14. Der Schleier der Beatrice box 20/4
Dramatische Profile.
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problematischer und verwirrt sich dann im eigenen Tun, so daß der Dichter, der
zuerst Widerspruchsvolles, Rätselhaftes zeigen und auflösen wollte, sich schließlich
an seinen eigenen Gestalten versieht, das erlösende Wort vergißt und selbst wie
sie nur noch Widerspruch und Rätsel wird.
Das erlebt man voll Pein und Unbefriedigung an dem Renaissancedrama
„Der Schleier der Beatrice“, das man nach mehrjähriger Buchexistenz im
„Deutschen Theater“ sah.
„Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?“ könnte man ihm als
Motto geben. Schnitzler reiht eine Serie von Schicksalssituationen auf. Sie
stehen gleichsam thematisch nebeneinander. Beatrice Nardi, das schöne Bürger¬
mädchen von Bologna, schafft sie. Es ist zur klareren Auseinandersetzung gut,
sie nüchtern, knapp nebeneinander zu stellen. So folgen sie sich: Beatrice will
sich dem Dichter Filippo, den sie liebt und der sich nach ihr sehnt, geben. Aber
der schickt sie verletzt und enttäuscht zurück, als sie in seinen Armen ihm un¬
befangen erzählt, sie habe im Traum eine Liebesstunde mit dem Herzog von
Bologna genossen. Zweite Situation: Beatrice läßt sich von ihrem Bruder, der
ihr Temperament und ihr unerklärliches Wesen fürchtet und der sie aus dem
Bereich der kupplerischen Mutter bringen will, zur Ehe mit dem braven Vittorino
bereden. Dritte Situation: Der Herzog kommt, er wird gebannt von Beatrice
und sie sagt auf sein Werben, sie würde ihn nur als Herzogin lieben. Ihn trifft
dies kecke Wort, es ist ohnehin eine Zeit außerhalb gewöhnlicher Norm, der Tod
hängt über allen, ein übermächtiger Feind bedroht die Tore, vielleicht ist's allerletzte
Nacht. Den Herzog berauscht die Vorstellung aufschäumenden, noch einmal in jähem
Zug genossenen Lebens. Er führt Beatrice zum Hochzeitsfest. Vittorino ersticht
sich indes. Vierte Situation: Veatrice entflieht von diesem Fest zu Filippo, ein
Trieb, ihm ihre Liebe zu beweisen, zwingt sie hin. Sie sagt, sie wolle mit ihm
sterben; sie schaudert aber zurück, als er ihr den Giftbecher reicht, und angeekelt,
überdrüssig leert er ihn selbst. Als das Weib dem Tod ins Gesicht sieht, packt
sir ein verzweifelter Lebensdrang. Nur zurück, schreit es in ihr, sie stürzt davon,
vergißt aber ihren Schleier, der nun die letzte Situation ihres Lebens wirkt.
Ter Herzog vermißt ihn und zwingt sie, mit ihm gemeinsam ihn zu holen. Als
er den Raum des Todes betritt und seine Rätsel ahnt, als er die Unheils¬
atmosphäre, die um dieses Weib sich breitet, schauernd fühlt, stürzt der eigene
Bruder, der nichts von allem versteht, der nur dunkel weiß, diese muß sterben,
vor und ersticht Beatrice.
Eine absolut bewußte Kombination widerspruchsvoller Handlungen hat
Schnitzler gesponnen, er selbst betont das in den Versen, die Filippo staunend,
fragend, grübelnd von diesem Frauenwesen spricht:
„von mir
Geht sie nach Hause, läßt von Vittorino
Zur Ehe sich bereden, geht mit ihm
Zur Kirche, trifft 'nen andern auf dem Weg,
Der Herzog ist, und läßt sich mit ihm traun,
Indes der andre stirbt.“
Und wie Schnitzler so die Stationen dieses verstrickten Weges rekapituliert,
versucht er auch am Schlusse dieses Weges etwas wie eine Lösung anzuhängen.
Er legt sie allzuwillkürlich dem Herzog, der im Grunde gar kein Seelendenter,
sondern ein rascher Tatmensch ist, in den Mund:
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Dramatische Profile.
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problematischer und verwirrt sich dann im eigenen Tun, so daß der Dichter, der
zuerst Widerspruchsvolles, Rätselhaftes zeigen und auflösen wollte, sich schließlich
an seinen eigenen Gestalten versieht, das erlösende Wort vergißt und selbst wie
sie nur noch Widerspruch und Rätsel wird.
Das erlebt man voll Pein und Unbefriedigung an dem Renaissancedrama
„Der Schleier der Beatrice“, das man nach mehrjähriger Buchexistenz im
„Deutschen Theater“ sah.
„Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?“ könnte man ihm als
Motto geben. Schnitzler reiht eine Serie von Schicksalssituationen auf. Sie
stehen gleichsam thematisch nebeneinander. Beatrice Nardi, das schöne Bürger¬
mädchen von Bologna, schafft sie. Es ist zur klareren Auseinandersetzung gut,
sie nüchtern, knapp nebeneinander zu stellen. So folgen sie sich: Beatrice will
sich dem Dichter Filippo, den sie liebt und der sich nach ihr sehnt, geben. Aber
der schickt sie verletzt und enttäuscht zurück, als sie in seinen Armen ihm un¬
befangen erzählt, sie habe im Traum eine Liebesstunde mit dem Herzog von
Bologna genossen. Zweite Situation: Beatrice läßt sich von ihrem Bruder, der
ihr Temperament und ihr unerklärliches Wesen fürchtet und der sie aus dem
Bereich der kupplerischen Mutter bringen will, zur Ehe mit dem braven Vittorino
bereden. Dritte Situation: Der Herzog kommt, er wird gebannt von Beatrice
und sie sagt auf sein Werben, sie würde ihn nur als Herzogin lieben. Ihn trifft
dies kecke Wort, es ist ohnehin eine Zeit außerhalb gewöhnlicher Norm, der Tod
hängt über allen, ein übermächtiger Feind bedroht die Tore, vielleicht ist's allerletzte
Nacht. Den Herzog berauscht die Vorstellung aufschäumenden, noch einmal in jähem
Zug genossenen Lebens. Er führt Beatrice zum Hochzeitsfest. Vittorino ersticht
sich indes. Vierte Situation: Veatrice entflieht von diesem Fest zu Filippo, ein
Trieb, ihm ihre Liebe zu beweisen, zwingt sie hin. Sie sagt, sie wolle mit ihm
sterben; sie schaudert aber zurück, als er ihr den Giftbecher reicht, und angeekelt,
überdrüssig leert er ihn selbst. Als das Weib dem Tod ins Gesicht sieht, packt
sir ein verzweifelter Lebensdrang. Nur zurück, schreit es in ihr, sie stürzt davon,
vergißt aber ihren Schleier, der nun die letzte Situation ihres Lebens wirkt.
Ter Herzog vermißt ihn und zwingt sie, mit ihm gemeinsam ihn zu holen. Als
er den Raum des Todes betritt und seine Rätsel ahnt, als er die Unheils¬
atmosphäre, die um dieses Weib sich breitet, schauernd fühlt, stürzt der eigene
Bruder, der nichts von allem versteht, der nur dunkel weiß, diese muß sterben,
vor und ersticht Beatrice.
Eine absolut bewußte Kombination widerspruchsvoller Handlungen hat
Schnitzler gesponnen, er selbst betont das in den Versen, die Filippo staunend,
fragend, grübelnd von diesem Frauenwesen spricht:
„von mir
Geht sie nach Hause, läßt von Vittorino
Zur Ehe sich bereden, geht mit ihm
Zur Kirche, trifft 'nen andern auf dem Weg,
Der Herzog ist, und läßt sich mit ihm traun,
Indes der andre stirbt.“
Und wie Schnitzler so die Stationen dieses verstrickten Weges rekapituliert,
versucht er auch am Schlusse dieses Weges etwas wie eine Lösung anzuhängen.
Er legt sie allzuwillkürlich dem Herzog, der im Grunde gar kein Seelendenter,
sondern ein rascher Tatmensch ist, in den Mund:
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