Die Absetzung des erfolgreichen
Hauptmann-Dramas »
Rose Bernd« vom Repertoire des
Burgtheaters aus sehr
unliterarischen Gründen erregt die öffentliche Meinung im hohen Maße.
Wir haben die Sache für interessant genug
gehalten, um über den Vorfall die Meinung eines
Wiener
Autors und
eines hervorragenden
Wiener
Juristen einzuholen, welch’ Letzterer über
die rechtliche Seite der Affaire sich geäußert hat.
äußerte sich im Gespräche mit einem unserer Redacteure über das Verbot der Aufführung
der »
Rose Bernd« am
Burgtheater in folgender Weise:
»Wenn man um jeden Preis
Director bleiben will, ist es nothwendig, sich den unterschiedlichen
Winken zu unterwerfen; aber es ist die Frage, ob man nicht auch Director hätte
bleiben und vielleicht seine ›Position‹ hätte festigen können, wenn man es einfach
abgelehnt hätte, ein Stück vom Repertoire abzusetzen, das nicht nur von einem ersten
deutschen Dichter stammt, sondern – was zu Intendantenseelen möglicherweise
eindringlicher spricht – fünf ausverkaufte Häuser erzielt hat.
Zweifellos ist das
Burgtheater ein kaiserliches,
in gewissem Sinne also Privattheater; aber man möchte doch wünschen, daß sich die
Person des Directors in der Führung dieses Theaters auch in positiven Leistungen
zuweilen etwas lebhafter ausdrückt.
Was es mit meinem
›
Kakadu‹ für eine Bewandtniß hat? Ich kann hier nur
Andeutungen
geben. Er wurde
nach siebenmaliger Aufführung abgesetzt,
anfangs nur ›
nicht erlaubt‹ und erst später –
verboten.
Was ich sonst zu sagen habe? Obwohl ich Herrn Director
Schlenther noch eine lange und gesegnete Directionszeit
wünsche, so glaube ich, daß er sich kaum einen schöneren Abgang hätte finden können
als den, als Opfer seiner Treue für
Hauptmann
zu fallen.«
»Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß nach den
allgemeinen rechtlichen Grundsätzen der
Dichter des abgesetzten
Stückes das Recht hätte, gegen die Direction mit einer
Schadenersatzklage vorzugehen. Das Stück ist von der
Direction angenommen worden, wurde aufgeführt und fand seitens des Publicums eine
günstige Aufnahme. Das sind so ziemlich die einzigen Umstände, die für den Juristen
bei der Beurtheilung des Falles vom allgemeinen rechtlichen Standpunkte in Betracht
kommen. Die Direction fügt dem Dichter durch die Absetzung des Stückes einen
materiellen Schaden zu, da ja der Autor seiner Tantièmen
verlustig
| geht. So stellt sich der Fall in allgemein rechtlicher Beleuchtung
dar. Selbstverständlich ließe sich für den
concreten
Thatbestand ein erschöpfendes Gutachten erst nach Prüfung des zwischen Direction und
Autor zustande gekommenen
Vertrages abgeben. Da alle
civilrechtlichen Bestimmungen bekanntlich dispositiver Natur sind, ist es möglich,
daß in den Vertrag eine Bestimmung aufgenommen wird, die der Direction das Recht
gibt, ein Stück
ohne jede Motivirung vom Spielplan
abzusetzen. Ich kenne nicht die diesbezüglichen Gepflogenheiten der Direction
des
Burgtheaters, glaube jedoch, daß im
vorliegenden Falle das rechtliche Verhältniß zwischen Direction und Autor jedenfalls
ein derartiges war, daß der Dichter mit einer Schadenersatzklage
nicht durchdringen könnte. Selbstverständlich ist das
Stück für
Wien vorläufig
Eigenthum des Burgtheaters und darf ohne ausdrückliche Freigabe seitens der Direction an keiner anderen
Wiener Bühne aufgeführt werden.«