A220: Über die Physiologie des Schaffens, Seite 3

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Nr. 24166
Wien, Freitag
Neue Freie Presse
25. Dezember 1931
Anastasia Karlowna. Es handelt sich um zwei
Iwan Matwejitsch. Keiner von uns kann auf kade nennen. Nun, ich wollte erzählen, kaum ist es zu
blutjunge Menschen, beide aus der ersten Moskauer Gesell
glauben, wie da ein junger Offizier, der Stadthauptmann
der Bärenhaut liegen, Olga Petrowna. Mit Verlaub.
schaft.
hatte doch, um den Aufstand zu ersticken, die siebenten
Olga Petrowna. Treten Sie ruhig näher. Was
Olga Petrowna. Ich habe Fürsten und Prinzen
Tragoner aus der Pawlowsk=Kaserne aus die Morskaja be-
wir zu verhandeln haben, können wir hier verhandeln. Führ
beherbergt, Herzoginnen und Frauen von Staatsräten.
ordert, wie da ein junger Offizier von der Spitze seines Zuges
Sie etwas Besonderes zu mir?
Anastasia Karlowna (plötzlich geschwätzig, um
zu den Rebellen überging. Schwenkt ein weißes Tuch in der
Iwan Matwejitsch. Die Pflicht, Olga Petrowna
zu kaschieren, daß sie eine fast vollkommen erfundene Ge
Hand und ersteigt diese... also diese Barrikade. Der Oberst
die Pflicht.
schichte erzählt). Die junge Person ist von ihrem Vater ge=
und die andern Herren Offiziere glauben zu träumen...
Olga Petrowna. Die darin besteht, unsereinen zu
zwungen worden, einen siebzigjährigen Greis zu heiraten
wie denn auch... eine so ehrlose Tat von einem der
kujonieren und auszupressen.
der einen hohen Posten bei der Regierung bekleidet. Am
ihrigen... geht während der Schlacht zum Feind über...
Iwan Matwejitsch. Ungerecht sind Sie, Aller¬
Tag der Trauung schoß sich der Mann, der sie liebt und den
lieblichste. Tun Ihren Mund zu Bösem auf. Hat man seine als aber die Rebellen dem Deserteur die Hände entgegen¬
sie liebt, eine Kugel in die Brust. Er verletzte sich schwer
strecken, um ihn in Sicherheit zu bringen, da heißt es
Freunde bei der Polizei, so lebt man im Paradies
konnte aber gerettet werden. Die Sache hätte weniger Staub
Feuer! und eh der Unselige sich decken kann, treffen ihr
Olga Petrowna. Kostspielige Freundschaft. Eine
aufgewirbelt, wenn man nicht auf seinem Tisch einen Ab¬
teure Hypothek auf das Paradies.
zwei Kugeln in die Brust, und er fällt leblos zu Boden...
schiedsbrief an die heimlich Geliebte gefunden hätte. Er ist
Olga Petrowna (hat ihre Beschäftigung unter¬
Iwan Matwejitsch. Hochgeliebte! Was für sünd=
Offizier, so waren die Folgen für ihn schlimm. Die Karriere
hafte Reden! Wozu lästern, ich bitte, wozu lieblose Be
brochen, sinnend). Ein Offizier, sagen Sie, Väterchen? Und
war verscherzt. Der Gatte und der Vater haben sich beim
jung noch dazu
Kommandeur beschwert, man hat seine Versetzung nach einer
Olga Petrowna. Ein Etablissement, wie das
Iwan Matwejitsch. Ein Milchgesicht, Olga
sibirischen Garnison beschlossen. Ende dieser Woche soll er
meine, vorbildlich durch seine Ordnung... Die Herrschaften
Petrowna. Vier-, fünfundzwanzig, nicht mehr
Moskau verlassen. Kaum genesen. Um jeden Preis sollte
die bei mir verkehren, sagen Sie selbst, gibt es da anrüchig
Olga Petrowna. Und haben sie ihn zu Tod
verhindert werden, daß sie einander noch einmal sehen
Charaktere, Unterschlupf für zweifelhafte Existenzen? Und
getroffen?
Darum die Eile. Er würde aber den mißglückten Selbst¬
doch heißt es täglich: Meldescheine vorlegen, immerfor
Iwan Matwejitsch. Das nicht gerade. Sein
mordversuch wiederholen und mit besserem Erfolg, wenn er | Kontrolle, und obendrein ziehen Sie mir jeden Tag noch fün
Schicksal hat ihn der irdischen Suyne ausbewahrt, darf man
nicht Abschied von ihr nehmen könnte. Und sie, sie schreckt
Rubel aus der Tasche, die ich zahlen muß, damit Sie mir
hoffen
vor nichts zurück, auch für sie hat das Leben keinen Wert
nicht, wenn's Ihnen gerade paßt, in die Zimmer einbrecher
Olga Petrowna. Ist er denn nicht gleich fest¬
mehr, wenn sie ihn nicht noch einmal in ihre Arme schließen
und illustre Gäste in Panik versetzen.
genommen worden?
darf. Man muß sie also vor dem Schlimmsten bewahren
Iwan Matwejitsch. Liebenswerte! Mütterchen
Iwan Matwejitsch (schüttelt den Kopf). Jene
Alle beide. Sie können sich die Schwierigkeit denken, ihnen
Olga Petrowna, warum betrüben Sie mich so? Wer bin
Fluchwürdigen nämlich, seine neuen Freunde, haben ihn
zwei Tage zu ermöglichen, zwei armselige Tage, die ihnen
ich? Ein niedriges Werkzeug. Ein Organ. Wäre ich der Zur
eiligst auf ein Marktwägelchen gelegt, den Körper mit
helfen sollen, den Gedanken an eine Trennung auf unab¬
ich würde befehlen: vor allem laßt’mir die herrliche Olga
Gemüse= und Salatblättern zugedeckt und in die Klinik ver¬
sehbare Zeit zu ertragen. Ein richtiges Komplott mußte ein
Petrowna in Frieden.
bracht. Dort hat ihm zur selben Stunde ein Professor die
gefädelt werden. Sie hat eine Freundin in Petersburg, die
Kugeln aus dem Fleisch operiert. Aber schon waren ihm die
Olga Petrowna. Dimka, ein Glas Wotka für da
reist für ein Jahr in die Schweiz wegen ihrer Lunge. Zu der
Väterchen Kommissar
Unfrigen auf der Spur. Sie kommen ins Spital, wollen ihn
fährt sie angeblich. Sie muß ja verschwinden. Und er auch
(Dimka ab. Während des folgenden bringt sie den Wolka, stell
verhaften. Der Professor führt sic an das Bett, worin der
In der Welt können sie sich nicht sehen. Es muß... wenn
das Glas brummig auf den Tisch, öffnet ein Fenster nach dem
Operierte bewußtlos liegt, und sagt zu ihnen: mitnehmen
ich so sagen darf... außerhalb der Welt sein.
andern, läßt die Jalousien herab, zieht die Vorhänge zu und
könnt ihr ihn, aber bevor ihr mit ihm das Haus verlaßt,
Olga Petrowna. Höchst interessant. Immerhin
schlurft sodann in den Alkoven.)
tragt ihr einen Toten, besser, ihr wartet zwei Tage und habt
scheint man Ihnen großes Vertrauen zu schenken, da man
dann eure Beute sicher. Was sollten die Unsrigen tun, sie
Iwan Matwejitsch. Sähe es in der ganzen Stadt
Sie mit einer solchen Mission beauftragt hat.
erklären sich bereit zu warten und treffen ihre Vorkehrungen.
so aus wie bei Ihnen und in Ihrem hochangesehenen Hause,
Anastasia Karlowna (die sich darein ergeben
War aber alles umsonst, als sie am dritten Tag erscheinen
Olga Petrowna, so gäbe es keine überflüssigere Einrichtung
hat, daß die andere sie auszuholen sucht). Der junge Mensch
ist ihr Mann verschwunden. Da hätte man das ganze Spital
ist wie mein eigenes Kind. Ich habe Mutterstelle an ihm
auf der Welt als die Polizei. Da aber doch das Verderben
samt dem Professor abführen müssen; was war zu machen.
die Rebellion, die menschliche Niedertracht vor keiner Tür
vertreten. Ich kenne seine Beharrlichkeit, sein eigensinnige
Wir haben ihn in ein Haus nach dem Park von Sokolnikin
mehr Halt machen, was ist begreiflicher, als daß wir sie
Herz. Ich habe ihnen den Weg zueinander geebnet, um sie
geschafft, hieß es, damit er in gesündere Luft kommt, aber
dem Verderben zu entreißen. Ich fürchte, ich bin in meiner
hinter einer jeden suchen müssen?
wie sie dort nachfragen, ist das Nest abermals leer. Es ist
Olga Petrowna (im Zimmer herumhantierend)
Offenheit zu weit gegangen.
eine mächtige Organisation. Durchtriebene Teufel sind es
Sie sind ein Philosoph. Iwan Matwejitsch, Sie wissen sich
Olga Petrowna (mit einer gewissen lüsternen
aus allem herauszureden.
Wonne). Durchaus nicht. Ich fühle mich geehrt. Sie können
Olga Petrowna. Jedenfalls pfiffiger als ihr. Ist
Iwan Matwejitsch (liebäugelt mit dem Wotka
sich denken, daß sich unter diesem Dach mancherlei Romane
nicht weit her mit euern berühmten Spürnasen
setzt sich breit auf das Sofa, als wolle er sich's für lange Zeit
Iwan Matwejitsch. Aufgeschoben ist nicht auf-
abspielen.
dort bequem machen). Ich sage so, Olga Petrowna: wir sind
Anastasia Karlowna. Ich baue auf Ihre Ver-
gehoben. Mütterchen. Die Obrigkeit läßt ihrer nicht spotten.
allzumal schwache Menschen. Damit wir uns aber in der
Olga Petrowna. Desw schärfer seid ihr hinter den
schwiegenheit.
unschuldigen Leuten her, die ihr nützliches Gewerbe treiben
Schwäche nicht verlieren, hat Gott die Obrigkeit erschaffen
Olga Petrowna. Keine Sorge. Wär' ich nicht
Die Obrigkeit ist für den Untertan, was der Erlöser für de###
Wie nennt er sich denn, der Gottvergessene, der des Kaisers
verschwiegen, wie könnt' ich ein Geschäft wie dieses führen.
Verlassen Sie sich darauf, daß meine Gäste mit exquisitesten
rechtgläubigen Christen ist.
Rock mit Schande bedeckt hat?
Takt behandelt werden.
Olga Petrowna. Ein tiessinniger Gedanke, Iwan
Iwan Matwejitsch. Das will ich Ihnen gern
Matwejitsch, und schön ausgedrückt.
verraten, Olga Petrowna. Habe natürlicherweise den Steck¬
Anastasia Karlowna. In einer halben Stund
also. (Ab.)
Iwan Matwejitsch das Glas gegen das Lich-
brief bei mir. (Zieht das Notizbuch heraus, blättert.) Also
haltend). Sie können mir glauben, sehr geschätzte Spenderin
da: Jewgen Pawlowitsch Nadinsky. Alter fünfundzwanzig
Olga Petrowna, wenn ich mich mit solcher Strenge äußere:
Ein Meter einundsiebzig groß. Haare braun. Augen grau¬
Olga Petrowna (reibt sich die Hände). Das
die verbrecherische Unzucht steigt nunmehr bis in die höchsten
blau. Schädel oval. Gesichtsfarbe blaß. Besondere Kenn¬
kostet Geld. Das wird teuer. (Lacht. Rust in den Gang
Klassen. Also, da haben wir doch neulich den Aufstand auf
zeichen keine
hinaus.) Dimka! (Da niemand kommt, drückt sie auf den
der Morskaja gehabt. Sie haben sicher davon gelesen...
Olga Petrowna. Sonst alles auf dem richtigen
elcktrischen Taster bei der Tür. Schrilles Glockensignal
Platz. Und wer ihn sieht, der schreit. (Stimmen im Flur.)
Olga Petrowna (etwas nervös, lauscht zuweilen
durch das ganze Haus. Lauter.) Dim—ka!
Kommen Sie mit hinunter, Väterchen. Hier werden Gäste
in den Korridor, da die Tür nur angelehnt ist). Ich erinner
Dimka vor der Tür; eine Magd, ältliche, mürrische
mich. Sie sollen es ja ziemlich wild getrieben haben. Vor
erwartet. Alles fertig, Dimka? Dann troll dich. Nach links,
Person, weiße Haube auf dem Kopf). Ja?
Barrikaden hat man gesprochen. Eine ganz neue Ein¬
Väterchen. Die Herrschaften lieben nicht Begegnungen.
Olga Petrowna. Nach dir muß man sich die
(Alle ab. Kurze Pause.)
Seele aus dem Leib schreien.ix. Das Zimmer ist vergeben.
führung...
Iwan Matwejitsch. Genau wie Sie sagen,
Den Ofen heizen, Jalousien herunter, die Betten richten
Mütterchen. Barrikaden. Hab' sie mit meinen eignen Augen
Dimka (deutet hinter sich, auf Iwan Matwejitsch, den
Nadinsky und Lukardis.
gesehen. Solch eine Barrikade, das ist ein Ding... erf
Isprawnik). Väterchen Kommissar wartet schon ewige Zeit
Jemand, der unsichtbar bleibt, hat sie bis an die Tür geführt
reißen sie das Pflaster auf und schichten die Steine über¬
im Bureau. (Zum Ofen, kniet nieder, setzt Späne in Brand.)
Nadinsky im Pelz, mit weichem Hut, dessen Krempe Stirn und
einander, eine gemeingefährliche und hochverräterische
Augen verdeckt. Er geht mühsam zu einem der Fauteuils, in den
Handlung also, dann schleppen sie Balken. Leitern, Körbe
Olga Petrowna. Entschuldigen Sie mich, Iwan
er erschöpft hineinfällt. Lukardis starrt ihn wortlos ersprocken
Säcke herbei, kümmern sich hiebei nicht um die behördlichen
Matwejitsch. heute hab’ ich alle Hände voll zu tun.
an. Dann gleitet ihr Blick furchtsam durch das Zimmer. Auch
Vorschriften, und so steht das auf einmal da, was sie Barri¬
Ein hochgewachsener, ganzengerer Mensch. Quadrat-
Eigensinn mit Augen zu erkennen, an seinem Gesicht, an
schädel, dem das kurzgeschorene, dunkle Haar tief die niedere
„Wenn Sie wirklich fest und unbedingt entschlossen
seinen Bewegungen, an seinem Schritt, an feinem Dasitzen
sind“, sagte ich, und seine Augen riefen: „Fest entschlossen“
Stirn umsäumte. Ein eiserner Kopf. Und das dürre, ab
Jetzt war dieser Eigensinn zu hören aus dem Inhalt wie aus
„wenn Sie nur an die Befreiung der Prinzessin denken und
gezehrte Gesicht eines Fanatoders. dunkle, brennende Augen
dem Klang seiner Worte. Mochten die Leute immer sagen, e
an nichts anderes...“, seine Augen schrien: „An nicht=
ein Mund, dessen dünne Lippen sich fest auseinanderpreßten
sei so eigensinnig wie ein Steinesel oder wieein Büffel
anderes!" „dann sind Sie stärker als alle Wächter der
Das konnte auf den ersten Blick ebenso ein Lamp wie
Möglich, daß er etwas von einem Esel an sich hatte, meinet¬
Prinzessin“, setzte ich ihm abseinander. „Jeder Wächter, von
ein Märtyrer sein.
wegen auch von einem Büffel, aber es gab kaum noch den
Die verwunderte Frage, warum er zu so später Nacht
Professor Pierson angefangen bis zum Torhüter, hat seine
leisesten Zweifel mehr für mich, dieser Mann war weder ein
eigenen Angelegenheiten, seine Wünsche, Sorgen und
stunde komme, erledigte er mit den Worten: „Ich bin ent¬
Lump noch ein Verbrecher, sondern ein Märtyrer.
Freuden, zwischendurch gibt er acht, daß die Prinzessin Luise
lassener Zuchthäusler, kann nicht bei Tag...“ Er schwieg
Unvermittelt stieß er die Worte hervor: „Glauben Sie
nicht entwischt oder nicht entführt wird. Sie alle haben Eifer,
Ganz schlicht hatte er das gesagt in seinem kroatisch
daß ich kann... das Prinzelsin befreien?“ Dabei hatte er | Wachsamkeit, Pflichtgefühl — aber zwischendurch. Nur Sie
ungarisch gebrochenen Teutsch, wie man etwas Selbswerständ¬
Angst in den Augen. Als ich wie unter einem Zwang „Ja
allein denken an nichts anderes, wollen nicht anderess,
liches ausspricht. Ohne Komödie. Ein Unterton der Verbitte
sagte, schlug er die Hände vors Gesicht und schluchzte.
können durch nichts, durch keine Sorge, duch keine Freude
rung klang freilich mit.
Das brach plötzlich in ihm aus. Ein trockenes Schluchzen
von Ihrem Entschluß abgelenkt werden. Sie sind wie ein ab¬
Er fing nicht an, von sich zu erzählen, wich jeder Frage
das seine Schultern, seine Brust, ja seinen ganzen Körper
geschossenes Projektil aus seiner Flugbahn zum Ziel. Sie
die seinen Fall berührte, absichtlich aus. Mit einer zitternden
mit den Zuckungen eines Krampfes schüttelte. Dazu ein
werden Ihr Ziel vermutlich erreichen, denn Sie sind sehr
stockenden Stimme, in der sich ein Sturm von Erregung und
Stöhnen, das nun nicht mehr zurückzudrängen war.
stark! Viel stärker als alle zusammen!"
eine wilde Energie verrieten, begann er: „Das Prinzessin ist
So ziemlich um meine Fassung gebracht, verharrte
nicht wahnsinnig! Ist ganz gesund! Wird ohne allen Grund
Er lachte nicht erfreut, er rührte sich nicht. Saß still und
ich stumm, bis er sich erholte. Tann fragte ich, warum ihn
im Irrenhaus gehalten. Heißt das: Ich bin einziger Grund
grübelnd eine kleine Weile. Dann sprach er unvermittelt von
mein Ja so sehr erschüttert habe
den Demütigungen, die der Prinzessin zugefügt worden
daß sie muß leiden.
Er entgegnete: „Weil Sie der einzige sind, der mich
waren, von der Brutalität, mit der man sich ihrer bemäch¬
Immer und immer wiederholte er diese Sätze in den
nicht auslacht oder warnt.
tigt, von den Qualen, die sie erduldet hatte und jetzt noch
verschiedensten Abwandlungen. Es war dauernd dasselbe
Mit der Raschheit eines Menschen, der gelernt hat, sich
erdulden mußte
was er sagte. Wie ein Monomane.
u beherrschen, fand er seine Sammlung wieder. „Schau'n
Zwei lange Stunden blieb er, wurde in seinen Schilde¬
Sein Ton hatte etwas Bohrendes, enthielt bald ein
S'“, fuhr er fort, „alle Leut’, was ich frag', sagen: Sie sind
flehentliches Bitten, bald ein Drohen, bald einen Anspruch
rungen immer ausführlicher, in seinen Phantasien, die er fui
ja närrisch! Oder sie sagen: Geben S' schon endlich Ruy
vom Irrenhausdasein der Prinzessin machte, immer lebendiger.
der — längst fällig — endlich Erfüllung heischt
mit Prinzessin, und alle werden dann wütend und drohen:
Seine eigene Angelegenheit erwähnte er mit keinem Wort,
Für sich selbst und seine eigene Sache interessierte er
Wollen S' noch einmal in Zuchthaus! Aber Sie sind der
ging über jede Frage mit einer Handbewegung hinweg
sich gar nicht
erste...“ Er überwand die Erschütterung, die ihn wieder
geringschätzig wie über eine Kleinigkeit, die nicht der Rede
Aber ich besinne mich unterdessen, daß Mattachich
packen wollte, und drang mit der Frage in mich: „Warum?
wert sei. Die vier Jahre Zuchthaus waren ja überstanden, die
eigentlich zu sechs Jahren Zuchthaus verdonnert worden war
Warum glauben S', daß ich befreien kann?“
nahm kein Herrgott mehr von ihm ab. Und er verzichtete
besinne mich, daß er nach vier Jahren aufgefordert wurde, ei
Nun befand ich mich innerlich schon mehr auf der Seite
darauf, seine Unschuld noch zu beteuern.
Gnadengesuch einzureichen, daß er sich geweigert hatte, dieser
der Zweifler und Werner; hätte jedoch mein Ja um keinen
Als er fortging, war ich von seiner Unschuld durch¬
Aufforderung zu folgen, und daß er trotzdem, ohne darum
Preis widerrufen.
drungen. An diesem Mann hatten hochgestellte Personen, zu
gebeten zu haben, begnadigt worden war.
Heftige
t, spannungsvoller wiederholte er: „Warum?
Warum?/.
einem Klüngel gesellt, ein Verbrechen verübt. Nicht an ihm
In der Zeit, da ich abwartete, daß Mattachich mich be¬
allein. Dieses Verbrechen dauert an, denn eine geistig gesunde
suchen werde, hatte ich das kleine Büchel gelesen, darin e
Lieber Himmel, warum hatte ich Ja gesagt? Jetzt aber
Frau wird im Irrenhaus gehalten. Ich brachte alles an die
unbeholfen und ohne Pathos oder Sentimentalität sein
gab mir der Anblick seines Gesichtes wieder Mut, diese von
Oeffentlichkeit. Schrieb, nachdem ich alles dargelegt hatte:
Martern im Kerker erzählt, seine Unschuld ebenso wie die
Hoffen erhellten Züge, diese Augen, die; eben vorhin noch
„Dieser Mann ist, ohne anwesend sein zu dürfen ohne Ver¬
geistige Gesundheit Louisens beteuert hatte. Jetzt stand dieser
verzweifelt und erloschen, jetzt bereit schienen, voll Zuversicht
teidiger abgeurteilt und in den Kerker geworfen worden. Die
Diensch in meinem Zimmer. Jetzt war sein monumentaler aufzublitzen.
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einzige Zeugin, die Auskunft geben konnte, wurde nicht ge¬