Mittwoch, 12. März 1884

12/3 Mittwoch.― Abend… Recht anregend plauderte ich mit Charlotte H. ― am vorletzten Sonntag bei Scharfs … ein paar Stunden lang ― und am Freitag drauf gabs Tanz bei H.s; ― sie war wieder meine Partnerin beim Souper ― und war anmutig wie die Möglichkeit. Und sie erzählte mir die naive Geschichte ihres Herzens.― So unschuldig ― in so liebenswürdigem Ton.― Mais ça s’y passe ― ― Es ward so bald vergessen und war wohl nie der Erinnerung werth.― Und ich deutete in wenigen flüchtigen Worten die Historie meiner ersten Liebe an … Am Dinstag wollen wir Theater spielen, hiess es dann. Man entschied sich für die „Tasse Thee“. Ich Henry, Hermance meine Frau ― Charlotte, Ferd. Neumann den Camouflet. Morgen Leseprobe.― Nach dieser samstägigen Leseprobe auf dem Schlesierkränzchen liess ich mich um drei Uhr Morgens der … Toni vorstellen, u. zw. von einem meiner guten Freunde, dem Mediziner Moriz H., ihrem neusten Seladon. Auch Minna war da und dann ging alles Kaffeehaus. Es war recht launig … und „Wesselsky“ komisch. Charlotte P. die auch auf dem Balle war, langweilte mich sehr ― Am Sonntag war bei H.s Probe … und Montag wieder und Dinstag Mittag ― und gestern Abd. wurde das Stück in bestem Humore aufgeführt ― Dann kam das Souper ― und Charlotte war so schön ― und der Champagner so süss ― und nun begann sich abzuspielen was sich tagelang in Worten und Blicken vorbereitet hatte ― abzuspielen allerdings nur andeutungsweise ― wie in verwischten Zügen, aber so verständlich für uns zwei.― Wie ich mir ihr Ideal vorstelle, fragte sie ― Ich redete so herum. Sie platzte nun heraus ― Wenn Sie nur ein paar Jahre älter wären ― ich heiratete Sie auf der Stelle … Und beim Tanz flüsterte sie mir zu: So hab ich noch mit niemandem getanzt wie mit Ihnen … et elle faisait des yeux doux … mais trop doux … Und dann saßen wir zusammen ― … ich könnte auf dem Clavier vielleicht darüber phantasiren, aber diesen gestrigen Abend „schildern“. …Und wie ich mich bei all dem und bei so manch andrer Andeutung der Zuneigung dieses reizenden Mädchens benahm? Weiss selbst nicht ― Ich glaube wohl: verliebt ― aber doch entsetzlich ruhig … und da bin ich wieder ― „und krame meine Seltsamkeiten aus …“. Draußen duftet’s nach Lenz und Liebe ― mir kommt lächerlich vor, was mich mit naivem Gemüt selig machen könnte ― ― und ich fühle mich so allein da mit meinem Herzen, mit dem ich mich,’s ist wohl so, nicht mehr recht verstehe.―

Eine blühende üppige Wiese ― und just dort, wo eine schöne Blume hervorzusprießen scheint ― ist der Boden ganz unerwartet unterwühlt … ein Maulwurf hat die Wurzel abgebissen ― ― voilà mon coeur, voilà ― mes réflexions! ―

1884-03-12