In
Le
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14: Der Schleier der Beatrice
das erste Mal, daß einem Romanwerk
wird, tief verwundet, emtflieht der
eine so hohe Auszeichnung zu teil wurde
Graf dem Getriebe dieser Welt.
und gleichzeitig ein erneuter Beweis
Aber kein Mensch spottet ungestraft
von der großen Beliebtheit der Ver¬
der wogenden Wellen des unerbittlichen
fasserin in allen Kreisen“, schreibt der
Schicksals. Gabriele strandet als Ge¬
Verleger, List in Leipzig. Dem Kaiser
sellschafterin auf Hohen=Esp am stür¬
mochte das Buch annehmbar scheinen,
mischen Ufer der Ostsee. Natürlich geht
weil es seiner Person und seiner Wasser¬
ihr der wunde Graf aus dem Wege.
politik ganz unmittelbar huldigt, und
Aber wenn die Mutter mahnt: „Ich
es ist ja nach seinen bisherigen Nei¬
werde alt, Guntram Krafft, und mag
gungen kaum zu erwarten, daß er in
nicht mehr allein sein ...“ so kann er,
Sachen der Dichtung künstlerische Werte
denen vorziehen sollte, die er in dy¬
nastischer oder „patriotischer" Tendenz
zu finden glaubt. Trotzdem wär' es ein
Tele 201.
Segen, wenn er nach näherer Kennt¬
nisnahme von diesem Ding die Ge¬
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
nehmigung zur Widmung zurückzöge.
Dee Ausschnitt
JlOs
Unsre Hoffnung in dieser Beziehung
„OBSERVEI Nr. 33
bleibt, daß er es bis jetzt nur mit
einem flüchtigen Blicke betrachtet oder
I österr. behördl conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
daß er nur davon gehört habe. Denn
Wien, I., Concondiaplätz 4.
auch eine Tendenz kann ja gröblich
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
oder vornehm eingekleidet sein. Hier
Stockholm. Kristiania, St. Petersburg.
haben wir ein Werk, strahlend von
„Gesinnung“ wie von Fett und triefend
von „Gemüt“ wie von aufgeweichtem
Kusschni aus: Guotal ache
Zuckerguß, das Werk einer Verfasserin,
die seit Jahren vor der Kritik und
heute gottlob auch im breiteren Pu¬
vom: 20
blikum geradezu als die typische Ver¬
treterin der Schundliteratur gilt.
„Der Schleier der Beatrice“ des Wiener Dichters Arthur
Sie darf sich vom Kaiser unterstützt
Schnitzler wurde am vorigen Sonnabend im Deutschen Theater
nennen! Die elegante Welt um den
zu Berlin zum erstenmal aufgeführt. Man sah, wie recht Herr
Monarchen wird sie nun auch und erst
Schlenther mit seinem Rat an den Dichter hatte, er möge dies
recht unterstützen müssen, soweit sie das
Renaissance=Drama lieber nicht bei Freund Brahm, sondern am
noch nicht getan hat. Darin liegt eine
Königlichen Schauspielhause aufführen lassen. Das Deutsche Theater
Gefahr. Und allein das, allein die
gab das Stück in einer — Schmierendarstellung (abgesehen von wenigem,
Notwendigkeit, eine solche deutliche
wie der Dumont). Es wurde klar (was schon klar war), wie sehr
Grenze zu ziehen, rechtfertigt die aus¬
der realistische Stil die Spielkunst und das Kunstspiel verwüstet hat.
führliche Beachtung eines derart min¬
Wer zehn Jahre lang schlesische Fuhrleute hat spielen müssen, dem
derwertigen Buches an dieser Stelle.
wird es schwer, auf einmal die nervöse Grazie, die bunte Launen¬
E. Kalkschmidt.
haftigkeit des Cinquecento zu geben. Herrn Rittner wurde das
Theater 7U ½4—
sogar sehr schwer; er vermochte nicht glaubhaft zu machen, daß ein
& Berliner Theater.
Bologneser Dichter jener schillernden Zeit bereits den singenden Ton¬
Ueberzärtliche Verfeinerung lebt in
fall eines — Fuhrmann Henschel vorausgeahnt und sich angewöhnt
den besten Gedichten der Wiener von
habe. Herr Rittner legte einen Filippo Loschi hin, der sich — nicht
heute. Sie kennzeichnet auch Arthur
gewaschen hatte. Die Beatrice wurde von Irene Trisech im Stile ,
Schnitzlers „Schleier der Beatrice“
begabter Theaterschülerinnen creiert. Bassermann vollends geriet
eine Tragödie, die zum ersten Male
gegenüber diesen Schnitzlerschen Versen in grenzenlose Hilflosigkeit. 8
Sommerstorff gab einen edlen jungen Grafen mit der vornehmen
Sicherheit einer — Panoptikumfigur. Schnitzler erschien sehr oft
vor dem Vorhang, um sich für das Zischen zu bedanken. Viele e
klatschten auch, aber die meisten — und das war das Schlimme — #
schwiegen.
Wir alle lieben diesen süß und hold verträumten Wiener Dichter t¬
Arthur Schnitzler. Aber wir kannten die Grenzen seiner Begabung,
und es war nicht notwendig, daß er sie selbst uns mit so peinlicher
Deutlichkeit demonstrierte. Deshalb hatte Schlenther um des feinen
und liugen Dichters Schnitzlers willen auch darin Recht, daß er dies
Drama an der Hofburg nicht spielen wollte. In Berlin hat es Freund
Brahm nun doch gegeben.
Ueber diese Beatrice, die nach ihres Schöpfers Absicht dem Erd¬
geist der Renaissance entstammen sollte, möchte ich in der nächsten
Woche ein Weiteres sagen. Das eine schon heute: Schnitzler war
ggegenüber der Dame Beatrice kein Schöpfer, sondern ein — Erschöpfter.
Ferd. Hardekopf.