II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 215

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4.9. Anatol - Zyklus
ständig zu beherrschen schienen und allzu sehr
auch die Liebe. Neue Stimmungen, neue Lie
be. So sind die wechselnden Liebesszenen gleich auf die Souffleuse angewiesen waren. Es ist
zu wünschen, daß solche Fehler bei den späte¬
wechselnden Stimmungen des Dichters zu ver
ren Vorstellungen nicht wiederkehren. Die
stehen. Wie der Dichter in der Stimmung die
Regieführung war gut, in der 2. Szene, einer
Liebe empfindet, wird in den Worten Max
zu Anatol treffend geschildert: „Ein wahrer Wiener Straßenszene, wurde das Straßenbild
durch die verschiedensten Passanten, Radfah¬
Zauberborn, Deine Stimmung; alle, die Dr
rer und zum Schlusse sogar ein Automobil
liebst, tauchen darin unter und bringen Di¬
nun einen sonderbaren Duft von Abenteuern wirksam belebt. — Das Publikum fand an
und Seltsamkeit mit, an dem Du Dich be¬ den reizenden Szenen und geistreichen Wort¬
Gefallen und schien im Laufe des Abends auch
rauscheft.“ Die Liebe kann für den Dichter
in „Stimmung“ zu kommen. Nach den ein¬
nur solange dauern wie die Stimmung, die
zelnen Aktschlüssen brachte das Publikum seine
Illusion anhält. Darum stellt auch Anato
animierte Stimmung in lebhaftem Applaus
nicht „die Frage an das Schicksal", obwohl sie
zum Ausdruck. — Der Direktion ist jeden
ihm freisteht, um nicht die Illusion, die Stim¬
falls für den literarischen Genuß, welcher
mung und damit die Liebe zu zerstören. Aber
die Stimmungsliebe ist nur eine dichterische durch die gestrige Vorstellung geboten wurde,
zu danken und wir würden es aufs wärmste
Illusion. Und Anatol muß die Enttäuschung
begrüßen, wenn die Direktion öfters literari¬
erfahren, daß ihn die Heldin einer solchen
sche Abende dieser Art in sorgfältiger Vorbe¬
stimmungsvollen Liebes-Episode", die ihr
Dr. St.
unvergeßlich scheint, später kaum wieder er¬ reitung bringen würde.
kennt. Unter den Szenen des Stückes, vor
— Aussiger Stadttheater. (Mitteil¬
denen jede mit einer wirksamen Poin¬
ung aus der Theaterkanzlei.)
schließt, ist die letzte, „Am Hochzeitsmorgen", Wie bereits gemeldet, findet heute die erste
sam wirkungsvollsten. Anatol, der nach den
Aufführung der reizenden Operetten-Novität
Polterabende in der Nacht allein auf der Stra¬ „Vielliebchen“ von Ludwig Engländer,
se steht, wird noch einmal von der „Stim
außer Abonnement, statt. — Als erste Nach¬
mung erfaßt, von seinem tollen, süßen Jung
mittagsvorstellung in dieser Saison geht
Telephon 12.50
gesellenleben Abschied zu nehmen. Er genieß
Sonntag nachmittags 4 Uhr die mit großem
die letzte Nacht, da er nachhause kommen kann
Beifalle aufgenommene Planquett'sche Ope¬

ohne gefragt zu werden: „Wo warst Du?
OBSER
rette „Die Glocken von Corneville
Die letzte Nacht der Freiheit und des Aben
in Szene. Eine große Anzahl in Aussig an¬
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitung
teuerns. Die Situationen, die sich ergeben, wesender ehemaliger Absolventen der hiesigen
Ausschnitte und Bibliographie.
als Max am Morgen seinen Freund zur Hoch
Handelsakademie, welche vor Jahren diese An¬
Wien, I., Concordiaplatz 4.
zeit abholt, sind von äußerst tragikomischer
stalt besuchten, werden der Vorstellung bei¬
Vertretungen
Wirkung. — Die Aufführung des Stückes wa
wohnen. — Abends 8 Uhr gelangt die Ope¬
la Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis
verhältnismäßig gut. Die Erfahrungen, die retten=Neuheit „Vielliebchen“ zur Wie¬
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
wir beim ersten Lustspielabende gemacht ha¬ derholung. — Montag, den 9. d. gelangt als
burg, Toronto.
ben, trafen auch diesmal zu: Die Damen
8. Abonnements=Vorstellung (A rot) Beetho¬

nig /
rollen wurden gut gegeben, wogegen die männ¬ vens herrliche Oper „Fidelio" zur Auf¬
der Tagblatt, Re¬
Ausschnitt aus:
lichen Darsteller auch diesmal einiges zu wün¬
führung, deren erste Darstellung einen bedeu¬
11. 1911
schen übrig ließen. Frau Else Ferdinand
tenden Erfolg erzielte.

Vielitz (Gabriele) stellte die kokette verhei¬
Ein Teil des geehrten Publikums läßt sich
ratete Frau, „die wohl lieben kann, aber nicht auch in dieser Spielzeit durch falsche Gerüchte,
den Mut dazu hat", in ausdrucksvoller, vor
daß das Theater ausverkauft sei, vom Besuche
Theater und Kunst.
nehmer Weise dar. Frl. Lili v. Asten (An
desselben abhalten. Es sind meist noch eine
Aussiger Stadttheater. „Anatol, nie) erfreute auch diesmal durch ihr natürli¬ Anzahl guter Plätze zu haben und wird das
ein Spiel in 5 Szenen von Arthur Schnitzler, ches und flottes Spiel als Damevom Ballet
p. t. Publikum höflichst ersucht, sich jeweilig
kannte Schnitzlerische das Auch die anderen Damen, Gwenny Kare
immer an der Kasse (Telefon 50) diesbezüg
gestern als Premiere im Stadttheater zu
(Bianca), Lili Deeren (Ilona) und Lia lich zu erkundigen.
Aufführung gelangte, hat auch hier sein
Landt (Cora) boten in ihren Liebesszenen
— Repertoir des Aussiger Stadttheaters.
Wirkung nicht verfehlt. Einige lose an ein mit Anatol zufriedenstellende Leistungen. Die
Samstag, 7. Oktober: „Viellieb¬
ander gereihte Liebesszenen sind es, die der
Hauptrolle Anatol wurde von Herrn Dr.schen.
Dichter an uns vorbeiziehen läßt, so natürli¬
Franz Ferdinand gegeben. Dieser war
Sonntag, 8. Oktober nachmittags 4 Uhr
und im leichten Plaudertone wiedergegeben
seiner Rolle nicht vollständig gewachsen. Er „Die Glocken von Corneville",
daß man den Eindruck gewinnt, als ob der
verstand es nicht, jene Ueberlegenheit zum abends: „Vielliebchen“.
Dichter selbsterlebtes schildern würde. In der
Ausdrucke zu bringen, die Anatol als Künstler
Montag, 9. Oktober: „Fidelio".
zwischen den Liebesszenen eingestreuten geist von der übrigen Umgebung abhebt und ihn
Dienstag, 10. Oktober: „Die Jung¬
reichen Dialogen zwischen Anatol und Max als Herrn der Situation, als König seiner
frau von Orleans.
sucht der Dichter das Geheimnis der Liebe zu
Stimmungs=Zaubermärchen erscheinen läßt
Mittwoch, 11. Oktober: „Die Huge¬
ergründen. Für ihn löst sich das Räte de
Uebrigens ließ auch sein Spiel den für diese notten.
Frau — in der Stimmung. Stimmung
Rolle notwendigen Wiener Chic vermissen.
Anfang ½8 Uhr abends.
braucht der Dichter, und Liebe zu empfinden
Im übrigen gab sich jedoch Herr Dr. Ferdi¬
Donnerstag, 12. Oktober: „Die Liebe
Das Halbdunkel — die grünrote Ampel¬
nand mit der für ihn als Norddeutschen schwie¬ wacht.
dazu leises Klavierspiel, solche Stimmungs¬ rigen Rolle die denkbar beste Mühe und er¬
Freitag, 13. Oktober: „Viellieb¬
momente zaubern dem Dichter die Illusion zielte auch stellenweise schöne Wirkungen. Herrschen.
rebe vor anderer sich berauscht und
Samstag, 14. Oktober: „Meyers"
Dr. Adolf Schippel bot in der Rolle als
Sonntag, 15. Oktober nachm. „Viel¬
solange die Stimmung dauert
Mar auch diesmal eine ziemlich gute Leist¬
„Der Rastel¬
abends
liebchen“;
beschehen die Liebe ewig aber
ung. Störend wirkte es, daß dieser wie aus
sobald die Stimmung verflogen ist, schwindet Her
Dr. Ferdinand ihre Rollen nicht voll-binder.