Der Friedensengel, 15. 6. 1891

Der Friedensengel. Schauspiel in einem Aufzuge von Maximilian Singer. (Wien, Jac. Dirnböck.) Ein fünfzigjähriger Professor, seine 26jährige Frau, das fünfjährige Kind dieser beiden, ein zweiunddreißigjähriger Arzt, eine Kindsfrau. Dies die handelnden Personen. Wir übergeben dieses Verzeichniß hiemit den deutschen Dichtern – und es ist zu befürchten, daß neunundneunzig von hundert nahezu dasselbe Stück schreiben werden wie Herr Maximilian Singer. Gewisse Möglichkeiten der Unterscheidung schließen wir freilich nicht aus. Vielleicht wird einer von jenen Dichtern ein besonderes dramatisches Geschick entwickeln, ein anderer wird die Sprache vollendeter beherrschen, ein dritter wird tiefer ins Psychologische einzugehen versuchen – und einem vierten wird am Ende gar in irgend einem Augenblicke der Arbeit ein neuer Gedanke oder ein alter in neuer Form einfallen. Wir, die gerade über den Einakter M. Singers zu berichten haben, bedauern lebhaft, daß wir in diesem von allen den genannten Vorzügen auch nicht einen zu entdecken vermochten. Das Schauspiel ist, wie auf dem Titel bemerkt steht, den Bühnen gegenüber Manuscript. Die Bühnen werden sich das nicht zweimal sagen lassen!
A Sch.