A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 126

Betty. Emma!
Adolf. Komm, Betty, oder hast Du vielleicht Lust, sie
zu bitten?
11. Auftritt.
Adolf. Betty. Emma. Ferdinand. Agnes (tritt ein).
Agnes. Guten Abend
Adolf. Du, liebes Kind, wirst uns immer willkommen
Adieu. — Komm, Betty! (Adolf und Betty ab.)
sein.
Agnes. Was soll denn das bedeuten?
Emma. Mein liebes Kind, Toni verläßt dieses Haus
und wird bei uns leben.
Agnes (zuckt zusammen). So.
Ferdinand (auf einen fragenden Blick Agnes"). So will es
Ihre Frau Mama.
Agnes. Warum sagte Onkel Adolf, ich wäre ihm auch
weiterhin willkommen:
Ferdinand. Weil wir alle das Haus Ihrer Frau
Mama keineswegs mehr betreten werden.
Agnes (sieht ängstlich hin und her).
Emma. Du siehst, Agnes, daß auch von Dir ein ge¬
wisser Grad von Opfermuth gefordert wird. — Es ist nicht
immer ganz leicht, das Rechte zu thun.
Agnes. Du bist ja so gut, aber was soll sie denn bei
uns thun?
Emma. Ein Heim soll sie haben.
Agnes. Für lange?
Emma. Für immer möglicherweise. Du wirst doch
nicht mehr lange bei mir bleiben.
Agnes. O ja, Mama, ich werde immer bei Dir bleiben.
Du glaubst doch nicht, daß ich heirathen werde?
Emma. Du Kind!
Agnes. Nein, Mama, ich werde immer bei Dir sein!
Und wir waren ja so lange allein, Du und ich, nicht wahr
Mama, und es w.r so schön, und jetzt soll eine Fremde bei
uns leben?
Emma. Fremd nennst Du sie heut'? Es ist noch nicht
lang, daß Du sie Deine Freundin genannt hast.
Agnes. Das ist vorbei.
Emma. Warum
Agnes. Ja, weißt Du, Mama, so lang ich sie immer
mit dem süßen kleinen Buben zusammen gesehen hab', da ist
mir ganz anders vorgekommen als jetzt — ich verstehe
selber nicht, wie das war; aber jetzt ist das alles vorbei.
finde nicht mehr hin zu ihr, Mama, sie ist nicht, mehr die
Emma. Ja, was hat sich denn geändert? Ich begreife
sie war...
Dich nicht, mein Kind
Agnes. Ich muß jetzt an so vieles denken, was mir früher
nicht eingefallen ist, an alles, was sie gethan...
Emma. Agnes, Agnes! Kannst Du wissen, was aus
Dir geworden wäre, wenn Du mich nicht gehabt hättest?
Agnes. Ich bin Dir ja so dankbar, Mama, und ich
will auch wirklich nicht stolz sein; — ich verachte sie ja nicht
aber ich kann nicht, Mama, ick kann, nicht mit ihr zu
sammen leben unter einem Dache — bei Dir... Du, ich
und sie —— nein
Ferdinand. Es giebt doch Grenzen, gnädige Frau.
Emma (nach einer Pause). So gehen wir, mein Kind.
Agnes. Ich bitt' Dich, Mama, sei nicht bös. Ich will
sie ja gern von Zeit zu Zeit sehen.
Emma. Das verlang ich nicht von Dir.
Agnes. Wir wollen auch so viel für sie thun, als
möglich ist. Aber, liebe Mama, nimm sie nicht ins Haus!
Nimm sie nicht ins Haus!
Emma. Ich bin Dir nicht bös. Gegen Deinen Willen
kann ich sie nicht zu mir nehmen. — (Wartet auf eine Antwort.)
Sage, Du willst nicht.
Agnes (nimmt die Hand ihrer Mama, küßt sie). Ich kann nicht.
Mich schaudert vor ihr
Emma (hart). Komm, Agnes.
Agnes. Mama — ich will Dich auch so lieb haben
wie
Emma. Komm, es ist gut.
Als Manuscript gedruckt.
Das Vermächtnis.