Freitag, 18. April 1884

18/4 Freitag Abend. Eben komm, ich wieder von H.s, wo ich an Charlottens Seite, die seit mehreren Tagen aus Arco wieder hier ist, soupirte. Was sich daraus wohl entspinnen soll? Wird wohl in den Sand verlaufen wie manches andre!

Ich muss mich noch an manches erinnern aus diesen letzten Tagen. An einen der letzten Sonntage z. B., an welchem ich mit Gisela, ihrem Bräutigam, und Szigo sowie Jacques im Prater war. Der Bräutigam oede wie die Möglichkeit; er, langweilig und beschränkt, ohne den geringsten Ausdruck in jeglichem Sinne, sie, die temperamentvolle jugendfrische blühende Braut am Arm; ich an ihrer andern Seite gehend, meine Hand unmerklich in der ihren, die Finger fest ineinander schlingend … Liebesworte einander zuflüsternd. Als wir spät Abend im Café Kugel waren, wo wir vom ersten Stock ins Parterre hinabgingen von wegen eines Billardbrettes, befanden wir uns, Gisela und ich einen Moment lang allein auf der verbindenden Stiege ― In einem langen Kusse vergaßen wir die Welt … und ihren Bräutigam, der bald nachgetrollt kam…

Bald darauf erfuhr ich, daß Else von K. sich wieder in Wien befinde; ― und in diesem Momente besteht zwischen mir und ihr ein so intimes Verhältnis wie nur je zuvor. Sie ist noch immer so hübsch wie früher und so ― gebildet. Auch schwört sie hoch und theuer, daß sie seit ― damals niemanden geliebt … Frag, ich sie drum?―

Am Tage, nachdem ich das Wiedersehn mit Else in traulicher Zweisamkeit … gefeiert, erhielt ich von Rosa einen Brief, in welchem sie sehr viel von großer Liebe und manches von Heiraten spricht. Sie ist in der That charmant und gefiel mir über die Maßen wohl, als ich sie neulich auf ein Stündchen traf, dies hübsche wirklich naive Mädchen.―

… Auch studirt hab’ ich einiges weniges in diesen Osterferien; so Pathologie und interne Medizin; letztere, welche mich ― besonders natürlich Nervenkrankheiten ― intensiver zu interessiren beginnt, ist meine Abendlecture, während ich eigentliche Lecture gar nicht mehr betreibe, auch nicht mehr bis zu meinem Doktorate zu betreiben gedenke. Am Ostersonntag und Montag befand ich mich en fam. in Fiume, am adriat. Meere, resp. in Abbazia, dem neu aufblühenden Curorte. Ich hätte dort wohl recht tiefe Eindrücke empfangen können.

Adolf W. hat bereits seit Wochen im Hause Eißler (Holzbranche) Stellung gefunden, war in Hohenau und befindet sich dz. in Neutitschein.

Von Eugen erhielt ich vor 6 Wochen Brief ― er ist Koch in New York und ― verheiratet!―

Richard T.s Schwester Melanie hat sich mit ihrem Cousin Rudolf Schwarz verlobt.

1884-04-18