[Julius Bauer und Ludwig Basch]: [Mein erster Durchfall], [nach dem 17. 11. 1909?], nicht veröffentlicht

Lieber Herr Doctor! Julius Bauer und meine Wenigkeit haben diese Zeilen zusammengebraut und glauben, hoffen, dass sie Ihre Zustimmung finden werden. Event. schreiben Sie etwas dazu. Um postwendende Retournirung wird ersucht. Wir haben grossartige Beiträge. Sie kommen in die beste Gesellschaft.
Ihr
Basch
Dr. Arthur Schnitzler
Mein erster Durchfall? Reden wir nicht darüber. Und doch liegt ein gewisser Reiz darin, den Vorhang zu heben von der Vergangenheit. Meine ersten Theaterschuhe habe ich in der Theaterschule von Leo Friedrich zerrissen. Dort wurde das erste Anatol-Stück aufgeführt. »Abenteuer seines Lebens« war es betitelt. Leo Friedrich eilte sich mit der Aufführung, denn er war der Meinung, mein Vater, der Professor Schnitzler, sei der Autor des Einacters. Er traf auch gewisse Vorbereitungen für die Première und schien sehr überrascht, als am Abend der Erstaufführung statt des Professors ein kleiner, unscheinbarer, unbekannter Doctor aufmarschirte und sich als Verfasser vorstellte. Der Abend ging vorüber. Tags darauf erschienen die Kritiken. Und siehe da, auch mehrere von den gestrengen Richtern mochten der Meinung sein, daß mein Vater einen Spaziergang auf den Parnaß unternommen habe. So erkläre ich mir die guten Kritiken. Nie mehr in meinem Leben habe ich derartige uneingeschränkt lobende Referate zu Gesicht bekommen. Oder sollen die aufmunternden Worte nur dem Dilettanten gegolten haben? Geht es nur den Dilettanten gut? Und wird man erst vom S×××××××××××××××××××× wenn man die Ambition hat und auch den Ehrgeiz in sich verspürt, ernst genommen zu werden? Dann wird Honigseim manchmal in gährend Drachengift verwandelt.
Durchfälle sollen einen Bühnenschriftsteller nicht alteriren. Und ich muß gestehen, auch mein inneres Verhalten zu meinen jeweiligen Werken hat niemals eine Veränderung erfahren durch die äußeren Vorgänge des Theaters.
Wenn ich ein Stück schreibe, dann sehe ich es früher vor mir. Vor meinem geistigen Auge steigen alle Vorgänge und alle Personen auf, ich erlebe das Stück, bevor ich es niederschreibe. Wobei ich nicht leugnen will, daß bei der Conception der Rollen mir hie und da einzelne glänzende Schauspieler vorschweben. Und wenn ich im Niederschreiben begriffen bin, dann habe ich manchmal die Empfindung, als würde ich die Stimmen einzelner Künstler hören, von denen ich wünsche, daß sie meine Eingebungen verkörpern können. Kommt es dann zu den Proben, dann verrichten die Künstler mit dem Autor nachschaffende Arbeit. Und ist einmal der Abend der Première da, dann überkommt Einen manchmal das Gefühl, daß man es nicht anders hätte machen können. Der eiserne Vorhang fällt nieder und er durchschneidet häufig alle Hoffnungen. Der Abend ist aus, ein Stück Lebensarbeit mit ihm.