Der Fall Sandrock, 3. 4. 1894

Der Fall Sandrock.
Die Direction des Deutschen Volkstheaters sendet uns neuerlich eine Berichtigung, der wir, im Sinne des Preßgesetzes, Aufnahme gewähren müssen. Diese Berichtigung lautet: »Löbliche Redaction! Die Direction des Deutschen Volkstheaters ist neuerlich genöthigt, Sie infolge der in Ihrer Zeitschrift vom 31. März 1894 Nr. 155, unter der Rubrik: ›Theater und Kunst‹, ›Hinter den Coulissen‹ angeführten Behauptungen unter Hinweis auf § 19 Preßgesetz um nachstehende Berichtigung zu ersuchen:

 

Es ist unwahr, daß die Direction Fräulein Sandrock los werden möchte. Es ist unwahr, daß Herr Kadelburg nur der vorgeschobene Posten war. Es ist unwahr, daß Fräulein Sandrock seit geraumer Zeit systematisch chikanirt wird.
Es ist unwahr, daß ›von Oben‹ die Parole ausgegeben wird.
Es ist unwahr, daß man Fräulein Sandrock überhaupt oder in der kleinlichsten Weise insultiren lasse. Hochachtungsvoll noe Emerich v. Bukovics:

 

Die Direction des Deutschen Volkstheaters scheint guter Laune zu sein und mißbraucht die Bestimmungen des Preßgesetzes zu kindlichen Scherzen. Sie spricht von Unwahrheiten und ist in ihren Berichtigungen unwahr. In der vorgestrigen Stilübung des Deutschen Volkstheaters wurde zum Beispiel Arthur Schnitzler’s »Märchen« als eines der Stücke angeführt, deren Hauptrolle für Fräulein Sandrock geschrieben wurde. Dieses Phantasiegebilde der Direction wird widerlegt durch die nachfolgende Zuschrift:

 

Wien, 1. April 1894.
Sehr gehrter Herr Redacteur!
Auf die in der Zuschrift des Dr. Heinrich Löwy enthaltene Bemerkung, daß Fräulein Sandrock in mehreren Stücken beschäftigt war, deren weibliche Hauptrollen von den Autoren speciell für Fräulein Sandrock geschrieben wurden, so im »Märchen« von Schnitzler etc., erlaube ich mir Folgendes zu erwidern.
Das »Märchen« ist im December 1891 vom Berliner Lessing-Theater angenommen und erst im Sommer 1893, also um etwa ein und einhalb Jahre später, dem Deutschen Volkstheater überreicht worden, was der löblichen Direction sehr gut bekannt sein mußte, da ich Herrn v. Bukovics gegenüber ausdrücklich davon Erwähnung machte, und dieser den für mich sehr schmeichelhaften Wunsch aussprach, das Stück vor dem Lessing-Theater zur Aufführung zu bringen. So glücklich ich nun auch in dem gegebenen Falle war, daß die Hauptrolle von einer so ausgezeichneten Künstlerin wie Fräulein Sandrock dargestellt wurde, so muß ich doch die in der Zuschrift des Herrn Dr. Heinrich Löwy klar enthaltene Zumuthung, als wenn es meine Sache wäre, bei Abfassung eines Stückes an Rollen für bestimmte Schauspieler zu denken, aufs Entschiedenste zurückweisen.
Hochachtungsvoll
 Dr. Arthur Schnitzler.