Theaterfragen.
Die von
Hugo v. Hofmannsthal einem
Berliner
Interviewer geäußerten
Meinungen über
Berliner und
Wiener Theaterverhältnisse haben in weiteren
Kreisen Interesse erregt. Bei dem Vergleich, den
Hofmannsthal zwischen den beiden deutschen Kaiserstädten zog, ist
Wien ziemlich schlecht weggekommen. Der
Wiener Dramatiker erklärte,
Berlin sei die unbestritten erste deutsche Theaterstadt und
werde es bleiben. Die
Berliner Vorstellungen
seien besser als die
Wiener, das
Berliner Publikum literarischer als das
Wiener, das eigentlich mit seinem Interesse mehr an der
Persönlichkeit beliebter Schauspieler hänge als am Werk des Dichters. Wir haben nun
die Meinungen einiger Theaterleute und Autoren eingeholt, weil es gut ist, wenn über
dieses Thema einmal die Beteiligten sich aussprechen. Im nachstehenden geben wir die
erhaltenen Antworten:
Daß
Berlin heute die Führung im deutschen
Literatur- und Theaterwesen hat, ist – so führt Dr.
Artur Schnitzler aus – außer Frage; aber ebenso unfraglich steht heute noch immer das
Burgtheater als Schauspielbühne, nicht als
literarische Institution, an erster Stelle. Im übrigen weiß man, daß eine ganze Menge
von Talenten, darunter auch diejenigen, denen
Berlin seinen neuesten Bühnenaufschwung dankt, aus
Oesterreich stammt. Also wenn es bei uns schlimmer aussieht
als in
Berlin, sind nicht
die Oesterreicher schuld, sondern
Oesterreich. Mit dem, was hier an künstlerischer Tradition und Talent vorhanden ist, könnte
Wien vielleicht heute noch die erste deutsche
Theaterstadt sein. Warum sie es nicht ist – warum sie sich auch in der nächsten Zeit
wahrscheinlich nicht mehr dazu erheben wird –, diesen Gründen nachzugehen, führte
zu
tief . . . und zu hoch.