A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 128

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13. Auftritt.
Toni. Ferdinand. Betty. Adolf.
Toni (will auf sie zu, bleibt vor ihren verlegenen Mienen betroffen
stehen)
Ferdinand (prüft mit raschem Blick alle Anwesenden). Ich habe
Ihren Wunsch erfüllt. Das Fräulein weiß Alles
Toni (will reden; kann nicht).
Adolf. Ja, Toni, das Schicksal scheint es zu wollen,
daß die Zukunft wieder frei vor Ihnen liegt — nun, wir
wollen uns nicht dagegen auflehnen. Sie werden außerhalb
dieser Mauern rascher vergessen; als es Ihnen hier möglich wäre.
Betty. Und Sie werden immer die besten Freunde an
uns haben.
Adolf. So ist es. Der Doctor hat Ihnen wohl mit¬
getheilt, daß für Ihre materiellen Bedürfnisse in ausreichender
Weise,
Toni (will sprechen).
Adolf. Das ist natürlich. Was immer Sie zu unter¬
nehmen gedenken — in der ersten Zeit sind Sie auf sich allein
angewiesen; und wenigstens in dieser Zeit müssen Sie uns
schon den Gefallen erweisen, unsere Hilfe anzunehmen
Toni (will sprechen, ist noch immer fassungslos).
Betty. Ich weiß, Toni, — Sie werdenbrav bleiben.
Adolf. Wer zweifelt daran?
Betty. Sie bleiben selbstverständlich hier, so lange Sie
wollen.
Toni. Ich danke... sehr... aber ich habe die Absicht,
schon heute fortzugehen.
Adolf. Ah.. Sie haben wohl mit meiner Schwägerin..
Ferdinand. Der Plan der Frau Winter kommt nicht
zur Ausführung. Fräulein Agnes hat sich dagegen aus¬
gesprochen.
Betty. Ja, warum wollen Sie denn schon heute fort?
Adolf. Es hat wirklich keine Eile. Nachdem wir uns
im Prinzip über die Sache geeinigt haben, ist nicht das
Geringste dagegen einzuwenden, daß Sie sich noch einige Tage
in der Wohnung hier aufhalten. — Wir aber nehmen schon
heute von Ihnen Abschied, da wir ja morgen abreisen
Betty. Nicht jetzt Toni, heute Abend
Toni. Da es doch einmal entschieden ist, ist es besser,
mich sage Ihnen gleich Adieu
Adolf (weich). Wie Sie wollen, meine liebe Toni. Sie
haben viel Leiden durchgemacht, Toni — ja! Man kann
Sie haben
sagen wenn Sie einmal gefehlt haben,
Alles gefühnt! — Möge dieses Bewußtsein Ihnen für Ihren
weiteren Weg Kraft verleihen!.. Woher wir sie nehmen
sollen — die wir uns keiner Schuld bewußt sind, weiß ich
Toni. Ich danke... (küßt Betty die Hand) für Alles. Ich
freilich nicht.
hätte Franzi gerne noch gesehen — aber
Betty. Oas werden Sie noch. Sobald sie kommt, schicke
ich sie zu Ihnen auf's Zimmer.
Toni. Ich Ich... Adieu — (Sie geht in ihr Zimmer.)
14. Auftritt.
Adolf. Betty. Ferdinand.
Betty (will ihr nach einer kleinen Pause nach).
Adolf (hält sie zurück). — Lieber Doctor, ich kann es nicht
leugnen, — der Abschied hat mich doch ein wenig bewegt.
Betty. Es ist zu traurig.
Ferdinand. Das dauert nicht lange, verlassen Sie sich
darauf. In ein paar Tagen werden Sie aufathmen — ja
auch Sie, gnädige Frau! — Sie werden fühlen, daß die Luft
in diesem Hause sozusagen wieder rein geworden ist.
15. Auftritt.
Adolf. Ferdinand. Betty. Franziska (kommt).
Franziska. Guten Abend.
Ferdinand (auf sie zu, küßt ihr die Hand, was Franziska offenbar
unangenehm berührt). Guten Abend, Franziska
Franziska. Ich hab' alles besorgt, Mama. (Zu Fer-
dinand.) Sie kommen auch, uns Adieu sagen?
Ferdinand. Das hat diesmal glücklicherweise wenig
Bedeutung. Ich darf Sie ja dieses Jahr öfter besuchen als
sonst.
Als Manuscript gedruckt.