Burgtheater [Sandrock als Feodora], 18. 3. 1895

(Burgtheater.) Als dritte Antrittsrolle hat Adele Sandrock die »Feodora« in dem bekannten Sardou’schen Criminal-Nihilisten- Kunststück gespielt. Sie hat als Maria Stuart bewiesen, daß sie auch am Burgtheater sich als Tragödin behaupten wird. Sie hat uns als Rita die ganze bebende Sensitivität einer modernen Darstellerin offenbart. Als Feodora war sie mehr als Tragödin und moderne Schauspielerin, indem sie weniger sein mußte: Sie hat eine Sensationsrolle als echte Künstlerin gespielt. So durfte man das Traurige im Stück für tragisch nehmen. Es kam Leben in die kunstvoll construirte Marionette. Es ist ja auch der Wolter, der Duse, der Sarah Bernhardt gelungen, in der Feodora eine Seele zu entdecken. Man konnte im Voraus wissen, daß es auch der Sandrock nicht mißglücken werde. Sie war stets Meisterin, wo es galt, Athem des Lebens in Schatten zu hauchen. Ihrer Feodora konnte man die Liebe, den Zorn, die Raserei, die Rache glauben. Die Leistung der Sandrock stand beträchtlich, allzu beträchtlich über der Darstellung der anderen Mitwirkenden. Nur Frau Mitterwurzer behauptete sich mit ihrer dankbaren Rolle in der Nähe der Sandrock. Herrn Hartmann hätte man die Rolle des Ivanoff nicht geben sollen. War’s Weinen, als er sein Gesicht hinter Taschentüchern verbarg? War’s Wuth, als er Feodora erdrosseln wollte? Nichts war glaubhaft. Herr Robert, welcher für den erkrankten Devrient den Sirié spielte, hat die Leichtigkeit und Liebenswürdigkeit nicht, welche diese Rolle verlangt. Wie er im ersten Acte als Zeuge aufzutreten hatte, machte er sich bei dem Theile des Publikums, welcher das Stück etwa nicht kannte, sehr verdächtig. Diesem Zeugen stand ein Mord auf der Stirn geschrieben.