Festgrüße an Thomas
Mann.
[…]
Arthur Schnitzler.
Lieber und verehrter
Thomas
Mann!
Erlauben Sie mir, daß ich statt eines Glückwunsches ein paar anspruchslose
Bemerkungen hieher setze, die ich anläßlich der Lektüre
Ihres wundervollen »
Zauberberg« in mein
Notizbuch geschrieben habe und die ich daher in aller Bescheidenheit als Ihnen
gewidmet bezeichnen darf. Im übrigen wissen Sie seit lange, wie sehr ich Sie liebe
und bewundere.
Ihr
Arthur Schnitzler.
Dem Humoristen – und nur ihm unter allen Schriftstellern – ist Weitschweifigkeit
erlaubt; ja, sie ist unter Umständen ein Kunstmittel mehr, dessen er nicht entraten
darf und kann.
Behagen ist die eigentliche Grundbedingung des Humors sowohl in subjektivem als in
objektivem Sinn. Und der Begriff des Behagens verträgt sich nicht mit Beschränkungen
irgendwelcher Art. In gewissem Sinne kann der Humorist niemals ein Ende machen – kaum
einen Anfang. Nur technische Notwendigkeiten nötigen ihn dazu.
Der Humorist lustwandelt innerhalb der Unendlichkeit.
In der Tragik gerät der menschliche Geist, so tief er auch hinabsteigen mag,
irgendeinmal auf Grund – im Humor niemals.
Die tragische Weltanschauung, von den Höhen des Humors aus betrachtet, wirkt in jedem
Falle irgendwie beschränkt, wenn nicht lächerlich oder gar unsinnig.
Dem Humor, dem göttlichen Kind, ist nichts verwehrt; auch nicht mit dem Schmerz, dem
Elend, dem Tod zu spielen. Wenn die Ironie, der Witz, die Satire das Gleiche
versuchen, empfinden wir das als geschmacklos, roh, wenn nicht gar als
Blasphemie.
Ironie, Witz, Satire können nur als gelegentliche Ausdrucksformen des Humors
künstlerisch bestehen. Auf sich selbst gestellt mögen sie allerlei Wirkung tun –
Wirkungen politischer, moralischer,
schriftstellerischer Art, aber mit Kunst in höherem Sinne haben diese Wirkungen
nichts zu schaffen.
Humor ist immer dämonischer Natur; das Reich von Witz, Ironie, Satire, dieser
gefallenen Engel des Geistes, ist innerhalb des Satanischen geschlossen.
Nicht jeder Künstler von Genie – so schrieb ich vor kurzem
Hugo Thimig ins Stammbuch – hat Humor, aber jeder Künstler
von Humor (nicht jeder Spaßmacher) hat Genie. Humor ist der weitere und höhere
Begriff. Er ist das eigentliche Genie des Herzens, da Güte wohl ohne Humor, aber
Humor niemals ohne Güte bestehen kann.