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Toni. Hat er damals von mir gesprochen?
Ferdinand. Er?... Niemals
Toni. Nun ja, selbstverständlich.
Ferdinand. Sein Bild bewahren Sie auf, aber den
alten Mann haben Sie allein sterben lassen!
Adolf. Was ist das? Sie haben Ihren Vater
allein
Toni. Es war nicht meine Schuld, daß es so hat
kommen müssen.
Ferdinand. Wahrhaftig!
Toni. Wissen Sie, wie oft ich vor seiner Thür ge¬
standen bin, und er hat mich nicht hereingelassen?
Ferdinand. Das wäre allerdings bequem, wenn die
Thüren gleich wieder aufspringen wollten, die sich vor Töchtern
Ihrer Art geschlossen haben!
Adolf. Das ist einem Vater wahrhaftig nicht zu ver¬
denken!
Toni. Hören Sie mich doch an
Ferdinand. An mancherlei erinnere ich mich jetzt. Es
waren ein paar alte Leute bei Ihrem Vater, Verwandte glaube
ich — die haben ihn gepflegt
Adolf. Das wäre Ihre Pflicht gewesen, Toni.
Ferdinand. Und die waren es, die mir von
seiner Tochter erzählt haben, von der Schande, die er mit ihr
erlebt, von dem Gram, den er um ihretwillen erlitten, und
Gemüthsbewegungen dieser Art pflegen das Leben von alten
Leuten nicht zu verlängern.
Betty. So lassen wir doch jetzt diese Dinge.
Adolf. Von all' dem haben wir bis heute nichts er¬
fahren.
Toni. Man hat mich ja nicht gefragt. Ich will
Ihnen ja alles sagen.
Ferdinand. Freilich ist's lustiger mit einem Liebhaber
zu leben, als am Krankenlager seines Vaters zu wachen!
Die Jugend genießen, nennt man das wohl — und lächelt
mild, wenn man es sagt. — Aber gar so leicht ist das doch
nicht zu nehmen, wie man es selbst hier gerne thäte
so lang es noch Väter giebt, die an solchen Kindern zu Grunde
gehen.
Franziska. So sprechen Sie doch, Toni.
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Toni. Es ist nicht wahr, daß er daran gestorben ist
es ist nicht wahr, daß ich ihn allein gelassen hab' — nur
auf mich ist es angekommen, daß er mich wieder zu sich ge¬
nommen hätte — trotz allem!
Betty. Was sagen Sie?
Toni. Er hat ja garnichts anderes verlangt, als daß
ich wieder bei ihm wohne.
Adolf. Warum haben Sie's nicht gethan?
Betty.
Nun
Franziska.
hätt' ich zu fremden Leuten
Toni. Aber das Kind
geben sollen!
Franziska. Oh Gott!
Ferdinand. Der Wunsch war natürlich. Sie hätten
ihn erfüllen müssen.
Adolf. So was kommt alle Tage vor.
Betty. Nein!
Toni. Nicht um die ganze Welt hätte ich das gethan!
Und glauben Sie, der Hugo hätte es je zugegeben
Ferdinand. Wenn Sie ihn sehr gebeten hätten, wäre
es vielleicht doch zu erreichen gewesen. Es ist schon vorge¬
kommen, daß man solche Kinder in Pflege gegeben hat.
Toni. Was verstehen Sie denn von dem allen? Wenn
man irgend einem Wesen auf der Welt was schuldig ist, so
ist es doch das eigene Kind.] Und dann war's ja erst aus
mit dem Vater. Wie er gesehen hat, es ist alles umsonst,
und ich geb' meinen Buben nicht fort, — da hat er mich
nimmer hereingelassen und hat mich von der Thür davon-
geschickt... so oft, bis ich's endlich aufgegeben hab’.
Franziska. Was müssen Sie gelitten haben
Toni. Freilich hab' ich gelitten. Aber warum hat
denn der Vater nichts mehr von mir wissen wollen? Wär
ich weniger schlecht gewesen, wenn ich mein Kind zu fremden
Leuten gegeben hätte und wenn die Leute im Haus nichts
davon erfahren hätten, und wenn ich dem Vater wieder die
Wirthschaft geführt hätte — wie früher; wär' ich da 'was
andres gewesen als so?
Ferdinand. Das allerdings nicht; — aber eine Pflicht
hätten Sie erfüllt!
Als Manuscript gedruckt.
Das Vermächtnis.
Toni. Hat er damals von mir gesprochen?
Ferdinand. Er?... Niemals
Toni. Nun ja, selbstverständlich.
Ferdinand. Sein Bild bewahren Sie auf, aber den
alten Mann haben Sie allein sterben lassen!
Adolf. Was ist das? Sie haben Ihren Vater
allein
Toni. Es war nicht meine Schuld, daß es so hat
kommen müssen.
Ferdinand. Wahrhaftig!
Toni. Wissen Sie, wie oft ich vor seiner Thür ge¬
standen bin, und er hat mich nicht hereingelassen?
Ferdinand. Das wäre allerdings bequem, wenn die
Thüren gleich wieder aufspringen wollten, die sich vor Töchtern
Ihrer Art geschlossen haben!
Adolf. Das ist einem Vater wahrhaftig nicht zu ver¬
denken!
Toni. Hören Sie mich doch an
Ferdinand. An mancherlei erinnere ich mich jetzt. Es
waren ein paar alte Leute bei Ihrem Vater, Verwandte glaube
ich — die haben ihn gepflegt
Adolf. Das wäre Ihre Pflicht gewesen, Toni.
Ferdinand. Und die waren es, die mir von
seiner Tochter erzählt haben, von der Schande, die er mit ihr
erlebt, von dem Gram, den er um ihretwillen erlitten, und
Gemüthsbewegungen dieser Art pflegen das Leben von alten
Leuten nicht zu verlängern.
Betty. So lassen wir doch jetzt diese Dinge.
Adolf. Von all' dem haben wir bis heute nichts er¬
fahren.
Toni. Man hat mich ja nicht gefragt. Ich will
Ihnen ja alles sagen.
Ferdinand. Freilich ist's lustiger mit einem Liebhaber
zu leben, als am Krankenlager seines Vaters zu wachen!
Die Jugend genießen, nennt man das wohl — und lächelt
mild, wenn man es sagt. — Aber gar so leicht ist das doch
nicht zu nehmen, wie man es selbst hier gerne thäte
so lang es noch Väter giebt, die an solchen Kindern zu Grunde
gehen.
Franziska. So sprechen Sie doch, Toni.
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Toni. Es ist nicht wahr, daß er daran gestorben ist
es ist nicht wahr, daß ich ihn allein gelassen hab' — nur
auf mich ist es angekommen, daß er mich wieder zu sich ge¬
nommen hätte — trotz allem!
Betty. Was sagen Sie?
Toni. Er hat ja garnichts anderes verlangt, als daß
ich wieder bei ihm wohne.
Adolf. Warum haben Sie's nicht gethan?
Betty.
Nun
Franziska.
hätt' ich zu fremden Leuten
Toni. Aber das Kind
geben sollen!
Franziska. Oh Gott!
Ferdinand. Der Wunsch war natürlich. Sie hätten
ihn erfüllen müssen.
Adolf. So was kommt alle Tage vor.
Betty. Nein!
Toni. Nicht um die ganze Welt hätte ich das gethan!
Und glauben Sie, der Hugo hätte es je zugegeben
Ferdinand. Wenn Sie ihn sehr gebeten hätten, wäre
es vielleicht doch zu erreichen gewesen. Es ist schon vorge¬
kommen, daß man solche Kinder in Pflege gegeben hat.
Toni. Was verstehen Sie denn von dem allen? Wenn
man irgend einem Wesen auf der Welt was schuldig ist, so
ist es doch das eigene Kind.] Und dann war's ja erst aus
mit dem Vater. Wie er gesehen hat, es ist alles umsonst,
und ich geb' meinen Buben nicht fort, — da hat er mich
nimmer hereingelassen und hat mich von der Thür davon-
geschickt... so oft, bis ich's endlich aufgegeben hab’.
Franziska. Was müssen Sie gelitten haben
Toni. Freilich hab' ich gelitten. Aber warum hat
denn der Vater nichts mehr von mir wissen wollen? Wär
ich weniger schlecht gewesen, wenn ich mein Kind zu fremden
Leuten gegeben hätte und wenn die Leute im Haus nichts
davon erfahren hätten, und wenn ich dem Vater wieder die
Wirthschaft geführt hätte — wie früher; wär' ich da 'was
andres gewesen als so?
Ferdinand. Das allerdings nicht; — aber eine Pflicht
hätten Sie erfüllt!
Als Manuscript gedruckt.
Das Vermächtnis.