Zum 60. Geburtstag Felix Saltens
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Arthur Schnitzler
Mein lieber
Felix Salten!
Am liebsten hätte ich Ihnen zu Ihrem sechzigsten Geburtstag ganz privat und sehr herzlich die Hand
gedrückt; Sie hätten dann ohneweiters gewußt und empfunden, was ich hier
niederzuschreiben vergeblich versuchen werde – und etwas mehr. Denn bei einem solchen
Anlaß und gar vor mehr oder minder fremden Leuten die rechten Worte zu finden, ist
nicht ganz leicht, zumal für Einen, der weder zum Essayisten noch zum Festredner
geboren ist.
Über das, was man gemeiniglich Leistungen zu nennen pflegt, werden Ihnen in diesen
Tagen Berufene nach Verdienst viel Ehrenvolles zu sagen |wissen; mir persönlich
ist jenseits des Außerordentlichen, was Sie als Dichter, Journalist und
Schriftsteller gewirkt haben (dies ist eine alphabetische Reihenfolge und keine
Klassifikation) vor allem das Gesamtbild Ihres Wesens wert und bedeutungsvoll, dessen
Entwicklung seit frühesten Anfängen ich mit Spannung, Sympathie und Teilnahme
nachbarlich mitangesehen und bis zum heutigen als Freund begleitet habe. Einem Manne,
wie Sie, der, erfüllt von der fruchtbarsten Neugier und von der dankbarsten
Empfänglichkeit, angeregt von überallher, anregend in die Nähe und in die Ferne,
Einfühler und Eindenker in bestem Sinn, und dabei eigenwillig und selbständig wie
Wenige, sich so viele Schätzer und Bewunderer erwarb, konnte es natürlich auch nicht
an Widersachern fehlen; – welche Genugtuung muß es für Sie sein, wenn Sie heute an
der Schwelle Ihrer dritten Jugend, in diesem Land der Mißgunst und der Vorbehalte
sich sagen dürfen, daß Ihre reiche, vielfältige und in jedem Augenblick lebendige
Begabung gegen manches nicht immer unabsichtliche Mißverstehen sich von Jahr zu Jahr
in stets höherem Maße durchzusetzen vermocht hat. Sie stehen am Ziele – würde ich
sagen, wenn ich nicht, durch Ihre eigene Schuld verwöhnt, gerade nach den Arbeits-
und Lebensleistungen Ihrer letztvergangenen Jahre ein immer Weiter- und
Höherschreiten mit froher Gewißheit von Ihnen erwartete. Ich will nichts prophezeien,
so wenig diese bescheidenen Worte als |Rückblick gelten dürfen, aber freuen will
ich mich, daß man Ihnen, mein lieber Freund, an diesem festlichen Tage in doppelter
Hinsicht, den Blick sowohl in die Vergangenheit als der Zukunft zugewandt, so vertrauensvoll und so von ganzem
Herzen Glück wünschen kann.
Ihr getreuer
Arthur Schnitzler.