II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 437

4.9. A.
box 9/2
Zyklus



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vom 4.


Deutsche Wehr Troppau
Schaubühne und Kunst.
Troppauer Stadttheater.
„Anatol". Einakter=Zyklus von Schnitt¬
Aufgeführt am 31. Mai anläßlich des Kriegsanleihe¬
tages der österreichischen Bühnen. Schnitzler hat sich
mit den etwas frivolen, doch geistreich unterhaltenden
Grisettenstudien, unter dem Gesamttitel „Anatol¬
vereinigt, als junger Dramatiker erfolgreich bewährt.
Sie gehörten nicht nur zu seinen ersten, sondern auch
zu seinen originellsten Arbeiten, denn in seinen spä¬
teren Dramen kehrt er oft auf Motive des „Anatol¬
zurück; das Freundespaar Anatol und Max erkennt
man wieder in seinem, die stärkste Wirkung ausüben¬
den dramatischen Sittenbilde „Liebelei. Leider
blieb der Aufführung dieser feinen, bühnenwirksamen
Einakter auf unserer Bühne der Erfolg versagt. Herr
Werner=Eigen spielte den psychologisch grü¬
belnden Anatol mit seiner charakteristisch langweiligen
Gleichgiltigkeit, ohne auch nur dem bloß äußeren
Rollenstudium die geringste Sorgfalt gewidmet zu ha¬
ben. Man bedauert immer wieder den Mißgriff, der
diesen in einem anderen Rahmen gewiß verwend¬
baren Schauspieler zu Rollen heranzieht, die seinem
Wesen wenig entgegenkommen. Der treue Helfer und
nüchtern erwägende Freund Anatols, Max, wurde
von Herrn Haber in liebenswürdiger Bonvivanten¬
art gegeben. Frl. Jacoby, die sich in der Rolle der
Annie unserem Publikum als Gast vorstellte, ist eine
ungemein sympathische Erscheinung, mit deutlichem
Talent. Sie traf ausgezeichnet den derb=naiven Ton
des Vorstadtmädchens und rettete durch ihr munteres,
ungezwungenes Spiel den Erfolg des „Abschieds¬
soupees". Der lebhafte Beifall — der einzige des
Abends — galt ihrer trefflichen Leistung. Wir wür¬
den uns freuen, Frl. Jacoby bald in einer grö¬
ßeren Partie zu begegnen. Frl. Pistor fügte sich
mit Geschick als temperamentvolle, den ungarischen
Jangon gut beherrschende Ilona in den Rahmen des
etwas grotesken vierten Einakters. Frl. Marbach
war eine zierlich=kokette Cora, Frl. Simon eine
weniger ansprechende Bianka.
12001.19
Danzer's Armee-Zeitung, Wien.
So sieht eine Münchener Zeitschrift — die „Allgemeine Rund¬
schau" — die Wirkung einer gewissen Wiener Literatur
Schnitzlers „Anatol im „Münchener Schauspielhaus neu ein¬
zustudieren entsprach sicherisch nicht einem Bedürfnis. Was haben dieser
Wiener Lebemann und seine lockeren Beziehungen zu allerhand Damen
einer ernsten Zeit zu sagen? Fällt es doch auch dieser Art „Wiener
Literatur“ zur Last, daß wir uns, wie in letzter Zeit politische Schriften
vielfach darlegten, von dem österreichischen Volkscharakter ein
ganz schiefes Bild machten, bis die kriegerischen Großtaten unserer
Tage diese durch einen seichten Feuilletonismus großgezogenen Vorurteile
zerstörten.
nung unter den

4540.
Theater Modern
(Kammerspiele.)
Suurde das Abschiedssouper) von Schnitzler.
atol in zu nuntil (Anatols Hochzeitsmorgen) von
Schnitzler.
Marturisirea (Das Geständnis).
Am Sonnabend eröffnete das „Theater Modern
seine Kammerspiele mit zwei reizvollen Einakter
nere
des Anatolzyklus von Arthur
zierlichen Stücke haben etwas liebenswürdig¬
graziöses. Es ist eine liebenswürdige Spielerei mit
Gedanken und Gefühlen, die eine reife, vielfach
überreife Kultur und eine Eleganz des gesellschaft
lichen Lebens voraussetzt, die nur in Wien auf¬
blühen konnte. Nur in Wien hat sich von der Tra¬
dition des Rokoko her die Kunst der eleganten
Plauderei erhalten. In der Atmosphäre des Salons
wogt der Rausch der getragenen Wiener Walzer,
sentimentale Heiterkeit. lächelnde, schalkhafte
Wehmut, verbunden mit einem eigenen Witz des
Gespräche und einem besonderen Reiz der Aus¬
drucksformen. Das dritte Stück des Abends „Das
Geständnis“ stellt einen dramatischen Stoff in un¬
zulänglicher Weise dar. Man war aber weniger
um der Stücke willen erschienen, sondern um Frau
Voiculescu in zwei denkbar entgegengesetzten
Rollen spielen zu sehen. Im ersten Einakter
Schnitzlers stellt sie eine kleine, durch ihren Lieb¬
reiz bestrickende Artistin vor, die beim Souper
ihrem reichen Liebhaber erklärt, sie nehme Ab¬
schied von ihm, um einem armen Genossen ihrer
leichtfüssigen Kunst zu folgen. Am Auge des Zu¬
schauers fliegen die unerschöpflichen Nüancen der
Lebenslust des Glückskindes vorüber.
Im „Geständnis“ fand sie Töne der Verzweiflung,
des inständigen Flehens, der Reue und Zerknir¬
schung. Daneben darf noch von Fräulein Zimmi¬
can gesagt werden, dass sie im mittleren Einakter
die Probe eines vielversprechenden Talentes e¬
reben hat.
A