Ein Brief Arthur Schnitzlers an eine Nürnbergerin
Gar mancher, der Schnitzlers »
Anatol« gelesen hat,
wunderte sich über die den 7 modernen Szenen vorausgeschickte
Einleitung von
Loris Hofmannsthal,
die, als reines Rokokostimmungsbild, so wenig zu diesen realistischen Begebenheiten
aus unseren Tagen zu passen scheint. Dies Problem beschäftigte auch vor vielen Jahren
eine jugendliche Verehrerin des Dichters und – ungeniert wie die Jungen nun einmal
sind – setzte sie sich hin und fragte bei
Schnitzler ganz einfach nach den Motiven dieser Zusammenstellung an, die sie
sich trotz allen Grübelns nicht erklären könne. Hier die postwendend eingelaufene,
eigenhändig geschriebene Antwort, die hiemit zum ersten Male veröffentlicht wird:
Verehrtes Fräulein, grübeln Sie nicht weiter. Der Zusammenhang zwischen
dem Einleitungsgedicht von
Loris und den sieben
Szenen des
Anatol ist ein ganz loser, in einer
Stimmung begründeter. Vielleicht könnte man sagen: wenn der
Anatol vor 100 Jahren geschrieben worden wäre sollte man ihn in
den von
Loris gedichteten
Angaben spielen. Aber auch das ist schon zu grob ausgedrückt
und daher kaum wahr. Vielleicht würden Sie auch einen Zusammenhang spüren, wenn Sie
sich einmal in
Schönbrunn, dem Park bei
Wien, auf eine der steinernen Bänke setzten und
beispielsweise »
Agonie« läsen. Aber wenn Sie einmal
auf so einer Bank sitzen werden, haben Sie hoffentlich was Gescheiteres zu tun.
Vielmals grüßend
Arthur Schnitzler.
Beglückt hob die Empfängerin diesen Brief auf; als sie viele Jahre später einmal nach
Wien reiste, da nahm sie den
Anatol mit und las, auf einer steinernen Bank im
Schönbrunner Park sitzend, den ganzen Band durch.
Und obwohl sie keine Dichterin war, spürte sie leise den inneren Zusammenhang
zwischen
Loris’ Kavalieren des
ancien regime
und
Schnitzlers modernem Helden.