Arthur Schnitzler
Stell' ich, persönlich meine Schuld zu zahlen,
Mich in Ferrara ein.
Andrea (peinlich berührt): Doch weiß ich kaum,
Ob Sie mich in Ferrara finden werden?
Casanova: Ich werde. Denn Sie sind von denen nicht,
Die sich an abenteuerlicher Fahrt behagen,
An Schlaf in fremden Betten, Gasthofschmäusen
Und Nachbarschaft von Reise=Ungefähr.
Ihr Ziel heißt Frieden, Ordnung und Gesetz
Wie Heimkehr Ihrer Wandrung letzter Sinn.
Und schon im Geist seh' ich an Ihrem Herd
Mit heitrer Gunst den flücht'gen Gast empfangen,
Der — mit dem Gold natürlich, das er schuldet
Wie letzten Abglanz gern vergeßner Tage,
Ehrbiet'gen Gruß dem edlen Paare bringt.
Andrea: Dem Paar? Wieso? Noch bin ich nicht vermählt.
Casanova: So sind Sie's bald. And preisen dann Ihr Los,
Das schon dem Jüngling eine Gattin schenkte,
Schön wie Anina, klug und tugendhaft.
Ein frühgeschloßnes ist das stärkste Band.
Weh dem, der ewig sucht; wohl dem, dre fand.
Andrea: Ein solcher Spruch aus Casanovas Mund?
Casanova: Bewahren Sie ihn sorglich im Gemüte,
Noch keinem gab ich höhre Weisheit kund.
Andrea: Zu gütig.
Casanova:
Schwacher Dank für Ihre Güte.
Gern legt' ich, eh' zu scheiden mir bestimmt,
Mich Ihrer holden Freundin erst zu Füßen,
So bitt' ich denn, sie schwesterlich zu grüßen.
Ein Bruder ist's, ein Freund, der Abschied nimmt. (Ab.)
Andrea (allein, betrachtet den Brief, verbirgt ihn dann bei sich; zur Türe links, öffnet sie).
Anina (tritt ein).
Andrea — Anina.
Andrea: Es währte lang, doch ging es nicht um dich.
Er lieh sich Gold von mir für seine Flucht,
Für die harmlosen Grund er schlau erfunden,
Und schickt — durch mich — dir einen Abschiedsgruß.
Anina (unmerklich lächelnd):
So nehm' ich diesen denn als letzten mit.
Nun laß für eine Weile mich allein,
Daß ungestört ich mich zur Reise rüste.
Andrea (fragend): Wohin?
Anina: Auch wenn ich's wüßte, steht ein Recht
Zu fragen dir nicht zu. Laß mich allein.
Die Schwestern
Andrea: Anina!
Anina (nach rechts): Nun, so geh' ich, wie ich bin.
Andrea: Und was mir Casanova sonst erzählte,
Bekümmert nicht im mind'sten dich —?
Ich denke
Anina:
(auf den offenen Sekretär deutend)
Du sprachst die Wahrheit — wie der Anblick weist.
Und wär' es etwa doch um mich gegangen
Was kümmert's mich? Neu fängt mein Leben an.
Und keiner ist darin — nicht er, nicht du.
(Etwas heftiger, aber noch immer ruhig)
Laß mich allein, schon zweimal bat ich dich
Bis ich, was mein ist, mir zusammenfinde.
(Beim Schrank, hat ihn geöffnet, beginnt Wäsche= und Kleidungsstücke herauszunehmen.)
Andrea (betrachtet sie, wie sie beginnt, ihre Sachen in den Koffer zu packen; nach einem Zögern,
mit dem Brief, den er ihr hinwirft):
Nimmst du, was dein, mit dir, — so nimm auch dies.
Anina (mit großem Blick, höhnisch, bitter):
Dafür das Gold — ein Handel? — Schmach und Torheit!
(Mit sinkender Stimme)
Nun frag' ich' wo die Torheit, wo die Schmach!
Andrea: Nicht da, nicht dort. Freiwillig gab er ihn.
Anina: Wie du dein Gold. Ein Handel bleibt es immer.
Wie kommst du zu dem Brief?
Was kümmert's dich?
Andrea (spöttisch):
Neu fängt dein Leben an.
Du brachst dein Wort.
Anina:
Andrea: Hab' ich geschworen, daß ich nicht ihn frage,
Warum er Golds bedarf, warum er flieht?
Von dir war nicht die Rede.
Und mein Brief?
Anina:
Andrea: Dein Brief? Du weißt's und ich, er aber nicht.
Er glaubt, Flaminia war es, die ihn schrieb.
Anina (steht starr).
Andrea: Denn sie, so glaubt er, war es, die sein harrend
Wie's zwischen ihnen abgeredet war -
Ins Dunkel leuchtend nachts am Fenster stand; —
Und glaubt, daß sie die Seine war heut nacht.
Anina: Und glaubt auch diesen Brief von ihr? Warum
Hätt' ihm Flaminia solchen Brief geschrieben?
Andrea: Ihn vor des Gatten Rache zu bewahren.
Anina: And weiter —?
Weiter nichts. Du wirst verstehen,
Andrea:
Daß ich es unterließ, ihn aufzuklären.
3 Deutsche Rundschau. XI.VI, 1.
Stell' ich, persönlich meine Schuld zu zahlen,
Mich in Ferrara ein.
Andrea (peinlich berührt): Doch weiß ich kaum,
Ob Sie mich in Ferrara finden werden?
Casanova: Ich werde. Denn Sie sind von denen nicht,
Die sich an abenteuerlicher Fahrt behagen,
An Schlaf in fremden Betten, Gasthofschmäusen
Und Nachbarschaft von Reise=Ungefähr.
Ihr Ziel heißt Frieden, Ordnung und Gesetz
Wie Heimkehr Ihrer Wandrung letzter Sinn.
Und schon im Geist seh' ich an Ihrem Herd
Mit heitrer Gunst den flücht'gen Gast empfangen,
Der — mit dem Gold natürlich, das er schuldet
Wie letzten Abglanz gern vergeßner Tage,
Ehrbiet'gen Gruß dem edlen Paare bringt.
Andrea: Dem Paar? Wieso? Noch bin ich nicht vermählt.
Casanova: So sind Sie's bald. And preisen dann Ihr Los,
Das schon dem Jüngling eine Gattin schenkte,
Schön wie Anina, klug und tugendhaft.
Ein frühgeschloßnes ist das stärkste Band.
Weh dem, der ewig sucht; wohl dem, dre fand.
Andrea: Ein solcher Spruch aus Casanovas Mund?
Casanova: Bewahren Sie ihn sorglich im Gemüte,
Noch keinem gab ich höhre Weisheit kund.
Andrea: Zu gütig.
Casanova:
Schwacher Dank für Ihre Güte.
Gern legt' ich, eh' zu scheiden mir bestimmt,
Mich Ihrer holden Freundin erst zu Füßen,
So bitt' ich denn, sie schwesterlich zu grüßen.
Ein Bruder ist's, ein Freund, der Abschied nimmt. (Ab.)
Andrea (allein, betrachtet den Brief, verbirgt ihn dann bei sich; zur Türe links, öffnet sie).
Anina (tritt ein).
Andrea — Anina.
Andrea: Es währte lang, doch ging es nicht um dich.
Er lieh sich Gold von mir für seine Flucht,
Für die harmlosen Grund er schlau erfunden,
Und schickt — durch mich — dir einen Abschiedsgruß.
Anina (unmerklich lächelnd):
So nehm' ich diesen denn als letzten mit.
Nun laß für eine Weile mich allein,
Daß ungestört ich mich zur Reise rüste.
Andrea (fragend): Wohin?
Anina: Auch wenn ich's wüßte, steht ein Recht
Zu fragen dir nicht zu. Laß mich allein.
Die Schwestern
Andrea: Anina!
Anina (nach rechts): Nun, so geh' ich, wie ich bin.
Andrea: Und was mir Casanova sonst erzählte,
Bekümmert nicht im mind'sten dich —?
Ich denke
Anina:
(auf den offenen Sekretär deutend)
Du sprachst die Wahrheit — wie der Anblick weist.
Und wär' es etwa doch um mich gegangen
Was kümmert's mich? Neu fängt mein Leben an.
Und keiner ist darin — nicht er, nicht du.
(Etwas heftiger, aber noch immer ruhig)
Laß mich allein, schon zweimal bat ich dich
Bis ich, was mein ist, mir zusammenfinde.
(Beim Schrank, hat ihn geöffnet, beginnt Wäsche= und Kleidungsstücke herauszunehmen.)
Andrea (betrachtet sie, wie sie beginnt, ihre Sachen in den Koffer zu packen; nach einem Zögern,
mit dem Brief, den er ihr hinwirft):
Nimmst du, was dein, mit dir, — so nimm auch dies.
Anina (mit großem Blick, höhnisch, bitter):
Dafür das Gold — ein Handel? — Schmach und Torheit!
(Mit sinkender Stimme)
Nun frag' ich' wo die Torheit, wo die Schmach!
Andrea: Nicht da, nicht dort. Freiwillig gab er ihn.
Anina: Wie du dein Gold. Ein Handel bleibt es immer.
Wie kommst du zu dem Brief?
Was kümmert's dich?
Andrea (spöttisch):
Neu fängt dein Leben an.
Du brachst dein Wort.
Anina:
Andrea: Hab' ich geschworen, daß ich nicht ihn frage,
Warum er Golds bedarf, warum er flieht?
Von dir war nicht die Rede.
Und mein Brief?
Anina:
Andrea: Dein Brief? Du weißt's und ich, er aber nicht.
Er glaubt, Flaminia war es, die ihn schrieb.
Anina (steht starr).
Andrea: Denn sie, so glaubt er, war es, die sein harrend
Wie's zwischen ihnen abgeredet war -
Ins Dunkel leuchtend nachts am Fenster stand; —
Und glaubt, daß sie die Seine war heut nacht.
Anina: Und glaubt auch diesen Brief von ihr? Warum
Hätt' ihm Flaminia solchen Brief geschrieben?
Andrea: Ihn vor des Gatten Rache zu bewahren.
Anina: And weiter —?
Weiter nichts. Du wirst verstehen,
Andrea:
Daß ich es unterließ, ihn aufzuklären.
3 Deutsche Rundschau. XI.VI, 1.