Toni (fährt zusammen).
Ferdinand. Ich bin durch eine Zeit lang oft bei ihm
gewesen.
Toni. Sie waren bei ihm?
Ferdinand. Ich bin sein Arzt gewesen, während seiner
letzten Krankheit.
Toni. Ah
Betty. Wirklich!
Fäden des Schicksals
Adolf. Wie seltsam sich oft die
verschlingen.
Ferdinand. Jetzt, da ich dieses Bild sehe, wird mir
vieles wieder gegenwärtig.
Toni. Es ist lang her
Ferdinand. Jawohl, es müssen drei Jahre sein; ich
war noch Assistent.
Als Manuscript gedruckt.