Ein Ehrenbeleidigungsproceß.
Wir berichteten im gestrigen Abendblatte über den Beginn des Schwurgerichtsprocesses
über die Ehrenbeleidigungsklagen, die von dem
Schriftsteller und Theaterkritiker
Hermann Bahr sowie dem Director des
Deutschen Volkstheaters Emerich v. Bukovics gegen den Redacteur der »
Fackel«,
Carl Kraus, erhoben worden waren. Die Verhandlung währte bis zum Abend und wird erst heute
zu Ende geführt werden. Die Veranlassung zu dem Proceß gaben bekanntlich
zwei Artikel, in welchen Herrn
Bahr vorgeworfen wurde, daß er sich von Director
Bukovics durch einen geschenkten Baugrund habe bestechen lassen; ferner wird Herrn
v. Bukovics Ehrenwortbruch gegenüber einem Autor zum Vorwurfe gemacht. Die Verhandlung
begann mit der Vernehmung des Angeklagten zu dem zuletzt angeführten Anklagepunkt.
Kraus bekannte sich als Verfasser des
Artikels, erklärte sich nichtschuldig und bot hiefür den Beweis an.
[…]
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Weitere Zeugenvernehmungen.
Der
Präsident verliest hierauf die
Zeugenaussage des Directors des
Deutschen Theaters in
Berlin,
Otto Brahm. Dieser sagt aus, es sei bei ihm ein Stück
Hermann Bahr’s eingereicht worden. Da es zur Aufführung nicht angenommen
wurde, habe
Bahr keine weiteren
Annäherungsversuche gemacht.
Es wird zur Vernehmung des Zeugen Dr.
Arthur Schnitzler geschritten. Er gibt an, 38 Jahre alt, in
Wien
geboren und hieher zuständig zu sein, von Beruf Arzt und Schriftsteller.
Präs.: Erinnern Sie sich, Herr Zeuge, für Herrn
Bahr mit dem
Deutschen Theater in Berlin in
Verbindung getreten zu sein?
Zeuge: Ja, ich habe Herrn
Brahm im December 1896
ein Stück von Bahr geschickt, das »
Tschapperl«. Wir
wußten Beide, daß die Chancen für die Annahme dieses Stückes keine besonders
günstigen sind.
Präs.: Die
Berliner können schon den Titel nicht
aussprechen. (Heiterkeit.)
Zeuge: Herr
Brahm hat sich geäußert, daß das
Stück zur Annahme nicht geeignet sei. Von der Angabe von Gründen
könne er umso eher absehen, als das Stück nicht direct eingereicht worden sei. Dies
habe ich dem Herrn
Bahr mitgetheilt. Ich weiß
allerdings nicht, ob mündlich oder schriftlich.
Präs.: Haben Sie später noch einmal intervenirt?
Zeuge: Ich kann mich nicht erinnern, mit
Bahr
darüber noch einmal gesprochen zu haben, außer in den letzten Tagen, wo wir über
diesen Proceß gesprochen haben.
Präs.: Haben Sie, Herr Zeuge, gehört, daß Herr
Bahr außer diesem Falle noch einmal mit dem
Deutschen Theater verhandelt hätte?
Dr.
Harpner (zum Zeugen): Sie hatten wohl die Ansicht, daß das Stück kaum angenommen werden
würde. Nicht wahr, es hat sich hier um eine Art Versuch gehandelt?
Zeuge: Ja, ja! So war es auch.
Präs.: Waren Sie also über die Ablehnung so erstaunt?
Dr.
Harpner: Wenn Sie nun hören, daß Herr
Bahr vier
Jahre nach diesem Vorfall das
Deutsche Theater
ungünstig beurtheilt haben soll, glauben Sie, daß es irgend einen Sinn hat,
vorauszusetzen,
Bahr habe sich dafür rächen
wollen, daß sein Versuch mit dem »
Tschapperl«
mißlungen sei?
Zeuge: Ich bin überzeugt, daß dies nicht der Fall war; ich bin absolut überzeugt
davon.
Angekl.: Ich finde es sehr komisch, daß Herr
Bahr
ein Stück eingereicht haben soll, in der Hoffnung, daß man es ablehnen werde. Die
Feindseligkeit
Bahr’s gegen
Brahm bestand ja auch schon früher, schon aus der Zeit der
Gründung der
Freien Bühne, sie wurde nur verschärft
durch diese Ablehnung. Auch ich habe das
Deutsche
Theater angegriffen, es aber nicht zu Gunsten des
Deutschen Volkstheaters herabgesetzt.
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